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Umweltcompliance: Vorschriften und Haftung werden immer strenger

Für Unternehmen ist im Bereich Umweltmanagement vieles zu beachten: Das internationale Recht, die Lieferketten und nicht zuletzt die immer strengeren Vorschriften über Umwelt- und Klimaschutz sowie Haftung für Umweltschäden. Dazu sind grössere Unternehmen zur Umweltberichterstattung verpflichtet. Nützlich dafür sind ESG-Kennzahlen.

04.06.2024 Von: Regula Heinzelmann
Umweltcompliance

Einleitung

Am 9. April 2024 urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) über die Klage des Vereins KlimaSeniorinnen Schweiz. Diese hätten zwar als Einzelpersonen kein Recht auf die Klage, hingegen bestünde ein Vereinsklagerecht. Der Gerichtshof vertrat die Ansicht, dass Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) ein Recht auf effektiven Schutz durch die staatlichen Behörden vor den schwerwiegenden nachteiligen Auswirkungen des Klimawandels auf Leben, Gesundheit, Wohlergehen und Lebensqualität enthält. 

Der Gerichtshof urteilte, dass die Schweiz ihren Pflichten im Rahmen des UNO-Übereinkommens über Klimaänderungen nicht nachgekommen sei («positive Verpflichtungen“). Es gäbe kritische Lücken, einschließlich eines Versäumnisses der Schweizer Behörden zur Quantifizierung der nationalen Treibhausgase (THG) durch ein CO2-Budget oder Emissionsbeschränkungen anderer Art.

Beim EGMR sind noch weitere solche Klagen aus anderen Staaten hängig. Für Unternehmen hat das die Konsequenz, dass nicht nur Umweltschutzmassnahmen, sondern soweit möglich auch Klimaneutralität anzustreben sind. 

In dem Zusammenhang ist in der Schweiz das Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit (KlG) zu erwähnen, das am 18. Juni 2023 vom Volk angenommen wurde. Es legt im Einklang mit dem Pariser Klimaübereinkommen von 2015 folgende Ziele fest (KIG Art. 1):

  • Verminderung der Treibhausgasemissionen und Anwendung von Negativemissionstechnologien. Darunter versteht man biologische und technische

  • Verfahren, um CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen und dauerhaft in Wäldern, in Böden, in Holzprodukten oder in anderen Kohlenstoffspeichern zu binden.

  • Anpassung an und Schutz vor den Auswirkungen des Klimawandels

  • Ausrichtung der Finanzmittelflüsse auf eine emissionsarme und gegenüber dem Klimawandel widerstandsfähige Entwicklung.

Der Bund sorgt dafür, dass die Wirkung der in der Schweiz anfallenden von Menschen verursachten Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050 Null beträgt (Netto-Null-Ziel) mit folgenden Zwischenzielen:

  • im Durchschnitt der Jahre 2031–2040: um mindestens 64 Prozent

  • bis zum Jahr 2040: um mindestens 75 Prozent

  • im Durchschnitt der Jahre 2041–2050: um mindestens 89 Prozent.

Die Verminderungsziele müssen technisch möglich und wirtschaftlich tragbar sein. Soweit möglich müssen sie durch Emissionsverminderungen in der Schweiz erreicht werden. Der Bund sichert Unternehmen bis zum Jahr 2030 Finanzhilfen zu für die Anwendung von neuartigen Technologien und Prozessen, die diesen Zielen dienen (KIG Art. 6).

Obwohl das CO2-Gesetz 2021 vom Volk abgelehnt wurde, beschloss das Parlament im Dezember 2023 einen neuen Anlauf. Das revidierte CO2-Gesetz für den Zeitraum 2025 bis 2030 soll dem Schweizer Netto-Null-Ziel 2050 und der sicheren Energieversorgung zum Durchbruch verhelfen. Die CO2-Abgabe wollen der Nationalrat und der Ständerat bei 120 Franken je Tonne belassen und die Abgabe bis zu einem Drittel zweckgebunden einsetzen.

Umwelthaftung

Einer der wichtigsten Bereiche im Umweltcompliance ist die Haftung. Diese wird wie erwähnt tendenziell immer strenger, was auch bei Geschäften im Ausland speziell zu berücksichtigen ist. 

