Der Aktionär: Vertretung an der Generalversammlung

Grundsätzlich übt der Aktionär seine Rechte in der Generalversammlung selbstständig aus. Er kann seine Aktien jedoch durch einen Dritten vertreten lassen, der unter Vorbehalt abweichender statutarischer Bestimmungen nicht Aktionär zu sein braucht (Art. 689d Abs. 1 OR).

11.03.2025 Von: Martin E. Looser
Der Aktionär

Der Aktionär muss seinen Vertreter schriftlich bevollmächtigen (Art. 689a Abs. 1 OR). Liegt keine Vollmacht vor, kann der Generalversammlungsbeschluss von jedem Aktionär angefochten werden. Auch die gesetzlichen Vertreter von Aktionären sind in der Generalversammlung zugelassen.

Eine Vertretungsvollmacht kann sowohl nur für eine spezifische Generalversammlung (sog. Spezial- oder Einzelermächtigung) oder aber für jede Generalversammlung (sog. Generalvollmacht) erteilt werden. Vorbehalten sind die Bestimmungen betreffend börsenkotierte Gesellschaften, welche weiter unten behandelt werden.

Der Aktionär: Rechte und Pflichten des Vertreters

Wer die Mitwirkungsrechte als Vertreter ausübt, muss die Weisungen des Vertretenen befolgen. Dies ergibt sich schon aus den anwendbaren Bestimmungen des Auftragsrechts (Art. 394 ff. OR). Insbesondere ist der Vertreter zur sorgfältigen Ausübung des Auftrags verpflichtet.

Der individuelle Vertreter kann während der Generalversammlung nicht nur das Stimmrecht für den Vertretenen ausüben, sondern er kann sämtliche persönlichen Mitgliedschaftsrecht für den Vertretenen wahrnehmen. So kann er beispielsweise eine Auskunft verlangen oder einen Antrag stellen.

Institutionelle Vertreter nehmen meist zwar nur die Stimmrechtsvertretung für die Vertretenen wahr, können aber – zumindest mit Zustimmung der Gesellschaft – auch die weiteren Mitgliedschaftsrechte für die Vertretenen ausüben.

Damit der Vertreter die Mitgliedschaftsrechte des Vertretenen ausüben kann, muss er grundsätzlich an der Generalversammlung persönlich auftreten. Ist eine Vertreterin eine juristische Person, handelt sie durch ihre zeichnungsberechtigten Organe respektive Angestellten.

Grenzen der Vertretungsrechte

Die gesetzlichen und statutarischen Stimmrechtsbeschränkungen sind einzuhalten, unabhängig davon, ob das Stimmrecht durch die Aktionäre oder durch einen Vertreter ausgeübt wird. Bei Missachtung jener Vorschriften, ist der Beschluss der Generalversammlung gemäss Art. 691 Abs. 1 und 3 OR anfechtbar, sofern die beklagte Gesellschaft nicht nachweist, dass diese Mitwirkung keinen Einfluss auf die Beschlussfassung ausgeübt hatte.

Ausserdem kann der Aktionär gemäss Art. 691 Abs. 2 OR gegen die Teilnahme einer unberechtigten Person beim Verwaltungsrat oder zu Protokoll der Generalversammlung Einspruch erheben.

Die Statuten können gemäss Art. 689d Abs. 1 OR vorsehen, dass bei nicht-börsenkotierten Gesellschaften nur Aktionäre als Vertreter nicht zugelassen sind. Sehen die Statuten dies vor, muss die Gesellschaft auf Verlangen einen unabhängigen Stimmrechtsvertreter oder einen Organstimmrechtsvertreter bezeichnen, dem die Ausübung der Mitwirkungsrechte übertragen werden kann (Art. 689d Abs. 2 OR).

Der Aktionär und seine Vertretung: Spezialfälle

  • Steht eine Aktie in gemeinschaftlichem Eigentum, so können die Berechtigten die Rechte aus der Aktie nur durch einen gemeinsamen Vertreter ausüben (Art. 690 Abs. 1 OR).
  • Bei einer Nutzniessung an einer Aktie wird die Aktie durch den Nutzniesser vertreten. Trägt er den Interessen des Eigentümers nicht in billiger Weise Rücksicht, wird er diesem gegenüber ersatzpflichtig (Art. 690 Abs. 2 OR).

