Nachehelicher Unterhalt: Alles zur Regelung der Beiträge nach der Scheidung
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Das Verhältnis zum Kindesunterhalt
Mit der Revision des Kindesunterhaltsrechts per 01.01.2017 hat auch der nacheheliche Unterhaltsanspruch eine bedeutende Neuerung erfahren. Seither gehört zum Kindesunterhalt nicht nur der Barbedarf des Kindes, d.h. was das Kind effektiv in finanzieller Hinsicht benötigt (Essen, Kleidung, Krankenkasse usw.), sondern auch der sog. Betreuungsunterhalt. Dieser soll den Bedarf desjenigen Elternteils sicherstellen, der die Betreuung der gemeinsamen Kinder übernimmt. Der Kindesunterhaltsbeitrag umfasst somit nicht nur den Barbedarf des Kindes, sondern auch den Bedarf eines Elternteils, weshalb (im Scheidungsverfahren) die finanzielle Situation dieses Ehegatten bereits im Rahmen des Kindesunterhalts Berücksichtigung findet. Das hat zur Folge, dass die Kriterien, die ihm Kindesunterhaltsrecht zur Anwendung gelangen oftmals die gleichen sind wie in Bezug auf den nachehelichen Unterhalt. Beide Ansprüche gehen letztlich Hand in Hand.
In betragsmässiger Hinsicht hat dies im Vergleich zum früheren Recht zur Folge, dass ein beträchtlicher Anteil am Unterhalt nominell vom nachehelichen Unterhalt in den Kindesunterhalt gewechselt hat, sodass der nacheheliche Unterhaltsbeitrag bei Ehegatten mit Kindern rein betragsmässig in aller Regel wesentlicher tiefer ausfällt als früher. Neu ist der nacheheliche Unterhalt aber stets mit dem Betreuungsunterhalt zusammen zu betrachten, da diese beiden Komponenten zusammen eine wirtschaftliche Einheit darstellen: Es geht darum, was der die Kinder betreuende Ehegatte in finanzieller Hinsicht benötigt, um den Lebensstandard beibehalten zu können.
Der nacheheliche Unterhaltsanspruch im Verhältnis zum Ehegattenunterhalt
Das Gesetz hält in Art. 159 Abs. 3 ZGB fest, dass sich die Ehegatten gegenseitig Treue und Beistand schulden. Dies ist ein elementarer Grundgedanke des Eherechts, der auch in Bezug auf die Unterhaltsansprüche zwischen den Ehegatten zum Tragen kommt. In Konkretisierung dieses Gedankens hält Art. 163 Abs. 1 ZGB fest, dass die Ehegatten gemeinsamen, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie sorgen. Können sich die Ehegatten darüber nicht einigen, so setzt das Gericht diese Beiträge fest. Dabei gilt es zwischen vier Konstellationen / Abschnitten zu unterscheiden:
- Der Unterhaltsbeitrag der Ehegatten während dem ehelichen Zusammenleben (Art. 173 Abs. 1 ZGB)
- Der Unterhaltsbeitrag nach Aufnahme des Getrenntlebens (Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB)
- Der Unterhaltsbeitrag für die Dauer des Scheidungsverfahrens (Art. 125 ZGB analog)
- Der nacheheliche Unterhaltsbeitrag nach der Scheidung (Art. 125 ZGB)
Die Unterstützungspflicht zwischen den Ehegatten gilt somit von Gesetzes wegen bereits während dem ehelichen Zusammenleben. In den allermeisten Fällen ist der Unterhalt in dieser Phase jedoch kein Konfliktpunkt zwischen den Ehegatten, sodass solche Gerichtsverfahren («Eheschutzverfahren» genannt) in der Praxis kaum vorkommen. Wesentlich bedeutsamer ist der Unterhaltsbeitrag nach Aufnahme des Getrenntlebens: Dies nicht nur, weil die Ehegatten sich in diesen Punkt oft nicht einig sind, sodass es zu entsprechenden Gerichtsverfahren kommt, oftmals werden in einem solchen als Eheschutz bezeichneten Gerichtsverfahren in unterhaltsrechtlicher Hinsicht die wesentlichen Weichen für die Zukunft gestellt, insbesondere was die Höhe des Kindes- und Ehegattenunterhaltsbeitrages betrifft. Bereits zu diesem Zeitpunkt wird ermittelt, was die Ehegatten (inkl. Kinder) nach der Trennung zum Leben brauchen und auf was jeder einzelne Anspruch hat. In einem Grossteil der Fälle bleibt der im Eheschutzverfahren festgestellte Bedarf jedes Familienmitglieds für das Scheidungsverfahren unverändert.