Im schweizerischen Umweltschutzgesetz werden einzelne Einflüsse als Schaden bezeichnet (Art. 7 USG), z.B. Luftverunreinigungen, Lärm, Erschütterungen, Strahlen, Gewässerverunreinigungen, Bodenbelastungen, Veränderungen des Erbmaterials von Organismen.

Art. 59a des Umweltschutzgesetzes (USG) betrifft die Inhaber eines Betriebes oder einer Anlage, mit denen eine besondere Gefährdung der Umwelt verbunden ist. Sie haften für den Schaden aus Einwirkungen, die durch die Realisierung dieser Gefahr entstehen. Der Bundesrat kann den Inhabern bestimmter Betriebe vorschreiben, dass sie Haftpflichtversicherungen abschliessen. Von der Haftpflicht wird befreit, wer beweist, dass der Schaden durch höhere Gewalt oder durch grobes Verschulden des Geschädigten oder eines Dritten verursacht worden ist. Strengere Vorschriften in anderen Gesetzen des Bundes bleiben vorbehalten (USG Art. 3). Für radioaktive Stoffe und ionisierende Strahlen gelten die Strahlenschutz- und die Atomgesetzgebung.

Im haftrechtlichen Sinn versteht man unter einem Umweltschaden ein Personen-, Sach- oder Vermögensschaden, der von schädlichen Immissionen, z.B. durch Stoffe, Strahlen oder Gase, in Luft, Wasser und Boden verursacht wird. Im schweizerischen Umweltschutzgesetz werden einzelne Einflüsse als Schaden bezeichnet (Art. 7 USG), z.B. Luftverunreinigungen, Lärm, Erschütterungen, Strahlen, Gewässerverunreinigungen, Bodenbelastungen, Veränderungen des Erbmaterials von Organismen oder der biologischen Vielfalt.

Art. 59a USG betrifft die Inhaber eines Betriebes oder einer Anlage, mit denen eine besondere Gefährdung der Umwelt verbunden ist. Bund, Kantone und Gemeinden haften ebenfalls nach USG Art. 59a. Sie haften für den Schaden aus Einwirkungen, die durch die Realisierung dieser Gefahr entstehen. Der Bundesrat kann den Inhabern bestimmter Betriebe vorschreiben, dass sie Haftpflichtversicherungen abschliessen. Von der Haftpflicht wird befreit, wer beweist, dass der Schaden durch höhere Gewalt oder durch grobes Verschulden des Geschädigten oder eines Dritten verursacht worden ist. Strengere Vorschriften in anderen Gesetzen des Bundes bleiben vorbehalten (USG Art. 3). 

Folgende Betriebe und Anlagen gelten als mit besonderen Gefahren verbunden:

  • Betriebe die der Bundesrat aufgrund der verwendeten Stoffe, Organismen oder Abfälle den Ausführungsvorschriften nach USG Art. 10 (Katastrophenschutz) unterstellt

  • Betriebe, die der Entsorgung von Abfällen dienen

  • Betriebe, in denen mit wassergefährdenden Flüssigkeiten umgegangen wird

  • Betriebe, in denen Stoffe vorhanden sind, für welche der Bundesrat zum Schutz der Umwelt eine Bewilligungspflicht einführt oder andere besondere Vorschriften erlässt.

USG Art. 59 a bis regelt die Haftung für bewilligungs- oder meldepflichtige Personen, die mit pathogenen Organismen im geschlossenen System arbeiten, solche Organismen im Versuch freisetzen oder sie unerlaubt in Verkehr bringen. Bund, Kantone und Gemeinden haften gleich wie die Personen, die eine Bewilligung benötigen.

Das USG enthält ausserdem in Art. 60 und 61 Strafbestimmungen über Vergehen und Übertretungen. Vergehen können mit Busse und Gefängnis, Übertretungen mit Haft oder Busse bestraft werden. Das gilt auch für Versuch und Gehilfenschaft. Bestraft werden können auch fahrlässige Handlungen.

Umwelthaftung im Ausland

Wenn man im Ausland ein Unternehmen oder eine Niederlassung gründet oder Geschäfte tätigt, ist eine fundierte Kenntnis der Umweltgesetze und der Rechtsprechung notwendig. Dabei sind besonders die Regelungen über Haftung, Sorgfaltspflicht und Klimaschutz zu beachten, die für die betreffende Zusammenarbeit massgebend sind.

