Diskriminierung am Arbeitsplatz: Welche Rechte haben Arbeitnehmende?

Diskriminierung am Arbeitsplatz kann in verschiedenen Formen und Ausprägungen auftreten, die nicht einheitlich geregelt sind. Dieser Artikel soll die wichtigsten Begrifflichkeiten klären und aufzeigen, inwiefern Diskriminierung am Arbeitsplatz verboten ist. Schliesslich werden einige Rechtsbehelfe der Arbeitnehmenden anhand von Beispielen aufgezeigt.

03.07.2024 Von: William Blatter, Lukas Breu
Diskriminierung am Arbeitsplatz

Was bedeutet Diskriminierung am Arbeitsplatz?

Diskriminierung am Arbeitsplatz liegt vor, wenn eine Person aufgrund persönlicher oder sozialer Merkmale oder Eigenschaften benachteiligt wird, ohne dass ein sachlicher Grund dafür besteht. Häufige Diskriminierungsmerkmale sind das Geschlecht, die Rasse, die ethnische Zugehörigkeit, das Alter, körperliche Nachteile oder andere persönliche Merkmale. Diskriminierungen können sowohl «direkt» als auch «indirekt» sein. Bei einer indirekten Diskriminierung wirkt sich eine vermeintlich neutrale Regelung oder Praxis in der Realität nachteilig auf eine Person aus. So kann sich beispielsweise die Weigerung, Teilzeitangestellte in eine bestimmte Position zu befördern, faktisch benachteiligend auf Frauen auswirken, weil diese gegenüber ihren männlichen Kollegen häufiger in Teilzeitpensen tätig sind.

Gibt es ein Verbot von Diskriminierung am Arbeitsplatz?

Nein, für privatrechtliche Arbeitsverhältnisse gilt kein allgemeines Gleichbehandlungsgebot. Es gibt jedoch verschiedene gesetzliche und vertragliche Bestimmungen, welche diskriminierendes Verhalten gegenüber Mitarbeitenden punktuell verbieten oder sanktionieren. Nachfolgend werden die wichtigsten Bestimmungen ausgeführt:

1. Vertragsrechtlicher Persönlichkeitsschutz

Das Obligationenrecht verpflichtet die Arbeitgeberin, die Persönlichkeit der Arbeitnehmenden zu achten und zu schützen. Werden Arbeitnehmende an ihrem Arbeitsplatz diskriminiert, können sie dadurch in ihrer Persönlichkeit verletzt werden. Das Bundesgericht bewertet eine Diskriminierung als persönlichkeitsverletzend, wenn mit der Diskriminierung gleichzeitig eine Herabwürdigung verbunden ist. So stellte beispielsweise ein Zürcher Gericht eine persönlichkeitsverletzende Diskriminierung fest, weil eine Reinigungsfirma eine Bewerberin mit der Begründung ablehnte, man stelle keine «Kopftücher» an.

2. Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts

Das Gleichstellungsgesetz («GlG») verbietet die Diskriminierung von Menschen aufgrund des Geschlechts. Das Verbot gilt im Arbeitskontext insbesondere für die Anstellung, Aufgabenzuteilung, Gestaltung der Arbeitsbedingungen, Entlöhnung, Aus- und Weiterbildung, Beförderung und Entlassung. Die Rechtsfolgen bei einem Verstoss gegen dieses Diskriminierungsverbot sind im GlG detailliert geregelt.

3. Geplantes Verbot der Diskriminierung aufgrund einer Behinderung

Ende 2023 hat der Bundesrat eine Teilrevision des Behindertengleichstellungsgesetzes (BehiG) in die Vernehmlassung geschickt. Ziel der geplanten Gesetzesänderung ist es unter anderem, Menschen mit Behinderungen auch im Erwerbsleben vor Diskriminierung zu schützen. Gestützt auf die aktuelle Gesetzeslage sind Menschen mit Behinderungen in privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen nicht ausdrücklich vor direkter oder indirekter Diskriminierung geschützt.

4. GAV-Bestimmungen zum Schutz vor Diskriminierung

Gesamtarbeitsverträge («GAV») haben regelmässig weitergehende Bestimmungen, welche das Thema Diskriminierung am Arbeitsplatz regeln. Beispielsweise die GAV der Post oder der SBB enthalten ein allgemeines Diskriminierungsverbot. Zusammengefasst gibt es in der Schweiz für privatrechtliche Arbeitsverhältnisse auf gesetzlicher Ebene «nur» für die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ein allgemeingültiges Verbot. Beispielsweise die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder der Rasse ist im Rahmen der Vertragsfreiheit grundsätzlich erlaubt, sofern keine entgegenstehende GAV-Bestimmung existiert und die Diskriminierung nicht zu einer Persönlichkeitsverletzung führt.

Ist sexuelle Belästigung auch eine Diskriminierung am Arbeitsplatz?

Ja, sexuelle Belästigung ist eine besondere Form der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Das Verbot sexueller Belästigung von Mitarbeitenden richtet sich grundsätzlich gegen den Arbeitgeber. Das heisst aber nicht, dass die sexuelle Belästigungshandlung zwingend vom Arbeitgeber bzw.von einer vorgesetzten Person ausgehen muss. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, seine Mitarbeitenden auch vor sexuellen Belästigungshandlungen durch Kollegen oder Kunden zu schützen. Daraus folgt, dass Arbeitgeber Belästigungshandlungen unterbinden, untersuchen und sanktionieren sowie weitere Folgemassnahmen ergreifen müssen, sobald sie davon Kenntnis erhalten. Um ihre Schutzpflichten zu erfüllen, müssen Arbeitgeber zudem die betriebsinternen Verantwortlichkeiten und Anlaufstellen bei sexueller Belästigung regeln und den Mitarbeitenden kommunizieren.