Sofern sich die Ehegatten nicht vorzeitig zu einer Scheidung auf gemeinsames Begehren entschliessen, gilt der im Eheschutzentscheid festgelegte Unterhalt für rund zwei Jahre (Voraussetzung für eine Scheidung auf Klage eines Ehegatten ist der Ablauf einer zweijährigen Trennungszeit). Mit Einreichung der Scheidungsklage besteht die Möglichkeit, dass das Gericht die Unterhaltsbeiträge neu festlegt. Dies deshalb, weil das Bundesgericht in konstanter Praxis zu diesem Zeitpunkt einen Wechsel der Anspruchsgrundlage vornimmt und bereits in diesem Zeitpunkt die Regelung für den nachehelichen Unterhalt (Art. 125 ZGB) - quasi vorzeitig - zur Anwendung bringt. Dies stellt in vielen Fällen eine Zäsur dar. Der Hauptunterschied ist derjenige, dass der Ehegattenunterhalt im Rahmen des Eheschutzverfahrens (Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1) auf dem Grundgedanken basiert, dass damit die unmittelbare Weiterführung des zuvor gelebten ehelichen Standards bezweckt wird – mithin soll der Status quo beibehalten werden. Der nacheheliche Unterhalt basiert auf dem Gedanken der Sicherstellung des gebührenden Unterhalts im Rahmen der nachehelichen Solidarität. Da der Bedarf der Familienmitglieder - wie zuvor ausgeführt – im Wesentlichen bereits im Eheschutzverfahren festgelegt wird, geht es im Scheidungsverfahren oftmals «nur» noch um die Frage der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit für beide Ehegatten.
Der vorliegende Beitrag bezieht sich einzig auf diesen vierten und letzten Abschnitt der aus dem Eherecht fliessenden Unterhaltspflicht zwischen den (Ex-)Ehegatten.
Die Anspruchsvoraussetzungen für einen nachehelichen Unterhalt
Das gesamte Scheidungsrecht basiert auf dem Grundsatz des sog. «clean breaks»: Die Scheidung soll die im Zuge der Heirat eingegangenen rechtlichen Verpflichtungen zwischen den Ehegatten wieder trennen, sodass zwischen den Ehegatten - wenn immer möglich - nach der Scheidung keinerlei Rechtsbeziehung mehr bestehen soll.
Art. 125 Abs. 1 ZGB besagt, dass ein Anspruch auf einen angemessenen nachehelichen Unterhaltsbeitrag besitzt, wem es finanziell nicht zuzumuten ist (insbesondere unmöglich ist), für den gebührenden Unterhalt selber aufzukommen. In Abs. 2 enthält das Gesetz sogleich mehrere Anhaltspunkte fest, die für die Beurteilung dieser Frage von Bedeutung sein können. Diese Auflistung stellt eine Kodifizierung der langjährigen Rechtsprechung dar, ist jedoch nicht abschliessend, sondern nur beispielhaft zu verstehen, sodass auch nicht genannte Kriterien im Einzelfall Berücksichtigung finden können. Im Gesetz genannt werden:
Demgegenüber spielt das Verschulden heute keine Rolle mehr. Das gesamte Scheidungsrecht – und damit auch die Frage des Anspruchs auf einen nachehelichen Unterhalt – ist vom Gesetzgeber verschuldensunabhängig ausgestaltet, sodass es für den nachehelichen Unterhalt bspw. keine Rolle spielt, welcher Ehegatte die Scheidung verlangt hat.
