AEO-Status: Der zugelassene Wirtschaftsbeteiligte

Vor allem Unternehmen aus der EU fordern von ihren Schweizer Lieferanten immer öfter eine AEO-Zertifizierung oder eine entsprechende Sicherheitserklärung. Damit stellen sich für viele Unternehmen die Fragen, von welchen Vorteilen sie als AEO profitieren können, ob sich dieser Status für die eigene Firma lohnt und ob der AEO-Status vielleicht sogar dringend notwendig ist.

30.11.2022 Von: Anita Machin Barroso
AEO-Status

Der Status des zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten – AEO

Die Sicherheit bei internationalen Waren- und Dienstleistungslieferketten und die damit verbundenen gesetzlichen Vorschriften für den grenzüberschreitenden Güterverkehr werden vor allem nach den Ereignissen des 11. September 2001 immer wieder diskutiert. Nach den USA haben auch zahlreiche weitere Länder Bestimmungen zur Sicherung der Lieferketten erlassen. In diesem Zusammenhang führte die Europäische Union (EU) in den Jahren 2005 und 2006 den Status des zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten (Authorised Economic Operator, AEO) im Rahmen des Unionzollkodex und dessen Durchführungsverordnung ein. Seit 2009 ist die Schweiz durch das neue Abkommen über Zollerleichterungen und Zollsicherheit in den Sicherheitsraum der EU integriert. Basierend darauf hat die Schweiz unter anderem den AEO-Status eingeführt. Vor allem Unternehmen aus der EU fordern von ihren Schweizer Lieferanten immer öfter eine AEO-Zertifizierung oder eine entsprechende Sicherheitserklärung. Damit stellen sich für viele Unternehmen die Fragen, von welchen Vorteilen sie als AEO profitieren können, ob sich dieser Status für die eigene Firma lohnt und ob der AEO-Status vielleicht sogar dringend notwendig ist.

Ein «zugelassener Wirtschaftsbeteiligter» besitzt einen speziellen Status: Er gilt in einer internationalen Lieferkette als besonders zuverlässiger und vertrauenswürdiger Geschäftspartner, weil er gewisse Sicherheitsstandards einhält, die von der zuständigen Zollbehörde überprüft wurden. Mittels AEO-Zertifizierung durch die zuständige Zollverwaltung können Wirtschaftsbeteiligte bestimmte Vergünstigungen im Rahmen der Zollabfertigung beanspruchen. Das AEO-System soll die Unternehmen ermutigen, die Einhaltung der Zollvorschriften zu gewährleisten und die Sicherheit in ihrer internationalen Lieferkette vom Hersteller einer Ware bis zu den Endverbrauchern zu erhöhen. Im Austausch dazu soll die
Effizienz der Lieferkette verbessert und sollen letztendlich die Kosten gesenkt werden.

AEO-Bewilligungsarten in der EU

Der Status des zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten kann in der EU seit dem 1. Januar 2008 in drei Varianten bewilligt werden:

  • AEO-Zertifikat «Zollrechtliche Vereinfachungen » (AEOC)
  • AEO-Zertifikat «Sicherheit» (AEOS)
  • AEO-Zertifikat «Zollrechtliche Vereinfachungen + Sicherheit» (AEOF)

Sämtliche an einer internationalen Lieferkette Beteiligten (Hersteller, Ausführer, Spediteur, Lagerhalter, Zollagent, Beförderer, Einführer und sonstige) mit Ansässigkeit im Zollgebiet der Union können sich den AEO-Status zertifizieren lassen. Die Kriterien sind für alle Wirtschaftsteilnehmer gleich. Der Status kann aber nicht einem ganzen Konzern, sondern nur je einem einzelnen Unternehmen verliehen werden.

Gegenseitige internationale Anerkennung

Die gegenseitige Anerkennung des AEO-Status über die Grenzen der Europäischen Zollunion hinaus ist ein Schlüsselelement des SAFE Framework of Standards to Secure and Facilitate Global Trade der Weltzollorganisation. Die EU hat die gegenseitige Anerkennung des AEO-Status mit Norwegen, der Schweiz, Japan, Andorra, den USA und China abgeschlossen. Weitere Verhandlungen mit anderen wichtigen Handelspartnern (z.B. Kanada) laufen derzeit oder werden in naher Zukunft aufgenommen.

Der AEO-Status in der Schweiz

Während in der EU drei Bewilligungsvarianten möglich sind, kennt die Schweiz lediglich einen AEO-Status, welcher mit dem AEOS-Zertifikat (Sicherheit) der EU zu vergleichen ist. Ein AEOC-Zertifikat als Basis für weitere Bewilligungen ist in der Schweiz nicht nötig, da man an den spezifischen Bewilligungen (z.B. zugelassener Empfänger/Versender oder ermächtigter Ausführer) festhält.