Für die Beurteilung von Umweltschäden im Ausland können verschiedenen Rechtordnungen von Bedeutung sein: Das Recht am Sitz einer Partei oder am Handlungs-, Erfolgs- oder Schadensort. Welche Normen dann tatsächlich angewendet werden, hängt vom Recht der betroffenen Länder und dem internationalen privaten und/oder öffentlichen Recht ab. 

In der EU gilt die Richtlinie über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (2004/35/EG). Diese legt fest, dass man Umweltschäden möglichst vermeinen soll und die Schäden sanieren wenn sie eingetreten sind. Dafür übernehmen die Verursacher die Kosten. 

2021 wollten Abgeordnete des Europäischen Parlamentes die bestehenden EU-Vorschriften zur Umwelthaftung von Unternehmen verschärfen, um Umweltschäden zu verringern und zu verhindern.

Es ist auch sinnvoll, die Nachbarschaft zu überprüfen, bevor man sich auf einem Grundstück niederlässt, wie folgendes Urteil des Europäischen Gerichtshofes (Az: C-378/08) vom 4. März 2010) zeigt. Zitat aus dem Urteil: „Die Umwelthaftungsrichtlinie steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, die es den nach der Richtlinie zuständigen Behörde erlaubt, auch im Fall nicht klar abgegrenzter Verschmutzungen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den Tätigkeiten von Betreibern und einer festgestellten Verschmutzung zu vermuten, weil sich deren Anlagen in der Nähe des verschmutzten Gebiets befinden. Nach dem Verursacherprinzip muss die zuständige Behörde jedoch, um einen solchen ursächlichen Zusammenhang vermuten zu können, über plausible Anhaltspunkte für ihre Vermutung verfügen, wie z. B. die Nähe der Anlage des Betreibers zu der festgestellten Verschmutzung oder die Übereinstimmung zwischen den gefundenen Schadstoffen und den Komponenten, die dieser Betreiber im Rahmen seiner Tätigkeiten verwendet.“

Im Klartext bedeutet das folgendes: Wenn ein Unternehmen in Europa das Pech hat, sich in der Nähe eines anderen Betriebes zu befinden, von dem aus die Umwelt verschmutzt wird und dazu noch mit gleichen Schadstoffen arbeitet ohne dass diese in die Umwelt gelangen, kann die Behörde nach nationalem Recht

  • beliebige Untersuchungen auch im unbeteiligten Unternehmen durchführen

  • unbeteiligte Unternehmen auf blosse Vermutung hin für den Umweltschaden eines anderen Unternehmens haftbar machen. 

Lieferketten – Sorgfaltspflicht beachten

Am 29. November 2020 wurde die Volksinitiative "Für verantwortungsvolle Unternehmen - zum Schutz von Mensch und Umwelt" an der Urne abgelehnt und der indirekte Gegenvorschlag des Parlaments kam zum Zuge. Dieser verzichtete insbesondere auf eine zusätzliche Haftungsbestimmung, wie sie die Initiative vorgesehen hat. Der Bundesrat setzte die neuen Bestimmungen im Obligationenrecht (OR) sowie die entsprechenden Ausführungsbestimmungen im Januar 2022 in Kraft. 

Mit dem Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative wurde im OR Artikel 964sexies eine Sorgfaltspflicht eingeführt. Diese beschränkt sich jedoch auf die Einfuhr von Mineralien und Metallen aus Konfliktgebieten, sowie auf Produkte und Dienstleistungen, bei denen ein begründeter Verdacht auf Kinderarbeit besteht. Dazu wurden Vorschriften über Umweltberichterstattung erneuert.

Unternehmen, deren Sitz, Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung sich in der Schweiz befindet, müssen in der Lieferkette Sorgfaltspflichten einhalten und darüber Bericht erstatten (Art. 964j OR) wenn sie 

  • Zinn, Tantal, Wolfram oder Gold enthaltende Mineralien oder Metalle aus Konflikt- und Hochrisikogebieten in den freien Verkehr der Schweiz überführen oder in der Schweiz bearbeiten 

  • oder Produkte oder Dienstleistungen anbieten, bei denen ein begründeter Verdacht besteht, dass sie unter Einsatz von Kinderarbeit hergestellt oder erbracht wurden.