Der Anspruch bzgl. eines nachehelichen Unterhaltsbeitrages basiert letztlich auf zwei Voraussetzungen: Zum einen muss sich die Ehe als sog. «lebensprägend» erweisen, zum anderen darf die sog. «Eigenversorgungskapazität» eines Ehegatten nicht (vollumfänglich) gegeben sein. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein, ansonsten besteht in Anwendung des Prinzips des «clean breaks» kein Anspruch auf einen nachehelichen Unterhalt. Etwas vereinfacht ausgedrückt, hat der Scheidungsrichter zu prüfen, ob beide Ehegatten nach der Scheidung finanziell in der Lage sind, den während der Ehe gelebten (teilweise auch den vorehelichen) Lebensstandard aus eigener Kraft (insbesondere durch die eigene Erwerbstätigkeit) beizubehalten.
Die Erfüllung dieser beiden Voraussetzungen ist jedoch nicht automatisch gleichbedeutend mit dem Anspruch auf einen nachehelichen Unterhalt. Vielmehr bedarf es dafür noch eine komplexe Berechnung, bei der die Einkommens- sowie Bedarfsseite jedes Familienmitglieds (d.h. gegebenenfalls inklusive Kindern) mit einbezogen werden müssen. Folgende Fragen gilt es im Rahmen der Festlegung eines nachehelichen Unterhalts, konkret im Rahmen der Berechnung, zu prüfen:
Das Kriterium der «Lebensprägung der Ehe»
Das Kriterium der lebensprägenden Ehe lässt sich (in der Theorie) relativ einfach auf folgende Kernfrage beschränken: Hatte die Ehe Auswirkungen auf einen der Ehegatten, namentlich in beruflicher Hinsicht? Die Beantwortung dieser Frage gestaltet sich in der Praxis freilich schwieriger, da dies von den konkreten Umständen im Einzelfall abhängt. Gleichwohl hat die Praxis ein Grundschema entwickelt, wonach bei einer Ehedauer von über 10 Jahren sowie bei gemeinsamen Kindern in der Regel von einer Lebensprägung auszugehen ist. Hier durften beide Ehegatten von einem Fortbestand der Ehe ausgehen, weshalb auch ein gewisses Schutzbedürfnis auf Seiten desjenigen Ehegatten besteht, der aufgrund der Ehe seine wirtschaftliche Selbstständigkeit aufgegeben hat und dadurch nach der Scheidung in seinen Erwerbsmöglichkeiten benachteiligt ist. Bei kurzen (kinderlosen) Ehen mit einer Dauer von unter 5 Jahren ist dagegen in der Regel davon auszugehen, dass beide Ehegatten grundsätzlich in der Lage sind, den (vorehelichen) Lebensstandard wieder aus eigener Kraft zu finanzieren. Es liegt daher in diesen Fällen mangels ehebedingter Nachteile meist keine Lebensprägung vor. Massgebend sind aber immer die konkreten Umstände im Einzelfall, weshalb dieses Grundschema nicht mit einer fixen Regelung gleichgesetzt werden darf, es handelt sich vielmehr um eine Art Orientierungshilfe.
- die Aufgabenteilung während der Ehe (Rollenverteilung)
- die Dauer der Ehe
- die Lebensstellung während der Ehe (ehelicher Lebensstandard)
- das Alter und die Gesundheit der Ehegatten
- das Einkommen und das Vermögen der Ehegatten
- das Alter der Kinder
- die berufliche Bildung und die Erwerbsaussichten der Ehegatten
- und die Anwartschaften der AHV/IV, Pensionskasse oder anderen Vorsorgeinstituten.