Der AEO nach Schweizer Recht kann seit 1. Juni 2011 durch Gesellschaften beantragt werden, die entweder im schweizerischen Handelsregister oder im liechtensteinischen Öffentlichkeitsregister eingetragen sind und somit Ansässigkeit in einem dieser Staatsgebiete haben. In der Schweiz bzw. im Fürstentum Liechtenstein ansässige Firmen können den AEO-Status nur von der Eidgenössischen Zollverwaltung, nicht aber von einer europäischen Zollbehörde bewilligt bekommen.

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Handelspartner USA

Grundsätzlich sind die USA bereit, mit der Schweiz ein Abkommen über die gegenseitige Anerkennung der zollrechtlichen Sicherheitsmassnahmen auszuhandeln, setzen jedoch den vorgängigen Abschluss eines Amtshilfeabkommens voraus. Ein Vernehmlassungsverfahren zum Entwurf eines Amtshilfeabkommens im Zollbereich mit den USA wurde im Jahr 2017 durchgeführt. Am 5. September 2018 hat der Bundesrat von den Ergebnissen Kenntnis genommen und beschlossen, die Verhandlungen über das Abkommen weiterzuführen.

Sollten die Vereinigten Staaten nochmals einen terroristischen Akt oder ein ähnliches Ereignis wie vor 17 Jahren erleiden müssen, wird die USA innerhalb von wenigen Tagen die Sicherheitsstandards anheben. Die EU müsste dann wohl nachziehen, um weiterhin Waren in die USA liefern zu dürfen. Die USA sind jedoch auch für die Schweiz ein wichtiger Handelspartner; das Land ist der zweitwichtigste Bestimmungsort für Exporte aus der Schweiz. Im Worst-Case-Szenario werden Schweizer Unternehmen von heute auf morgen mindestens die AEO-Zertifizierung benötigen, um weiterhin die USA beliefern zu dürfen. Von dieser Notwendigkeit werden nicht nur Spediteure betroffen sein, sondern alle an einer internationalen Lieferkette in die USA beteiligten Unternehmen. Mit diesen Gedanken im Hinterkopf macht es für das eine oder andere Schweizer Unternehmen bereits jetzt Sinn, das AEO-Zertifikat zu beantragen, vor allem wenn es die Voraussetzungen dafür ohnehin schon erfüllt. Ob dies der Fall ist, kann ein Wirtschaftsbeteiligter ohne grosse Investitionen selbst überprüfen, indem er den Fragebogen zur Selbstbewertung für sich ausfüllt. Werden die Bedingungen bereits grösstenteils eingehalten, ist es empfehlenswert, den Antrag für das AEO-Zertifikat bald einzureichen. Für das Unternehmen stellt der Status zunächst ein Nice-to-have dar. Im Worst-Case-Szenario, wenn der AEO-Status per sofort zum Must-have wird, hat das AEO-zertifizierte Unternehmen nicht nur bereits den qualitativen, sondern auch einen zeitlichen Vorteil, weil es dem grossen Ansturm auf AEO-Zertifikate zuvorgekommen ist.

AEO-zertifizierte Unternehmen in der Schweiz

Obwohl ein AEO-Zertifikat in der Schweiz bereits seit sieben Jahren beantragt werden kann, wurde bisher erst eine sehr geringe Anzahl von Firmen zertifiziert. In einer von der Eidgenössischen Zollverwaltung im Juni 2016 durchgeführten Evaluation wurden AEO-zertifizierte Firmen nach den Gründen für die Zertifizierung gefragt. Die meisten Unternehmen liessen sich auf Kundenwunsch bzw. aufgrund der Anforderungen des Markts zertifizieren oder weil sie sich Vorteile im Wettbewerb erhofften. Obwohl fast die Hälfte der befragten AEO-zertifizierte Firmen den Aufwand und die Kosten für die Zertifizierung als sehr oder eher gross bezeichnete, würden zwei Drittel die Zertifizierung zweifellos erneut anstreben.

Bei der Evaluation der EZV ist weiter interessant, dass nicht AEO-zertifizierte Schweizer Unternehmen überwiegend davon überzeugt sind, dass die Schweizer Wirtschaft als verlässliche Partnerin einer sicheren Lieferkette angesehen wird. Diese Selbsteinschätzung deckt sich mit der Fremdbeurteilung durch nicht AEO-zertifizierte Firmen im Ausland, von welchen 75% der Aussage zustimmen, dass die Schweizer Wirtschaft im Ausland als verlässliche Partnerin einer sicheren Lieferkette anerkannt ist. Schweizer Unternehmen wurden zum Zeitpunkt der Evaluation also auch ohne AEO-Zertifikat als verlässliche Geschäftspartner empfunden.

