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Grundstückkaufvertrag: Neue Gerichtsentscheide

In den Jahren 2022 und 2023 hatte das Bundesgericht mehrfach die Gelegenheit, sich zu relevanten Aspekten des Grundstückkaufvertrags, wie Haftung für zugesicherte Eigenschaften, arglistige Täuschung, Grundlagenirrtum und Formvorschriften beim Immobilienkauf, zu äussern. Die relevantesten Neuerungen und Konkretisierungen sind in diesem Artikel zusammengefasst.

21.05.2024 Von: Maja Baumann
Grundstückkaufvertrag

Zu geringes Ausmass der Immobilie (BGer 4A_499/2022 vom 8. August 2023)

Im vorliegenden Fall ging es um eine Stockwerkeinheit, welche kleiner war als in den im Grundbuch hinterlegten Plänen angegeben. Strittig war, ob dies einen Mangel darstellt, welcher nach Art. 219 OR zu beurteilen ist.

Art. 219 OR sieht vor, dass der Verkäufer eines Grundstücks dem Käufer Ersatz leisten muss, wenn das Grundstück nicht das Mass besitzt, das im Kaufvertrag angegeben ist; vorbehalten sind anderweitige vertragliche Abreden sowie Abweichungen von den basierend auf einer amtlichen Vermessung im Grundbuch angegebenen Massen. Für diese Masse haftet der Verkäufer nur, wenn er diese im Kaufvertrag explizit gewährleistet. Es handelt sich bei Art. 219 OR um einen Sonderfall der Mengenabweichung. Andere Mängel wie bspw. ein zu geringes Volumen des Gebäudes unterliegen der ordentlichen Regelung von Art. 197 ff. OR.

Das Bundesgericht hat in diesem Entscheid klargestellt, dass eine zu geringe Fläche einer Stockwerkeigentumseinheit im Vergleich zu den Plänen, die zwar einen grundbuchlichen Beleg darstellten, aber nicht durch die im Grundbuch festgehaltene amtliche Vermessung erfasst waren, nicht nach Art. 219 OR, sondern gemäss der Regelung von Art. 197 ff. OR zu beurteilen ist. Die Verkäuferin hat daher den Mangel bzw. Minderwert zu erstatten (mehr dazu im nächsten Abschnitt).

Abweichung von zugesicherten Eigenschaften (BGer 4A_499/2022 vom 8. August 2023 und BGer 4A_189/2021 vom 21. März 2023)

Das Bundesgericht hielt im oben erwähnten Entscheid fest, dass «zugesicherte Eigenschaften» gem. Art. 197 Abs. 1 OR sowohl ausdrückliche als auch implizite Zusicherungen des Verkäufers bezüglich des Kaufobjekts umfassen. Relevant ist, ob der Käufer auf die Angabe, dass die Sache eine bestimmte, objektiv feststellbare Beschaffenheit aufweist, nach Treu und Glauben vertrauen durfte.

Die Flächenangaben in den Plänen, die bei den Vertragsgesprächen vor Abschluss des Kaufvertrags über einen Stockwerkanteil verwendet wurden, sind gemäss Bundesgericht zugesicherte Eigenschaften; der Käufer kann sich grundsätzlich darauf verlassen, ohne die Richtigkeit der Angaben vor Vertragsabschluss überprüfen zu müssen. Selbst wenn der Käufer die Wohnung besichtigt hat, muss er eine Flächendiskrepanz nicht bemerken und darf sich auf die Pläne verlassen. Es wird vermutet, dass die so versprochene Fläche einer Wohnung nach der allgemeinen Lebenserfahrung ausschlaggebend für die Entscheidung des Käufers war, zum vereinbarten Preis den Stockwerkanteil zu kaufen. Im konkreten Fall führte die Verkaufsdokumentation einer Immobilie 288m2 Wohnfläche, in 6.5 Zimmern, davon zwei im 2. Stock, auf. Die Immobilie enthielt im 2. Stock bereits zwei Zimmer. Beim Erwerb erhielt der Käufer die Pläne, welche im 2. Stock zwei Zimmer, eines von 66.5m2 mit mehr als 2.40m Höhe und eines von 81.7m2 mit weniger als 2.40m Höhe aufzeigten. Das Gericht hielt fest, dass der Käufer in gutem Glauben beim Zimmer mit über 2.40m Höhe davon ausgehen durfte, dass dieses zum Wohnen benutzt werden durfte, und das Fehlen dieser zugesicherten Eigenschaft Anspruch auf Minderung des Kaufpreises gibt.