- Ist die Ehe als «lebensprägend» anzusehen?
- Ist die «Eigenversorgungskapazität» bei beiden Ehegatten nach der Scheidung vorhanden?
- Ist der grundsätzlich unterhaltspflichtige Ehegatte (unter Berücksichtigung allfälliger Kinderunterhaltsansprüchen) überhaupt finanziell dazu in der Lage dem anderen (zusätzlich noch) einen nachehelichen Unterhalt zu bezahlen?
- Wie hoch ist der gebührende Unterhalt auf Seiten des einen Ehegatten festzulegen und kann dieser Betrag vom anderen aus dessen verbleibendem Überschuss gedeckt werden oder besteht allenfalls eine Unterdeckung (Mankofall)?
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Das Kriterium der «Eigenversorgungskapazität»
Es wurde bereits ausgeführt, dass das Scheidungsrecht auf dem Grundsatz des «clean breaks» basiert, weshalb in Bezug auf die Bestreitung des Lebensunterhalts vom Grundsatz her die Eigenversorgung eines jeden Ehegatten nach der Scheidung gilt. Der nacheheliche Unterhaltsanspruch ist hierzu subsidiär und nur dann geschuldet, wenn einer der Ehegatten nicht in der Lage ist, durch Eigenleistungen für den ihm gebührenden Unterhalt aufzukommen. Massgebend ist dabei nicht nur, was dieser Ehegatte effektiv an Einkommen erzielt, sondern auch die Frage, welche Erwerbstätigkeit ihm zumutbar ist und welches Einkommen er dabei erzielen könnte. Sofern sich der Ehegatte bspw. einfach weigert, einer Erwerbstätigkeit (teilweise auch einer anderen, besser entlöhnten Erwerbstätigkeit) nachzugehen, wird ihm diesfalls ein hypothetischen Einkommen angerechnet.
Insbesondere das Kriterium der Zumutbarkeit wurde in jüngster Zeit zusehends vom Bundesgericht aus Sicht des unterhaltsberechtigten Ehegatten verschärft. So hat das Bundesgericht bereits vor einiger Zeit in Fällen, in denen gemeinsame Kinder vorhanden sind, die vormalige sog. «10/16-Regel» durch das Schulstufenmodell ersetzt. Dieses Modell beinhaltet folgende Abstufung:
- Bis zur Einschulung des jüngsten gemeinsamen Kindes ist es dem hauptbetreuenden Elternteil (und Ehegatten) in aller Regel nicht zuzumuten, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
- Mit dem Erreichen der Schulpflicht (in vielen Kantonen ist dies bereits der Kindergarten!) ist eine Erwerbstätigkeit im Umfang eines 50%-Pensums zumutbar.
- Mit Übertritt in die Sekundarstufe ist eine 80-prozentige Erwerbstätigkeit zumutbar und
- nach Erreichen des 16. Altersjahrs des jüngsten Kindes gar eine Vollzeit-Erwerbstätigkeit.
Im Weiteren hat das Bundesgericht nun auch die zuvor während Jahren geltende sog. «45er-Regel» aufgehoben. Zuvor ging man in der Praxis davon aus, dass bei einer Scheidung nach dem 45. Altersjahr die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit grundsätzlich nicht mehr zumutbar ist. Nun verlangt das Bundesgericht auch hier eine Prüfung der konkreten Umstände des Einzelfalls, wobei es gar einen Berufswechsel bzw. Neueinstieg in ein komplett neues Berufsgebiet als zumutbar erachtet.
Diese beiden Entwicklungen in der Rechtsprechung des Bundesgerichts haben letztlich auch in Bezug auf den nachehelichen Unterhaltsanspruch zur Folge, dass dieser insbesondere in zeitlicher Hinsicht zu befristen ist. Ein lebenslang (oder zumindest bis zum Erreichen des Rentenalters) geschuldeter Unterhalt dürfte inskünftig immer mehr die Ausnahme als den Regelfall bilden.
