Vollmacht: Handeln in Stellvertretung für einen Dritten
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Die Stellvertretung / die kaufmännische Vertretung
Die Stellvertretung nach OR ist strikt von der kaufmännischen Vertretung zu unterscheiden, da die Stellvertretung nach Art. 32 OR an die rechtsgeschäftliche Erklärung des Vertretenen gebunden ist. Neben der freiwilligen Vertretung nach Art. 32 ff. OR gibt es die ‹gesetzliche Vertretung›, wie namentlich die Vertretung der Kinder durch die Eltern, des Mündels durch den Vormund, die Vertretungsbefugnis des Ehegatten oder des Testamentsvollstreckers, wobei diese nicht rechtsgeschäftlichen Vertretungen nicht einheitlichen Gesichtspunkten folgen und die massgebenden Regeln fallweise ermittelt werden müssen.
Der Inhalt der Vertretungsmacht wird durch Rechtsgeschäft, d.h. durch die Willenserklärung des Vertretenen, bestimmt, was grundsätzlich die Stellvertretung nach Art. 32 ff. OR von den handelsrechtlichen Arten der Vertretung, namentlich der Prokura und der Handlungsvollmacht, unterscheidet.
Nicht als eigentlicher Vertreter handelt derjenige, der in eigenem Namen und für Rechnung eines Dritten handelt, da die Rechtsbeziehungen beim Handeln in eigenem Namen den Pseudovertreter selber treffen und auf die kontrahierenden Parteien keinen Einfluss haben. Nicht Stellvertreter, sondern Hilfspersonen wie Boten, Übersetzer usw. formulieren keinen eigenen Willen, sondern übermitteln lediglich einen fremd gebildeten Willen, so dass Stellvertretungsregeln ebenfalls ausser Betracht bleiben.
Abgrenzung interne / externe Vollmacht
Die Vollmacht ist die auf Begründung einer Vertretungsmacht gerichtete Willenserklärung Als Adressat der bevollmächtigenden Erklärung wird im Normalfall der Vollmachtnehmer betrachtet (sog. ‹interne› Vollmacht), wovon der Tatbestand der ‹externen› Vollmacht zu unterscheiden ist, bei welcher die Vollmachterteilung direkt vom Vollmachtgeber dem Dritten mitgeteilt wird, nämlich als Aufforderung, dass mit ihm der Vertreter kontrahieren soll. Dabei kann die Vollmacht ohne Form und mündlich erteilt werden. Die schriftliche Vollmachterteilung ist immer zu empfehlen, vor allem bei wichtigen Angelegenheiten.
Geschäftsführung ohne Auftrag
Wurde die Vollmacht nicht im Vornherein erteilt, löst die Genehmigung eines konkreten Geschäftes Vertretungswirkungen aus, und zwar nachträglich. Dabei gelten die Bestimmungen über Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 419 ff. OR). Wer für einen anderen ein Geschäft besorgt, ohne von ihm beauftragt zu sein, ist verpflichtet, das unternommene Geschäft so zu führen, wie es dem Vorteil und der mutmasslichen Absicht des anderen entspricht. Der Geschäftsführer haftet für jede Fahrlässigkeit. Seine Haftpflicht ist jedoch milder zu beurteilen, wenn er gehandelt hat, um einen dem Geschäftsherrn drohenden Schaden abzuwenden.
Dabei wird vorausgesetzt, dass das zu genehmigende Geschäft vom vollmachtlosen Vertreter im Namen des Vertretenen geschlossen wurde. Nach Art. 422 - 424 OR gilt folgendes:
- Wenn die Übernahme einer Geschäftsbesorgung durch das Interesse des Geschäftsherrn geboten war, so ist dieser verpflichtet, dem Geschäftsführer alle Verwendungen, die notwendig oder nützlich und den Verhältnissen angemessen waren, samt Zinsen zu ersetzen und ihn in demselben Masse von den übernommenen Verbindlichkeiten zu befreien sowie für andern Schaden ihm nach Ermessen des Richters Ersatz zu leisten. Diesen Anspruch hat der Geschäftsführer, wenn er mit der gehörigen Sorgfalt handelte, auch in dem Falle, wo der beabsichtigte Erfolg nicht eintritt.
- Wenn die Geschäftsführung nicht mit Rücksicht auf das Interesse des Geschäftsherrn unternommen wurde, so ist dieser gleichwohl berechtigt, sich die aus der Führung seiner Geschäfte entspringenden Vorteile sich anzueignen. Zur Ersatzleistung an den Geschäftsführer und zu dessen Entlastung ist der Geschäftsherr nur so weit verpflichtet, als er bereichert ist.