In einem anderen Fall hatte der Verkäufer die Vermietbarkeit der Immobilie zugesichert. Es bestand jedoch ein Entscheid der Gemeindebehörde, welche die Vermietbarkeit verneinte. Auch wenn dieser Entscheid angefochten wurde und das Verfahren noch hängig war, lag ein Mangel vor, weil es einem Käufer nicht zugemutet werden kann, jahrlang auf den Verfahrensausgang zu warten. Das Bundesgericht hielt zudem fest, dass der Zeitpunkt der Übergabe relevant ist für die Feststellung, ob ein Mangel vorlag oder nicht.

Haftung für erwartete Eigenschaften (BGer 4A_627/220)

Das Bundesgericht wies in diesem Fall darauf hin, dass die Haftung des Verkäufers bei erwarteten Eigenschaften weniger streng ist als bei zugesicherten Eigenschaften, da im ersten Fall, gemäss Art. 197 Abs. 1 OR, die Abweichung im Minimum zu einer erheblichen Minderung des beabsichtigten Nutzens oder des objektiven Wertes der Sache führen muss, um als Mangel zu gelten. Zudem wurde klargestellt, dass das Ausmass der Anforderungen an die erwartete Qualität vom Vertragsinhalt, der Auslegung des Vertrages nach Treu und Glauben und den weiteren Umständen des konkreten Einzelfalls abhängt. Relevant ist grundsätzlich der geringere Wert oder Nutzen, sofern der Käufer in Kenntnis dieses Mangels den Vertrag nicht oder nur zu anderen Bedingungen abgeschlossen hätte.

Im besprochenen Fall ging es unter anderem um ein leckes Hausdach. Der Verkäufer hatte dem Käufer in den Verkaufsgesprächen mitgeteilt, dass es im Jahr zuvor Probleme mit der Dichtigkeit des Daches gegeben habe und dass er selber, d.h. ein Nicht-Profi, diese behoben hatte. Der Kaufvertrag enthielt eine Freizeichnungsklausel. Das Bundesgericht hielt fest, dass die Dichtigkeit des Daches zwar eine erwartete Eigenschaft eines Hauses sei, dass aber mit der Offenlegung, dass ein Nicht-Fachmann Arbeiten am Dach ausgeführt hatte, dem Handeln nach Treu und Glauben genüge getan worden war und somit die Freizeichnungsklausel anwendbar ist. 

Bemerkenswert ist zudem, dass in diesem Entscheid die Äusserung des Maklers, dass das Dach neu sei, nicht dem Verkäufer zugerechnet wurde, sondern nur als Wiedergabe von dessen Wissensstand gewertet wurde.

Arglistiges Verschweigen bzw. absichtliche Täuschung (BGer 4D_73/2022 und BGer 4A_344/2023)

Gemäss Art. 219 Abs. 3 OR verjähren Mängel an einem Gebäude fünf Jahre nach der Eigentumsübertragung. Allerdings gilt diese Verjährungsfrist nicht, wenn der Verkäufer den Käufer absichtlich getäuscht hat (Art. 210 Abs. 6 OR). Das Bundesgericht hielt in diesem Fall klar fest, dass bei arglistiger Täuschung die zehnjährige Verjährungsfrist von Art. 127 OR auf Gewährleistungsansprüche anwendbar ist. Zudem sind Vertragsbestimmungen, welche die Gewährleistung aufheben oder einschränken, bei arglistig verschwiegenen Mängeln nichtig. Auch muss bei absichtlicher Täuschung keine sofortige Mängelrüge erfolgen. Im Gegensatz zu anderen Mängel-Situationen tritt im Fall der absichtlichen Täuschung keine Verwirkung ein, wenn erst später gerügt wird (Art. 203 OR).

Der Nachweis der arglistigen Täuschung ist schwierig: (i) Der Verkäufer muss es wissentlich unterlassen haben, einen ihm bekannten vorhandenen Mangel dem Käufer offenzulegen, (ii) der Käufer darf den Mangel weder gekannt haben noch hätte er ihn bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennen müssen und (iii) der Verkäufer musste wissen, dass der Mangel für den Käufer von Bedeutung war. Das Bundesgericht hat klargestellt, dass das Verschweigen absichtlich (und nicht nur eventualvorsätzlich) gewesen sein muss und der Verkäufer vom Mangel gewusst haben muss (Unwissenheit, selbst grobfahrlässige, genügt nicht). 