Wirtschaftsbeteiligte in der Schweiz sind nicht verpflichtet, den AEO-Status zu beantragen. Letztlich muss jeder für sich die Vor- und Nachteile abwägen und entscheiden, ob der Status für das konkrete Unternehmen Sinn macht oder nicht. Bei der Entscheidungsfindung sollten vor allem Überlegungen angestrebt werden, wie die Lieferstrukturen aussehen bzw. in welchen Ländern die Zulieferer und Kunden ansässig sind. Besitzen diese Geschäftspartner bereits den AEO-Status und wünschen diesen ebenfalls bei ihren Handelspartnern? Entscheidend wird sicherlich auch sein, ob das Zertifizierungsverfahren für das Unternehmen realisierbar und zumutbar ist, d.h., ob die nötigen Ressourcen vorhanden sind, die internen Kosten getragen werden können und die Kontrollaudits ausreichend vorbereitet werden können. Da die Bewilligungsvoraussetzungen eine angemessene Einhaltung der Zollvorschriften über die letzten drei Jahre vorsieht, ist eine frühzeitige Vorbereitung der Zertifizierung in jedem Fall dringend erforderlich. Zur Beschaffung der nötigen Unterlagen müssen unterschiedliche Unternehmensbereiche koordiniert zusammenarbeiten (namentlich Einkauf, Vertrieb, IT, Buchhaltung, Personal usw.). Die Beschaffung und Aufarbeitung der Unterlagen ist sehr zeitintensiv. Zudem müssen bestehende Verfahrensabläufe aus Sicht der Sicherheit überprüft, allenfalls angepasst und dokumentiert werden. Die Dauer des Zertifizierungsprozesses hängt dann von der Qualität und vom Umfang der eingereichten Informationen und Unterlagen sowie von der Anzahl der aktuell eingegangenen Anträge ab. Im Moment beträgt sie etwa sechs Monate. Obwohl von der Eidgenössischen Zollverwaltung keine Gebühr für die AEO-Zertifikate erhoben wird, können im Unternehmen erhebliche interne Kosten aufgrund der Einhaltung der erforderlichen Kriterien entstehen.

Ausblick: AEO – quo vadis?

Gemäss der Idee der Weltzollorganisation («WZO») soll in Zukunft der AEO-Status in jedem Vertragsstaat – momentan 182 nationale Zollverwaltungen – eingeführt werden. Bereits heute existiert der Status nicht mehr nur in der EU, sondern namentlich auch z.B. in der Schweiz, Japan, Norwegen, China, den Vereinigten Staaten, Neuseeland, Kanada, Brasilien und weiteren Ländern. Die übrigen Mitgliedstaaten der WZO werden wahrscheinlich dem Beispiel folgen und den Status einführen sowie anschliessend bilaterale Abkommen für die gegenseitige Anerkennung abschliessen. Der AEO-Status wird sich damit im globalen Handel als Standard etablieren. International tätigen Unternehmen ohne AEO-Zertifikat wird es über kurz oder lang nicht mehr möglich sein, den Anforderungen zu genügen. Vermutlich wird dann den Schweizer Unternehmen ihr generell anerkannter Ruf als sichere Geschäftspartner in der internationalen Lieferkette leider auch nicht mehr genügen. Es besteht die reale Gefahr, dass nicht AEO-zertifizierte Unternehmen von potenziellen Geschäftspartnern in Zukunft als zweite, wenn nicht sogar als letzte Wahl berücksichtigt werden. Des Weiteren könnten auch die Anliegen der nicht zertifizierten Unternehmen von den Zollbehörden nachrangig bearbeitet werden. Dies wäre vor allem für die Lebensmittelindustrie, bei welcher die Zeit aufgrund der begrenzten Haltbarkeit der Ware von entscheidender Bedeutung ist, sehr problematisch. Da der AEO-Status in Zukunft immer wichtiger zu werden scheint, sollten Unternehmen bereits heute prüfen, ob für sie die Zertifizierung sinnvoll ist und ob sie das aufwendige Verfahren durchlaufen können und wollen. Wenn etwas an einer internationalen Lieferkette wichtig ist, dann ist es doch die sichere, reibungslose und schnelle Zollabwicklung an den Grenzen.

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