Organvertreter und unabhängiger Stimmrechtsvertreter

Die Gesellschaft kann den Aktionären ein Mitglied ihrer Organe oder einen unabhängigen Stimmrechtsvertreter für die Stimmrechtsvertretung an einer Generalversammlung vorschlagen.

Begriff des Organvertreters

Entscheidend für den Begriff des Organvertreters ist nicht die Organstellung, sondern die Abhängigkeit von der Gesellschaft, weshalb auch die Unabhängigkeit des zusätzlichen Stimmrechtsvertreters gegeben sein muss.

Der Vorschlag eines Organvertreters gilt nur jeweils für eine bestimmte Generalversammlung.

Als Organvertreter kommt infrage, wer einen massgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft ausübt. Dies kann unter anderem ein einflussreicher Aktionär, die Mitglieder des Verwaltungsrats oder der Geschäftsführung oder aber auch eine vertretungsberechtigte Person der zum gleichen Konzern gehörenden juristischen Person sein.

Damit ein Vertreter die Voraussetzungen eines Organvertreters erfüllt, muss er von der AG zuhanden der Aktionäre als solcher vorgeschlagen werden. Wer von einem oder mehreren Aktionären von sich aus mit der Stimmrechtsvertretung beauftragt wird, handelt dabei nicht als Organvertreter

Bekanntgabe Pflicht der Vertreter betreffend die vertretenen Aktien

Organe, unabhängige Stimmrechtsvertreter und Depotvertreter müssen der Gesellschaft Anzahl, Art, Nennwert und Kategorie der von ihnen vertretenen Aktien bekannt geben (Art. 689f Abs. 1 OR).

Diese Bestimmung soll mehr Transparenz bei der Ausübung des Stimmrechts gewährleisten und gilt zufolge der Gleichstellungsklausel auch für die Vertretung von Partizipationsscheinen (Art. 656a Abs. 2 OR).

Anfechtung

Unterbleiben die geforderten Angaben, so sind die Beschlüsse der Generalversammlung anfechtbar, sofern die beklagte Gesellschaft nicht nachweist, dass die Unterlassung der vorgeschriebenen Angaben keinen Einfluss auf die Beschlussfassung ausgeübt hatte (Art. 689f Abs. 1 OR; Art. 691 Abs. 3 OR).

Die Generalversammlungsbeschlüsse sind ohne Weiteres anfechtbar, falls der Vorsitzende die Vertretungsverhältnisse nicht bekannt gibt, obwohl der Aktionär dies verlangt hat (Art. 689f Abs. 2 OR). Die Gesellschaft hat aber auch hier die Möglichkeit, den Gegenbeweis zu führen, dass die betroffenen Stimmen auf das Zustandekommen des Beschlusses keinen Einfluss hatten.1)

Ausnahmebestimmungen für börsenkotierte Aktiengesellschaften

Das OR sieht für börsenkotierte Aktiengesellschaften Ausnahmen zu obigen Ausführungen vor. So sind bei diesen Gesellschaften Organvertreter und Depotvertreter gänzlich unzulässig (Art. 689b Abs. 2 OR).

Art. 689c Abs. 1 OR schreibt dafür aber die Wahl eines unabhängigen Stimmrechtsvertreters durch die Generalversammlung vor. Hat die Generalversammlung keinen unabhängigen Stimmrechtsvertreter gewählt, so ernennt der Verwaltungsrat einen solchen für die nächste Generalversammlung (Art. 689c Abs. 3 OR). Der Verwaltungsrat stellt ausserdem sicher, dass die Aktionäre die Möglichkeit haben, dem unabhängigen Stimmrechtsvertreter zu jedem in der Einberufung gestellten Antrag zu Verhandlungsgegenständen Weisungen zu erteilen und zu nicht angekündigten Anträgen sowie zu neuen Verhandlungsgegenständen allgemeine Weisungen zu erteilen.

Der unabhängige Stimmrechtsvertreter behandelt die Weisungen der einzelnen Aktionäre bis zur Generalversammlung vertraulich (Art. 689c Abs. 5 OR).

Ausserdem sieht Art. 689c Abs. 6 OR vor, dass Vollmachten und Weisungen nur für die kommende Generalversammlung erteilt werden können. Sie können auch elektronisch erteilt werden.

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