Die absolute Grenze des nachehelichen Unterhaltsbeitrages
Aus dem alleinigen Umstand, dass ein Ehegatte aufgrund des lebensprägenden Charakters der Ehe trotz zumutbarer Anstrengungen nicht in der Lage ist, für seinen eigenen Lebensunterhalt nach der Scheidung aufzukommen, darf nicht geschlossen werden, dass der andere Ehegatte automatisch auch dazu verpflichtet ist, einen nachehelichen Unterhalt zu bezahlen. Denn der andere Ehegatte ist hierzu nur verpflichtet, wenn er auch finanziell in der Lage ist, einen solchen nachehelichen Unterhalt zu leisten. Dies insbesondere bei Ehegatten mit minderjährigen Kindern in der Praxis von Bedeutung, da gemäss gesetzlicher Regelung die Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder die höchste Priorität geniessen. Der Anspruch des geschiedenen Ehegatten steht somit lediglich an zweiter Stelle. Dahinter – und somit auf Rang 3 - steht der Anspruch volljähriger Kinder auf Unterhalt (auch Mündigenunterhalt genannt).
Dies hat zur Folge, dass zuerst der Kindesunterhalt (Barunterhalt und dann Betreuungsunterhalt) zu decken ist, bevor die Festlegung eines nachehelichen Unterhaltsanspruchs möglich ist. Wo dies nicht möglich ist, hat das Gericht die Differenz zwischen dem tatsächlichen Unterhalt und dem zur Deckung des gebührenden Unterhalts eigentlich geschuldeten Betrag, d.h. die Unterdeckung bzw. das Manko, festzuhalten. Steht lediglich ein kleiner Überschuss zur Verfügung, so wird dieser gleichmässig verteilt und folglich haben sich beide Ehegatten im Vergleich zum zuvor gelebten ehelichen Lebensstandard im gleichen Umfang einzuschränken. Ein Eingriff in das Existenzminimum des Unterhaltspflichtigen zu Gunsten des anderen ist jedenfalls nicht zulässig und würde den Bestimmungen der Bundesverfassung widersprechen.
Dies selbstverständlich nur für die Fälle, in denen der grundsätzlich unterhaltspflichtige Ehegatte auch alles ihm Zumutbare unternimmt, um ein angemessenes Einkommen zu erzielen. Falls er dies unterlässt, wird ihm ein entsprechendes hypothetisches Einkommen angerechnet.
Die ausnahmsweise Kürzung / Verweigerung eines nachehelichen Unterhaltsbeitrages
Es gibt indes auch Fälle, in denen trotz fehlender Eigenversorgungskapazität beim einen Ehegatten und trotz vorhandener Leistungsfähigkeit des anderen Ehegatten, kein nachehelicher Unterhalt festgelegt oder gekürzt wird. Art. 125 Abs. 3 ZGB hält hierzu fest, dass der Unterhaltsbeitrag ausnahmsweise versagt oder gekürzt werden kann, wenn ein solcher Beitrag offensichtlich unbillig wäre. Hierzu nennt das Gesetz gleich drei Anwendungsfälle, wobei auch diese Liste nicht abschliessend, sondern lediglich beispielhaft ist:
- bei einer groben Verletzung der Pflicht, zum gemeinsamen Unterhalt beizutragen, seitens des grundsätzlich unterhaltsberechtigten Ehegatten;
- wenn der grundsätzlich unterhaltsberechtigte Ehegatte seine Bedürftigkeit mutwillig selber herbeigeführt hat;
- oder wenn der grundsätzlich unterhaltsberechtigte Ehegatte eine schwere Straftat gegenüber dem anderen Ehegatten (oder eine diesem nahestehenden Person) verübt hat.