Im ersten Fall hat der Verkäufer die Angaben es Grundbuchs verwendet, um die landwirtschaftliche Nutzfläche zu deklarieren, obschon bekannt war, dass die landwirtschaftliche Nutzfläche nicht immer mit dem Grundbucheintrag übereinstimmt. Es konnte aber nicht bewiesen werden, dass der Verkäufer den Käufer dadurch bewusst und willentlich täuschte.

Der zweite Fall bezog sich auf Stockwerkeigentumseinheiten mit Parkplätzen. Der Errichtungsakt enthielt Parkplätze entlang des Weges U. Nach der Eigentumsübertragung erfuhr der Käufer von der Gemeinde, dass die Parkplätze entlang des Weges nicht genehmigungfähig seien. Er machte jedoch erst zwei Jahre später der Verkäuferin gegenüber einen Mangel geltend. Wie oben beschrieben, wären die Mängelrechte in dieser Zeit verwirkt, es sei denn, es läge ein absichtlich verschwiegener Mangel vor. Das Bundesgericht verneinte dies hier, weil die Verkäuferin nicht hatte erkennen müssen, dass im Vergleich zu den öffentlich aufgelegten in den schlussendlich genehmigten Plänen gewisse Parkplätze gestrichen waren, dies u.a. auch deshalb weil die Verkäuferin schon sehr alt und in dieser Zeit zudem mit einer Angst-Depression erkrankt war. Die Arglistigkeit bzw. absichtliche Täuschung konnte somit nicht nachgewiesen werden.

Formzwang des Grundstückkaufvertrags und rechtsmissbräuchliche Berufung auf Formvorschriften (BGer 4A_424/2021)

Kaufverträge, die ein Grundstück zum Gegenstand haben, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung (Art. 216 Abs. 1 OR). Diese Formvorschrift gilt auch für Vorverträge und für Verträge, welche ein Kaufs-, Vorkaufs- oder Rückkaufsrecht an Grundstücken begründen (Art. 22 Abs. 2 und 216 Abs. 2 OR). Der Grund für die Formvorschrift ist der Schutz der Parteien vor einer übereilten Entscheidung bezüglich eines so wichtigen Vermögenswertes und die Sicherstellung, dass sie dank der professionellen Beratung des Notars die Tragweite der vertraglichen Verpflichtungen verstehen. Zudem soll eine vollständige und klare Willensäusserung erreicht und dadurch eine sichere Grundlage für den Grundbucheintrag geschaffen werden. Aus diesen Gründen sieht das Gesetz bei Missachtung der Formvorschrift die Nichtigkeit des Vertrages vor (Art. 20 OR) und der Richter hat dies von Amtes wegen festzustellen. 

Allerdings gibt es gewisse Umstände, in welchen das Bundesgericht gestützt auf das Rechtsmissbrauchsverbot (Art. 2 Abs. 2 ZGB) trotz Formnichtigkeit den Vertrag so behandelt als ob er gültig wäre. Ein typischer Fall des Rechtsmissbrauchs liegt vor, wenn sich eine Partei auf den Formfehler beruft, nachdem sie zuvor den Vertrag im Wesentlichen freiwillig und in Kenntnis des Fehlers erfüllte. Umgekehrt besteht kein Rechtsmissbrauch, wenn die Partei in Unkenntnis des Formmangesls handelt und die vereinbarten Leistungen nicht oder zumindest nicht im Wesentlichen erbracht hat. In diesem Fall kann sie nicht zur Erfüllung gezwungen werden, sondern muss den Schaden ersetzen, welcher durch den Formfehler verursacht worden war.

Im konkreten Fall enthielt ein schriftlicher Mietvertrag auch ein Kaufversprechen. Beide Parteien waren sich des Formfehlers bewusst, hatten aber keine Vollzugshandlungen im Hinblick auf die Übertragung des Eigentums an der Immobilie waren vorgenommen. Im Gegenteil: Die Eigentümerin hatte gar mehrfach die Erwerbspläne der Mieterin abgelehnt. Zudem hatten die Diskussionen über den Kaufpreis, die unbestritten geführt worden waren, zu keiner Einigung geführt. Die Tatsache, dass der Mietvertrag über mehrere Jahre erfüllt worden war, ist diesbezüglich irrelevant, da es nur um die Erfüllung des Kaufversprechens geht. Entsprechend hielt das Bundesgericht fest, dass hier die aussergewöhnlichen Umstände eines Rechtsmissbrauchs fehlten.

