Konflikte am Arbeitsplatz: Präventives Konfliktmanagement und Fürsorgepflicht

Im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses lassen sich — ähnlich einer Beziehung — Konflikte am Arbeitsplatz nie ganz vermeiden. Doch welche (präventiven) Pflichten und Rechte haben Arbeitgeber bei Konflikten?

22.10.2024 Von: Jeannine Dehmelt, Marc Ph. Prinz
Konflikte am Arbeitsplatz

Konflikte am Arbeitsplatz

Konflikte am Arbeitsplatz können sowohl zwischen Mitarbeitenden als auch mit den Vorgesetzten sein. Dabei kann es sich um kleinere Auseinandersetzungen bis hin zu eigentlichem Mobbing bzw. sog. Bossing, (sexueller) Belästigung oder Diskriminierung handeln.

Oftmals liegt Konflikten eine Verletzung der Treuepflicht (Art. 321a OR) zugrunde. Typische Fälle solcher Treuepflichtverletzungen sind widerrechtliches oder ungebührliches Verhalten gegenüber dem Arbeitgeber, dessen Mitarbeitenden oder Kunden, oder die Herabsetzung des Ansehens des Arbeitgebers, die Arbeitsleistung für Dritte und die Verletzung von Geheimhaltungspflichten.

(Eigentliche) Konflikte wirken sich auf jeden Fall sowohl negativ auf die Mitarbeitenden als auch auf den Arbeitgeber aus (schlechtes Arbeitsklima, allfällige gesundheitliche Beeinträchtigungen der Mitarbeitenden, Reputation des Unternehmens, unter anderem aufwendige Gerichtsverfahren etc.). Bereits vor diesem Hintergrund scheint ein (präventives) Konfliktmanagement am Arbeitsplatz jedenfalls sinnvoll und ist in einem gewissen Mass gar Pflicht.

Fürsorgepflicht der Arbeitgeber und betriebsinternes Konfliktmanagement

Nach Art. 328 OR ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet, die Persönlichkeit der Mitarbeitenden zu achten und zu schützen und auf deren Gesundheit gebührend Rücksicht zu nehmen. Dabei hat der Arbeitgeber zum Schutz von Leben, Gesundheit und persönlicher Integrität der Mitarbeitenden alle notwendigen, nach dem Stand der Technik anwendbaren und zumutbaren Massnahmen zu treffen. Entsprechende Pflichten der Arbeitgeber finden sich auch in Art. 6 des Arbeitsgesetzes (ArG).

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) hält in seiner Broschüre «Mobbing und andere Belästigungen – Schutz der persönlichen Integrität» dabei zusammengefasst folgende Massnahmen zum Schutz der Mitarbeitenden fest: 

  • Sensibilisierung der Mitarbeitenden: Den Mitarbeitenden muss klar sein, welche Umgangsformen gewünscht sind und welche nicht toleriert werden.
  • Schulung der Führungskräfte: Die Führungskräfte sollten nicht nur in Bezug auf mögliche Persönlichkeitsverletzungen sensibilisiert werden. Sie sollten auch in Bezug auf einen unterstützenden Führungsstil und klare Kommunikation geschult werden, da dies massgeblich die Arbeitsorganisation und das Betriebsklima beeinflusst.
  • Schriftliche Weisung: Die schriftliche Weisung sollte eine Grundsatzerklärung enthalten, die inakzeptable Verhaltensweisen umschreibt und Informationen zum Vorgehen bei Auftreten von Problemen bereithält. Idealerweise werden die Mitarbeitenden bei der Erarbeitung miteinbezogen.
  • Reglement zum Vorgehen bei auftretenden Problemen und/oder Einrichtung einer internen oder externen vertraulichen Anlaufstelle: In einem solchen Reglement sollten die Handlungsmöglichkeiten, die Unterstützungsangebote und die Pflichten bei Verletzungen der persönlichen Integrität festgehalten werden, ebenso wie die Konsequenzen. Die Vertrauensperson muss einerseits über die notwendige Ausbildung und andererseits Diskretion (Schweigepflicht) verfügen. Es muss ihr zudem möglich sein, eine unabhängige und eigenständige Position einzunehmen.


Mit diesen Massnahmen lassen sich Konflikte am Arbeitsplatz oftmals vermeiden und auf jeden Fall zielführend(er) angehen.