Die "Verordnung über Sorgfaltspflichten und Transparenz bezüglich Mineralien und Metallen aus Konfliktgebieten und Kinderarbeit" (VSoTr) legt namentlich fest, welche Unternehmen die neuen Sorgfaltspflichten erfüllen müssen. Sie bestimmt analog zur entsprechenden EU-Richtlinie die Einfuhr- und Bearbeitungsmengen für Mineralien und Metalle, bis zu denen ein Unternehmen von der Sorgfalts- und Berichterstattungspflicht betreffend Konfliktmineralien befreit ist. Die festgelegten Schwellenwerte kann der Bundesrat jederzeit allfälligen Entwicklungen in der EU anpassen. 

Nach Art. 6 VSoTr müssen KMU nicht prüfen, ob ein begründeter Verdacht auf Kinderarbeit besteht und sind von den Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten befreit. Als KMU gelten Unternehmen, die zusammen mit den von ihnen kontrollierten in- und ausländischen Unternehmen in zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren zwei der nachstehenden Grössen unterschreiten:

  • eine Bilanzsumme von 20 Millionen Franken

  • einen Umsatzerlös von 40 Millionen Franken

  • 250 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt. 

Die Unternehmen führen ein Managementsystem und legen darin Folgendes fest (Art. 964k OR): 

  • Die Lieferkettenpolitik für möglicherweise aus Konflikt- und Hochrisikogebieten stammende Mineralien und Metalle sowie für Produkte oder Dienstleistungen, bei denen ein begründeter Verdacht auf Kinderarbeit besteht.

  • ein System, mit dem die Lieferkette zurückverfolgt werden kann.

  • Die Unternehmen ermitteln und bewerten die Risiken schädlicher Auswirkungen in ihrer Lieferkette. Sie erstellen einen Risikomanagementplan und treffen Massnahmen zur Minimierung der festgestellten Risiken.

  • Die Unternehmen lassen die Einhaltung der Sorgfaltspflichten bezüglich der Mineralien und Metalle durch eine unabhängige Fachperson prüfen.

  • Der Bundesrat erlässt die näheren Vorschriften; er orientiert sich dabei an international anerkannten Regelwerken, wie insbesondere den Leitsätzen der OECD.

  • Weitere Vorschriften über Lieferkettenmanagement enthält auch die VSoTr.

Das oberste Leitungs- oder Verwaltungsorgan erstattet jährlich Bericht über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten (Art. 964l OR). Der Bericht ist in einer Landessprache oder auf Englisch abzufassen. 

Einen Umweltatlas Lieferketten kann man als PDF-Datei beim Schweizer Bundesamt für Umwelt BAFU herunterladen. Dieser beschreibt Umweltthemen für die folgenden acht ausgewählte Branchen mit hohen Umweltbelastungen. 

  • Fleischverarbeitung

  • Chemische Industrie

  • Maschinenbau

  • Immobilienbranche

  • Gesundheitswesen

  • Lebensmittelhandel

  • Bekleidungshandel

  • Handel mit elektrischen Geräten

Die Ergebnisse illustrieren, dass für die meisten Branchen die Umweltbelastungen in den Lieferketten deutlich grösser sind als die Umweltbelastungen am Standort selbst. Dies zeigt, wie wichtig das Lieferkettenmanagement für die Reduktion der Umweltbelastungen ist. Schaut man genauer hin, erkennt man, dass in der Regel frühe Phasen der Wertschöpfungskette (Rohstoffgewinnung, vorgelagerte Zulieferer) am meisten zum gesamten Umweltfussabdruck einer Branche beitragen. Doch auch die Nutzungsphase kann relevant sein. Insgesamt spielt das Produktdesign eine zentrale Rolle für den Umweltfussabdruck der Branchen. Für alle acht Branchen wurden in den Branchenkapiteln Vorschläge für Reduktion von Umweltbelastungen formuliert. 

Der Bundesrat will auch künftig eine international abgestimmte Regelung und beobachtet laufend die Entwicklungen insbesondere in der EU.

Am 23.2.2022 legte die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie über die Sorgfaltspflicht gegenüber Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit vor. Nach langem Ringen unterstützte eine ausreichende Mehrheit der EU-Staaten ein abgeschwächtes europäisches Lieferkettengesetz. Darüber muss noch das Europäische Parlament abstimmen. Wir werden darüber informieren, wenn es soweit ist. 

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