Welche Rechte haben diskriminierte Arbeitnehmende?

Diskriminierten Arbeitnehmenden stehen verschiedene Rechtsbehelfe zur Verfügung. Diese Rechtsbehelfe reichen von Schadenersatzforderungen über Strafanzeigen bis zur Wiedereinstellung. Bei der Frage, welcher Rechtsbehelf konkret zur Anwendung gelangt, kommt es darauf an, in welcher Situation und aufgrund welcher Merkmale die Diskriminierung geschieht. Bei einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts stehen den Arbeitnehmenden aufgrund des GlG weitergehende und griffigere Rechtsbehelfe zur Verfügung als bei einer Diskriminierung aufgrund eines anderen Merkmals. Nachfolgend werden die wichtigsten Rechtsbehelfe anhand von drei Beispielen aufgezeigt:

1. Anstellungsdiskriminierung aufgrund der Hautfarbe, der sexuellen Orientierung und des Geschlechts 

Jerome ist im Senegal aufgewachsen, homosexuell und hat eine dunkle Hautfarbe. Er bewirbt sich in einem Landgasthof für eine Servicestelle. Nach dem Vorstellungsgespräch erklärt ihm der Wirt, dass er für die Stelle nicht infrage käme, weil er aufgrund seiner Herkunft und «seiner weiblichen Art» bei den eher konservativen Gästen auf Vorbehalte stossen könnte. Ohnehin seien seine Gäste an eine weibliche Serviceangestellte gewöhnt, und er würde deshalb keine Männer für diese Position anstellen.

Die Ablehnung der Bewerbung von Jerome aufgrund der Hautfarbe stellt eine Diskriminierung aufgrund der Rasse dar und ist herabwürdigend. Jerome hat gute Chancen, mit einer Klage den Wirt zu einer Genugtuungszahlung zwischen CHF 500.– und 5000.– zu verpflichten.

Juristisch umstritten ist, ob aufgrund der Ablehnung wegen «seiner weiblichen Art» die Rechtsbehelfe des GlG greifen. Das Bundesgericht hat in einem jüngeren Entscheid die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung vom Anwendungsbereich des GlG ausgenommen.

Dagegen stellt die generelle Weigerung, Männer für diese Position anzustellen, eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar. Gestützt auf das GlG hat Jerome das Recht, eine schriftliche Begründung vom Wirt zu verlangen. Er kann zudem innerhalb von drei Monaten seit der Ablehnung seiner Bewerbung eine Entschädigung geltend machen, die auf der Grundlage des voraussichtlichen Lohns berechnet wird und bis zu drei Monatslöhne betragen kann.

2. Diskriminierung während des Anstellungsverhältnisses aufgrund des Geschlechts 

Sarah ist im dritten Monat schwanger mit ihrem ersten Kind und stellvertretende Teamleiterin in einer Versicherung. Per Ende Jahr wird eine Teamleiterposition in einem anderen Team frei. Sie bewirbt sich auf die Vakanz. Das ausschliesslich mit Männern besetzte Recruiting-Board fragt sie ausgiebig dazu aus, ob sie sich die zusätzliche Verantwortung in «ihrer Situation» zutraue und ob diese Stelle denn wirklich in ihre Zukunftsplanung passe. Schliesslich wird sie zur zweiten Bewerbungsrunde nicht mehr eingeladen. In der Kaffeepause erfährt sie, dass Paul, der soeben sein Praktikum in ihrem Team beendet hat und deutlich weniger Erfahrung hat, zur zweiten Bewerbungsrunde eingeladen wurde.

Die Weigerung, junge Mütter bei Beförderungsrunden zu berücksichtigen, stellt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar. Sarah kann sich gegen die drohende Diskriminierung wehren, indem sie gegen ihre Arbeitgeberin eine sogenannte Unterlassungsklage führt. Das heisst, sie beantragt beim Gericht, dass der Arbeitgeberin unter Strafandrohung zu verbieten sei, schwangere Frauen bei der Beförderung in Teamleiterpositionen nicht zu berücksichtigen. Im Gerichtsverfahren profitiert Sarah von der erleichterten Beweisführung der Diskriminierung unter dem GlG.

3. Kündigung des Anstellungsverhältnisses aufgrund des Geschlechts 

Tanja arbeitet als Assistentin der Geschäftsleitung in einem grossen Autohaus. Als der Chef sie darauf hinweist, sie dürfe ruhig auch einmal einen Jupe anziehen, der nicht bis zu den Knien reiche, wendet sich Tanja an die betriebsinterne Gleichstellungsbeauftragte und schildert den Vorfall per E-Mail. Kurz darauf wird ihr per Einschreiben die ordentliche Kündigung des Anstellungsverhältnisses mitgeteilt.

Vorliegend ist die Kündigung anfechtbar, weil sie ohne begründeten Anlass auf eine innerbetriebliche Beschwerde über eine Diskriminierung folgte. Tanja kann vor Abschluss der Kündigungsfrist die Auflösung des Anstellungsverhältnisses anfechten und ihre Weiterbeschäftigung verlangen. Die Kündigung ist hinfällig.

Fazit

Diskriminierung am Arbeitsplatz kann in verschiedenen Formen auftreten. Je nach Diskriminierungsmerkmal und Situation kommen unterschiedliche Regelungen zur Anwendung. Gerade im Bereich der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bietet das GlG den betroffenen Arbeitnehmenden umfassende Rechtsbehelfe, welche die Arbeitgeber empfindlich treffen können. Umso wichtiger ist es, die Beteiligten für mögliche Diskriminierungshandlungen zu sensibilisieren sowie Rechte und Pflichten bekannt zu machen. Ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld ist letztlich im Interesse aller Beteiligten.

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