Liegt ein Konflikt vor, ist der Arbeitgeber gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zudem verpflichtet, zumindest zu versuchen, den Konflikt abzubauen und idealerweise zu lösen. Entsprechende Massnahmen können (interne oder externe) Aussprachen, Schlichtungsbemühungen, ein Coaching, das Aufstellen von Verhaltensregeln/Zielvereinbarungen, das Erteilen von Weisungen, interne Versetzungen, Umstellungen der Arbeitsabläufe, Verwarnungen oder ultimativ das Aussprechen von Kündigungen sein. Dem Arbeitgeber kommt in diesem Zusammenhang ein grosses Ermessen zu, und die Massnahmen sollten jeweils auf den Einzelfall abgestimmt werden. Vor diesem Hintergrund sollte jedes Unternehmen über ein effizientes Leistungsund insbesondere (präventives) Konfliktmanagement verfügen.

Neben der Sensibilisierung der Mitarbeitenden, Schulungen der Führungskräfte, internen Weisungen und Reglementen sowie der Einrichtung einer Anlaufstelle (vgl. vorstehend) sollten die Leistungen und das Verhalten der Mitarbeitenden regelmässig und ehrlich evaluiert und dokumentiert werden. Üblicher- und sinnvollerweise wird dies im Rahmen (jährlicher) Mitarbeitergespräche gemacht. Damit haben auch die Mitarbeitenden regelmässig die Möglichkeit, allfällige aus ihrer Sicht bestehende Probleme anzusprechen. Eine gute und offene Kommunikation dient denn allgemein dazu, mögliche Konflikte frühzeitig zu erkennen und soweit möglich im Keim zu ersticken.

Zumindest sofern die Leistungen und/ oder das Verhalten Anlass zum Ergreifen von disziplinarischen Massnahmen geben, sollten diese – ebenso wie das mit dem betreffenden Mitarbeitenden empfehlenswerterweise zu führende Gespräch – schriftlich festgehalten werden. Eine saubere Dokumentation erlaubt in Konfliktsituationen eine einfachere Sachverhaltsab- und bestenfalls -aufklärung.

Liegt ein Konflikt vor? Ab- und Aufklärung des relevanten Sachverhalts

Die Erstellung des relevanten Sachverhalts stellt in einer Konfliktsituation in aller Regel den ersten Schritt dar und nimmt somit einen wichtigen Stellenwert ein. Arbeitgeber sehen sich daher immer häufiger veranlasst sog. interne Untersuchungen durchzuführen. Eine interne Untersuchung kann von einer Befragung von Mitarbeitenden bis hin zu einer Sicherung und Sichtung von elektronischen Dateien, insbesondere von E-Mails, reichen. Dabei sind die relevanten arbeitsund datenschutzrechtlichen Bestimmungen zu beachten.

Eine interne Untersuchung sollte immer von einer unabhängigen Stelle durchgeführt werden. Bei überschaubaren und nicht das Gesamtunternehmen (insbesondere die Geschäftsleitung) betreffenden Konflikten ist dies in der Regel das HR, die Rechtsabteilung oder eine andere in diesem Zusammenhang bezeichnete/ eingesetzte Anlaufstelle. In heiklen oder komplexen Fällen kann sich der Beizug einer externen Stelle aufdrängen.

Im Falle von Befragungen von Mitarbeitenden sind diese zwar darauf hinzuweisen, dass sie (als Ausfluss ihrer Treuepflicht) grundsätzlich verpflichtet sind, zu geschäftsbezogenen Vorfällen wahrheitsgemäss auszusagen. Ebenso sind sie aber darauf hinzuweisen, dass sie sich nicht selbst belasten müssen. Wird dies nicht gemacht, können die Einvernahmen in einem späteren Zivil- oder gar Strafverfahren allenfalls nicht verwendet werden (auch wenn das Bundesgericht in einem neueren Entscheid festgehalten hat, dass eine interne Untersuchung nicht nach den Regeln strafprozessualer Verfahren geführt werden muss).

Sollen im Rahmen einer internen Untersuchung elektronische Daten gesichert werden, gilt ferner Folgendes: Idealerweise sollte den Mitarbeitenden bereits klar sein (z.B. aufgrund interner Reglemente, Weisungen, der Datenschutzerklärung), dass der Arbeitgeber unter gewissen Umständen auf ihre geschäftlichen Daten zugreifen kann. Andernfalls sind sie vor der Untersuchung grundsätzlich entsprechend zu informieren.