Die Voraussetzungen dieser Bestimmung sind sehr hoch angesetzt, sodass er nur in sehr seltenen Ausnahmefällen Anwendung findet und letztlich im rechtlichen Alltag keine Rolle spielt.
Die Höhe des nachehelichen Unterhaltsbeitrages
Die Festlegung der Unterhaltsbeiträge erfolgt im Rahmen einer komplexen Berechnung, bei dem alle aus Sicht des Gesetzes und der Rechtsprechung massgebenden Parameter zu berücksichtigen sind. Bis vor Kurzem schützte das Bundesgericht noch den sog. Methodenpluralismus – getreu dem Motto «viele Wege führen nach Rom». Dies hat zu einem erheblichen Flickenteppich in der Schweiz geführt, da damit jeder Kanton eine andere Methode als der Nachbarkanton anwenden konnte. Nun hat das Bundesgericht diese Streitfrage zur Gunsten der Rechtssicherheit geklärt und die sog. zwei-stufige Methode (mit Überschussverteilung) als schweizweit verbindlich erklärt. Hierbei gilt es zwei Hauptschritte zu unterscheiden:
- Im ersten Schritt wird der Grundbedarf jedes einzelnen Familienmitglieds ermittelt. Dieser Vorgang gliedert sich in mehrere Teilschritte:
- Zunächst wird das Einkommen der Familienmitglieder bestimmt, ggf. unter Berücksichtigung eines hypothetischen Einkommens
- Dann wird der eigentliche Bedarf jedes Einzelnen errechnet. Hier bedient sich die Praxis eines Grundgerüsts mit anerkannten Bedarfspositionen:
- betreibungsrechtlicher Grundbetrag
- Wohnkosten
- Krankenkassenprämien (nur Grundversicherung / KVG)
- Gesundheitskosten (d.h. nicht versicherte Kosten)
- Berufsauslagen: Kosten für den Arbeitsweg, Kosten für auswärtige Verpflegung
- und speziell bei Kindern: Drittbetreuungs- und Schulkosten
- Sofern noch ausreichend finanziellen Mittel vorhanden sind, wird dieser Bedarf schrittweise um folgende Positionen bei allen Familienmitgliedern erweitert:
- Steuern
- Kommunikation- & Versicherungspauschale
- unumgängliche Weiterbildungskosten
- Kosten bzgl. der Ausübung des Besuchsrechts
- Schuldentilgung / Ratenzahlungen
- Krankenkasse (Zusatzversicherungen / VVG)
- Vorsorgebeiträge bei selbstständig Erwerbstätigen
- Der Barbedarf der Kinder ergibt sich aus einer Addition der vorstehenden Bedarfspositionen. Die Differenz zwischen dem Einkommen und Grundbedarf beim Ehegatten (Unterdeckung), der sich um die Betreuung der Kinder kümmert, bildet als Betreuungsunterhalt einen Bestandteil des Kindesunterhalts.
Bis zu welchem Berechnungsschritt man im Einzelfall gelangt, hängt von den finanziellen Umständen im Einzelfall ab. Sobald die verfügbaren finanziellen Mittel verteilt sind, erübrigt sich eine Weiterführung der Berechnung. Diejenigen Ausgaben, die keiner der vorgenannten Positionen zugeteilt werden können, sind aus dem Überschuss zu finanzieren.
Diese Berechnungsmethode, die ihren Ursprung im Kindesunterhaltsrecht hat, führt nun dazu, dass bei einer Scheidung von Ehegatten mit gemeinsamen, minderjährigen Kindern der Bedarf desjenigen Ehegatten, der sich um die Betreuung der Kinder kümmert, im Betreuungsunterhalt bereits Berücksichtigung findet. Lediglich der Überschussanteil bildet noch den nachehelichen Unterhaltsanspruch. Dies gilt solange ein Betreuungsunterhalt geschuldet ist, d.h. bis zum Erreichen des 16. Altersjahrs des jüngsten gemeinsamen Kindes.
