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Überschuldung: Die Gleichbehandlung der Gläubiger durch die Aktiengesellschaft

Wenn das Vermögen der Aktiengesellschaft nicht mehr zur Deckung aller Schulden ausreicht, haftet jeder Zuwendung an irgendeinen Gläubiger etwas Willkürliches an, weil sie häufig zu Lasten der verbleibenden Gläubiger geht, welche dann kaum noch etwas erhalten. Diesem zentralen Thema ist eine Arbeit von Thomas Rebsamen (Die Gleichbehandlung der Gläubiger durch die Aktiengesellschaft, Zürich/Basel/Genf 2004) gewidmet. Der vorliegende Beitrag befasst sich mit dieser (Un-) Gleichbehandlung der Gläubiger, wobei die neue Rechtsprechung und Lehre einbezogen wird.

20.07.2020
Überschuldung

Grundprinzip der Gleichbehandlung der Gläubiger

Die Aktiven eines Schuldners, einer Aktiengesellschaft insbesondere haften grundsätzlich sämtlichen Gläubigern in gleicher Weise, sprich alle Gläubiger haben das gleiche Recht auf Befriedigung aus dem Verwertungserlös.. Verwirklicht wird die Gleichbehandlung im Konkursverfahren, dem klassischen Verfahren der "Generalvollstreckung": Im Konkursverfahren (Art. 197 ff. SchKG) wird das gesamte Vermögen des Schuldners verwertet, und der Erlös wird zur Deckung aller bestehenden und nach gesetzlicher Vorschrift geltend gemachten Forderungen verwendet (vgl. dazu und auch zum Folgenden Rebsamen, a.a.O., S. 34 ff.). Um eine gleichmässige Befriedigung aller Gläubiger sicherzustellen, kennt das Gesetz eine ganze Reihe von Massnahmen:

  • Mit Eröffnung des Konkurses werden sämtliche Gesellschaftsaktiven zur Konkursmasse ("Aktivmasse", Art. 197 SchKG), wobei diese Masse ein Sondervermögen bildet und darüber nicht mehr rechtsgültig verfügt werden kann (Art. 204 Abs. 1 SchKG).
  • Mit Bezug auf die Konkursmasse ist die Konkursverwaltung gesetzliche Vertreterin der Aktiengesellschaft und nimmt in erster Linie die Interessen aller Gläubiger war.
  • Die Gläubiger werden öffentlich zur Anmeldung ihrer Forderungen aufgefordert (Art. 232 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG), alle angemeldeten Forderungen bilden Gegenstand des Kollokationsplanes (vgl. Art. 247–249 SchKG).
  • Die Aktiven werden vollständig verwertet, wobei die Art und Weise der Verwertung durch das Gesetz oder nach dem Willen der Gläubiger bestimmt wird (Art. 252 – 260 SchKG).
  • Der Erlös aus der Verwertung wird gleichzeitig an alle Gläubiger nach Anteil ihrer Forderungen verteilt, wobei die Konkursverwaltung Abschlagsverteilungen gewähren kann (Art. 266 SchKG).

Die Gleichbehandlung wird insbesondere durch folgende weitere Vorkehrungen unterstützt:

  • Alle Gläubiger erhalten im gleichen Anteil ihrer Forderungen Befriedigung. Die Dividende für jede Forderung umfasst den auf sie entfallenden Deckungsumfang abzüglich des entsprechenden Anteils der Verfahrenskosten.
  • Die Dividende wird allen Gläubigern zur selben Zeit ausbezahlt, womit sich die Vor- und Nachteile der Aktivenstruktur gleichermassen auswirken.

Zusammengefasst bedeutet Gleichbehandlung der Gläubiger im Konkurs und im Nachlassvertrag somit in erster Linie die gleichmässige Verteilung des Haftungssubstrats unter den Gläubiger.

Insbesondere zu den Pflichten bei Überschuldung der Gesellschaft

Bei Überschuldung der Gesellschaft statuiert das Gesetz ebenfalls Pflichten. Gemäss Art. 725 Abs. 1 OR muss der Verwaltungsrat – wenn die letzte Jahresbilanz zeigt, dass die Hälfte des Aktienkapitals und der gesetzlichen Reserven nicht mehr gedeckt ist – unverzüglich eine Generalversammlung einberufen und Sanierungsmassnahmen beantragen. Dabei dienen diese gesetzlichen Pflichten bei hälftigem Kapitalverlust dem Schutz der Gesellschaft und ihrer Aktionäre (vgl. Rebsamen, a.a.O., S 222).

Das Gesetz sieht seit 2008 im Übrigen auch vor, dass wenn begründete Besorgnis einer Überschuldung besteht, eine Zwischenbilanz erstellt und diese einem zugelassenen Revisor zur Prüfung vorgelegt werden muss (Art. 725 Abs. 2 OR). Falls sich aus der Zwischenbilanz ergibt, dass die Forderungen der Gesellschaftsgläubiger weder zu Fortführungs- noch zu Veräusserungswerten gedeckt sind, hat der Verwaltungsrat den Richter zu benachrichtigen, sofern nicht Gesellschaftsgläubiger im Ausmass dieser Unterdeckung im Rang hinter alle anderen Gesellschaftsgläubiger zurücktreten (Art. 725 Abs. 2 OR). Falls die Gesellschaft über keine Revisionsstelle verfügt, obliegt dem zugelassenen Revisor die Anzeigepflichten der eingeschränkt prüfenden Revisionsstelle (Art. 725 Abs. 3 OR).

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