Die im Rahmen einer solchen internen Untersuchung durchgeführten Abklärungen und die Resultate der Untersuchung sind sodann sauber und schriftlich zu dokumentieren.

Der Sachverhalt ist erstellt: Wie weiter?

Ist der Sachverhalt und eine Pflichtverletzung (die dem Konflikt zugrunde liegt) gegeben/erstellt, stehen dem Arbeitgeber je nach deren Art und Intensität verschiedene Handlungsmöglichkeiten offen. In der Regel ergreift der Arbeitgeber – nach allfälligen Massnahmen zur Schlichtung des Konflikts (vgl. auch sogleich nochmals) – disziplinarische Massnahmen. Diese können von einer Ermahnung/ einem Verweis, bei welchem es sich um eine Rüge des vertragswidrigen Verhaltens ohne weitere Konsequenzen handelt, über eine Verwarnung bis hin zu einer (fristlosen) Kündigung reichen.

Mit einer Verwarnung wird das fehlbare Verhalten des Mitarbeitenden abgemahnt und – für den Wiederholungsfall – eine Sanktion angedroht (meist eine fristlose Kündigung). Die Verwarnung und die Sanktionsandrohung haben dabei explizit und unmissverständlich sowie – aus Beweisgründungen – grundsätzlich schriftlich zu erfolgen. Der betreffende Mitarbeitende muss gestützt auf die Verwarnung somit klar erkennen können, welches Verhalten nicht mehr toleriert wird und welche Konsequenzen weitere (gleichartige) Verfehlungen haben.

Alternativ kann direkt eine Kündigung ausgesprochen werden. Obwohl in der Schweiz grundsätzlich die sog. Kündigungsfreiheit gilt, ist bei der Aussprache von Kündigungen in einer Konfliktsituation (sog. Konfliktkündigungen) Vorsicht geboten. Gemäss der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichts qualifiziert eine Konfliktkündigung als missbräuchlich, wenn der Arbeitgeber einfach kurzerhand einer Konfliktpartei kündigt. Er hat daher zuvor die notwendigen und zumutbaren (verhältnismässigen) Massnahmen zur Entschärfung des Konflikts zu ergreifen (zumindest sofern nicht von vornherein klar ist, dass entsprechende Massnahmen nicht zielführend sind). Infrage kommen dabei sowohl die vorgenannten disziplinarischen als auch vermittelnden Massnahmen. Welche Massnahmen zu ergreifen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls und der Natur des Konflikts ab. Die gewählten Massnahmen müssen aber auf jeden Fall dazu geeignet sein, den Konflikt zu lösen oder zumindest abzuschwächen.

Für eine gerechtfertigte fristlose Kündigung muss das Fehlverhalten des Mitarbeitenden zudem derart gravierend sein, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann (Art. 337 OR). Dies dürfte in der Regel bei Straftaten am Arbeitsplatz oder bei sehr schweren Treuepflichtverletzungen der Fall sein, nicht aber bei Konflikten zwischen Mitarbeitenden oder mit dem Vorgesetzten. Eine fristlose Kündigung ist zudem umgehend auszusprechen. Wird dies nicht beachtet, dürfte die fristlose Kündigung als ungerechtfertigt qualifizieren und zu Entschädigungsansprüchen des Mitarbeitenden führen (Schadenersatz in der Höhe des Einkommens des Mitarbeitenden während der ordentlichen Kündigungsfrist und Entschädigung von bis zu sechs Monatslöhnen; Art. 337c OR).

Im Falle einer Verletzung der Arbeitspflicht oder einer Treuepflichtverletzung, welche zu einem Schaden führt, kann der Arbeitgeber unter Umständen alternativ den Lohn zurückbehalten oder den Schaden mit diesem verrechnen (wobei bei nicht absichtlich herbeigeführten Schäden das sog. Existenzminimum zu beachten ist; Art. 323b OR).

Fazit

All dies zeigt, dass Arbeitgeber gut beraten sind, wenn die internen Abläufe bei Auftreten von Konfliktsituationen klar sind und dadurch schnell und angemessen reagiert werden kann. Um Konflikte soweit möglich zu vermeiden, und als Ausfluss der Fürsorgepflicht der Arbeitgeber, sollten Letztere zudem über ein angemessenes präventives Konfliktmanagement verfügen. Auch wenn sich Konflikte am Arbeitsplatz nie ganz vermeiden lassen, wirkt dieses allfälligen Konflikten immerhin entgegen.

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