Anschliessend sowie im Falle von Ehegatten ohne minderjährige Kinder im Zeitpunkt der Scheidung wird die Unterdeckung unter der Bezeichnung des nachehelichen Unterhalts (allenfalls) berücksichtigt.
Die nachträgliche Anpassung des Unterhaltsbeitrages
Der einmal festgelegte nacheheliche Unterhaltsbeitrag ist in seiner Höhe nicht zwangsläufig für immer garantiert. Art. 129 ZGB regelt die Fälle, in denen nachträglich der im Scheidungsurteil zugesprochene nacheheliche Unterhalt angepasst werden kann. Gemäss Abs. 1 dieser Bestimmung kann der Unterhaltsbeitrag bei Veränderung der Verhältnisse herabgesetzt, aufgehoben oder für eine bestimmte Zeit eingestellt werden (insb. wenn die Dauerhaftigkeit der Veränderung noch nicht definitiv ist). Diese Veränderung müssen kumulativ drei Voraussetzungen erfüllen: Sie müssen einerseits erheblich sowie dauernd sein und dürfen andererseits nicht vom unterhaltsberechtigten Ex-Ehegatten verschuldet sein. Dies betrifft somit vor allem Veränderungen auf Seiten der unterhaltsberechtigten Person. Eine Verbesserung der tatsächlichen (finanziellen) Verhältnisse auf Seiten des unterhaltspflichtigen Ex-Ehegatten hat nur dann Einfluss auf die Höhe des nachehelichen Unterhaltsbeitrages, wenn die im Scheidungsurteil festgesetzte Beitragshöhe nicht ausreichend war, d.h. trotz des Unterhaltsbeitrages rechnerisch eine Unterdeckung (Manko) verbleibt. Eine solche Anpassung ist jedoch auf eine Dauer von maximal 5 Jahren nach der Scheidung zeitlich beschränkt (Art. 129 Abs. 3 ZGB).
Diese Regelung lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Beispiele: Steigerung des Einkommens, Reduktion / Wegfall einzelner Bedarfspositionen, neue Lebensgemeinschaft (Konkubinat)
Beispiele: Steigerung des Einkommens, Reduktion / Wegfall einzelner Bedarfspositionen
Beispiele: Reduktion / Wegfall des Einkommens, Geburt eines (weiteren) Kindes
Beispiele: nachträgliche Reduktion des Einkommens, Entstehung neuer Bedarfspositionen
Damit die Beurteilung im Abänderungsverfahren, ob eine wesentliche und dauernde Veränderung der Verhältnisse vorliegt, einfacher fällt, sind im Scheidungsurteil u.a. die Einkommen (und ggf. das Vermögen) der Ehegatten im Scheidungszeitpunkt sowie die einzelnen Unterhaltsbeiträge für den Ehegatten bzw. die Kinder (Barunterhalt, Betreuungsunterhalt sowie nachehelicher Unterhalt) und eine allenfalls bestehende Unterdeckung bei einem oder mehreren Familienmitgliedern (Manko) festzuhalten
Im Weiteren kann auch nachträglich, d.h. sofern dies nicht bereits im Rahmen der Scheidung vorgenommen wurde, eine Anpassung des nachehelichen Unterhalts an die Teuerung verlangt werden. Eine solche Anpassung verlangt aber stets, dass sich auch das Einkommen des unterhaltspflichtigen Ex-Ehegatten entsprechend der Teuerung erhöht. Eine Erhöhung des Unterhaltsbeitrages trotz Teuerung, aber ohne Lohnerhöhung ist nicht möglich.
Sodann können die Ehegatten gemäss Art. 127 ZGB bereits im Rahmen der Scheidung eine Vereinbarung treffen, wonach bestimmte Vorgänge von vorherein keinen Anpassungsgrund darstellen.