Grundlagenirrtum beim Immobilienkauf (BGer 4A_29/2021)

Stellt eine Partei im Nachhinein fest, dass sie beim Kauf von falschen Annahmen ausging, wird oft versucht, über den Grundlagenirrtum eine Rückabwicklung zu erreichen.

Das Gesetz sieht denn auch vor, dass, wenn eine Partei sich beim Vertragsabschluss in einem wesentlichen Irrtum befindet, der Vertrag für sie nicht verbindlich ist (Art. 23 OR). Hierzu zählt insbesondere der sog. Grundlagenirrtum, d.h., der Irrtum betrifft einen bestimmten Sachverhalt, der vom Irrenden nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrags betrachtet wurde (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR). Neben dieser subjektiven Wesentlichkeit muss aber auch eine objektive Wesentlichkeit vorliegen, d.h. der Umstand muss auch nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als notwendige Grundlage für den Vertragsabschluss erscheinen.

Die folgenden Klarstellungen brachte das Bundesgericht zusätzlich an: Der Grundlagenirrtum kann sich auch auf eine zukünftige Sache beziehen, sofern diese beim Vertragsabschluss objektiv als sicher angesehen werden konnte und die Gegenpartei nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr hätte erkennen müssen, dass die Sicherheit des Eintritts dieser zukünftigen Ereignisses für die andere Vertragspartei Vertragsvoraussetzung war. Zudem kann der Grundlagenirrtum auch dann zur Aufhebung des Vertrags führen, wenn er auf die Fahrlässigkeit des Irrenden zurückzuführen ist. Er schuldet dann jedoch der Gegenseite Schadenersatz nach Art. 26 OR.

Im konkreten Fall ging es darum, dass die Verkäuferin körperlich beeinträchtigt war und deshalb in der Scheune auf dem Kaufgrundstück, welches in der Landwirtschaftszone lag, eine Wohnung mit Lift hatte einbauen wollte. Die Baudirektion des Kantons und die zuständigen Personen der Gemeinde hatten ihre jedoch 2016 mitgeteilt, dass dies aufgrund der Lage in der Landwirtschaftszone ausgeschlossen sei. Entsprechend entschied sie sich zum Verkauf. Kurz nach der Beurkundung des Kaufvertrags im Jahre 2020 erfuhr sie, dass die Bau- und Zonenordnung geändert werde und nach der Umzonung in die Weilerzone der Umbau möglich wäre. Im konkreten Fall lag somit ein Grundlagenirrtum vor, doch konnte sich die Verkäuferin nicht erfolgreich auf diesen berufen, da gemäss Art. 25 Abs. 1 OR die Berufung nicht gegen Treu und Glauben sein darf. Die Käufer hatten nach Treu und Glauben mangels Thematisierung der Frage der Umnutzungsmöglichkeit und mangels anderer Anhaltspunkte davon ausgehen dürfen, dass die Verkäuferin die für sie notwendigen Abklärungen zur (Um)Nutzung getroffen hatte; sie hatte auch in keiner Weise gegenüber den Käufern indiziert, dass ihr Verkaufsentschluss auf einer falschen Vorstellung bezüglich Umnutzungsmöglichkeiten beruhte. Entsprechend würde die Aufhebung des Vertrags wegen Grundlagenirrtums Treu und Glauben widersprechen.

Fazit zum Grundstückkaufvertrag

Aus den oben stehenden Urteilen und der Fülle weiterer Entscheide zum Grundstückkaufvertrag wird klar, wie wichtig eine sorgfältige Abklärung (Due Diligence) und Vertragsredaktion ist. Gerade die Usanz der Anwendung von Freizeichnungsklauseln erfordert eine noch intensivere Untersuchung (und Nachmessung) durch den Käufer unter Beizug von Spezialisten. Auftretende Fragen und wichtige Voraussetzungen sind in nachweisbarer Form mit dem Verkäufer auszutauschen und explizit beantworten zu lassen. Desgleichen sind die eigenen Beweggründe und Voraussetzungen für die Transaktion per E-Mail oder Schreiben festzuhalten. Schlussendlich ist ein Immobilienkauf für viele Privatpersonen die grösste Investition in ihrem Leben, so dass genügend Zeit und Fachwissen in eine sorgfältige Abklärung und Vertragsgestaltung investiert werden sollte.

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