Die Dauer bzw. der vorzeitige Untergang des nachehelichen Unterhaltsbeitrages
Die Gesetzesbestimmung äussert sich nicht eingehender zur Dauer des nachehelichen Unterhaltsanspruches. Dieser besteht, solange auf Seiten des unterhaltsberechtigten Ehegatten die Bedürftigkeit besteht, insbesondere in Anwendung des Schulstufenmodells bis zum Erreichen des 16. Altersjahrs des jüngsten gemeinsamen Kindes. Vom Grundsatz her kann der Anspruch aber auch lebenslang oder zumindest bis zum Erreichen des Rentenalters bestehen.
Wie zuvor bereits ausgeführt, hat das Bundesgericht jedoch jüngst die Anspruchsvoraussetzungen für einen nachehelichen Unterhaltsanspruch verschärft und hält explizit fest, dass insbesondere die Dauer des Unterhaltsanspruchs im Rahmen der Scheidung zu prüfen und gegebenenfalls in zeitlicher Hinsicht zu beschränken ist. Dies bspw. im Rahmen einer Übergangsfrist, die dem Ehegatten ermöglichen soll, sich entsprechend zu organisieren, um danach einer eigenen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Es ist daher davon auszugehen, dass in den meisten Fällen, der nacheheliche Unterhaltsbeitrag von Anfang an nur zeitlich befristet zugesprochen wird. Lebenslange Unterhaltszahlungen dürften wohl inskünftig einer die Ausnahme darstellen.
Abgesehen von den soeben genannten Anpassungsfällen, die unter Umständen gar einen Wegfall des Unterhaltsbeitrages zur Folge haben können, existieren weitere Anwendungsfälle, die zum vorzeitigen Untergang des nachehelichen Unterhaltsbeitrages führen (sofern nicht das Gegenteil vereinbart wurde):
- Sofern auch nach Deckung des erweiterten Grundbedarfs aller Familienmitglieder ein Überschuss bei einem Ehegatten resultiert, wird dieser verteilt. Im Grundsatz erfolgt die Aufteilung «nach grossen und kleinen Köpfen», wobei ein grosser Kopf den doppelten Anteil wie ein kleiner erhält. Rechenbeispiel: Bei einer Familie mit zwei Kindern ist die Quote der Eltern auf je 1/3 und bei den beiden Kindern auf je 1/6 festzulegen.
- eine positive Veränderung auf Seiten des unterhaltsberechtigten Ex-Ehegatten kann zu einer Herabsetzung, Aufhebung oder zu einer vorübergehenden Einstellung des Unterhaltsbeitrages führen.
- eine positive Veränderung auf Seiten des unterhaltspflichtigen Ex-Ehegatten führt nur dann zu einer Erhöhung des Unterhaltsbeitrages, wenn der bisherige Unterhaltsbeitrag nicht ausreichend war und eine Unterdeckung vorlag. Diesfalls sind Veränderung bis zum Erreichen des gebührenden Unterhalts zu berücksichtigen. Diese Anpassungsmöglichkeit besteht längstens für die Dauer von 5 Jahren nach der Scheidung.
- eine negative Veränderung auf Seiten des unterhaltspflichtigen Ex-Ehegatten kann zu einer Herabsetzung oder gar Aufhebung des Unterhaltsbeitrages führen.
- eine negative Veränderung auf Seiten des unterhaltsberechtigten Ex-Ehegatten ist ohne Bedeutung, da diese Veränderung keinen Bezug zur Ehe selbst hat.
- Tod eines der Ex-Ehegatten
- Wiederverheiratung des unterhaltsberechtigten Ex-Ehegatten
- Eine nichteheliche Lebensgemeinschaft (Konkubinat) ist der Wiederverheiratung gleichgestellt, wenn sie stabil und auf Dauer ausgerichtet und somit als eheähnlich anzusehen ist.