- Wenn die Geschäftsbesorgung nachträglich vom Geschäftsherrn gebilligt wird, sind die Vorschriften über den Auftrag anzuwenden.
Inhalt der Vollmacht
Der Bereich der Vertretungsmacht und mithin der Inhalt der Vollmacht kann vom Vollmachtgeber frei gestaltet werden. Im Rahmen der internen Vollmacht geht die Erklärung so weit, wie sie vom Erklärungsadressaten nach Treu und Glauben im Verkehr als gewollt verstanden werden kann; gegenüber Dritten gilt, was der Dritte nach dem Vertrauensprinzip als deren Inhalt betrachten durfte. Die Vollmachterteilung wird damit beherrscht vom Vertrauensprinzip.
Neben dem Tod des Bevollmächtigten sowie dem Verlust der juristischen Person als Vertretenen erlischt die Vollmacht insbesondere im Falle des Widerrufs, wobei dieser Widerruf jederzeit erfolgen kann. Dabei muss dieser Widerruf dem Bevollmächtigten zur Kenntnis gebracht werden. Im Falle des Widerrufs der Vollmacht ist der Bevollmächtigte zur Rückgabe einer allenfalls ausgestellten Vollmachtsurkunde verpflichtet.
Die Vollmacht kann jederzeit widerrufen werden (Art. 34 OR). Ein vom Vollmachtgeber zum voraus erklärter Verzicht auf dieses Recht ist ungültig. Dabei muss dieser Widerruf dem Bevollmächtigten zur Kenntnis gebracht werden. Im Falle des Widerrufs der Vollmacht ist der Bevollmächtigte zur Rückgabe einer allenfalls ausgestellten Vollmachtsurkunde verpflichtet. Den ganzen oder teilweisen Widerruf kann man gutgläubigen Dritten nur dann entgegensetzen, wenn man sie darüber informiert hat.
Die durch Rechtsgeschäft erteilte Ermächtigung erlischt, sofern nicht das Gegenteil bestimmt ist oder aus der Natur des Geschäfts hervorgeht, mit dem Verlust der entsprechenden Handlungsfähigkeit, dem Konkurs, dem Tod oder der Verschollenerklärung des Vollmachtgebers oder des Bevollmächtigten, der Auflösung einer juristischen Person oder einer in das Handelsregister eingetragenen Gesellschaft. Die gegenseitigen persönlichen Ansprüche werden hievon nicht berührt (Art. 35 OR).
Vertretung gegenüber Dritten
Die Vertretungswirkung entsteht dadurch, dass der Vertreter die weiteren Parteien über das Vertretungsverhältnis informiert und Verträge nicht in eigenem, sondern in fremdem Namen abschliesst, d.h. zum Ausdruck bringt, dass er mit rechtlicher Wirkung nicht für sich, sondern einen Dritten handelt (= Grundsatz der Offenlegung des Vertretungsverhältnisses). Dabei stellt sich die Frage, ob der Dritte aus den gesamten Umständen darauf schliessen musste, dass sein Partner nicht mit Wirkung für sich selber, sondern für einen andern handeln wollte. Wenn der Dritte in Kenntnis des Bestehens eines Vertretungsverhältnisses, aber ohne Kenntnis der Person des Vertretenen mit dem Vertreter kontrahiert, bringt er zum Ausdruck, dass ihm die Person seines Vertragspartners gleichgültig ist und wird gegenüber dem Unbekannten gebunden, weil das Gesetz diese Möglichkeit vorsieht (Art. 32 Abs. 2 OR). Der Sachverhalt, dass der Vertreter die ihm erteilte Vollmacht nicht selber ausübt, sondern seinerseits einen Unterbevollmächtigten (Substituten) zur Vertretung ermächtigt, wird im Gesetz zwar nicht geregelt, muss aber nach dem Grundsatz allgemeiner Zulässigkeit der Stellvertretung gelten, sofern nicht der Wille des Vollmachtgebers dem entgegensteht.
Dritte können sich auf eine Vollmacht berufen, wenn der Vertretene durch sein Verhalten den Anschein erweckt hat, dass er dem Vertreter eine Vollmacht bestimmten Inhalts erteilt hat oder wenn ein Dritter sich als Bevollmächtigter ausgibt, der Vertretene das erfährt, aber nicht widerspricht. Dies nennt man ‹Duldungsvollmacht›. Dabei muss aus dem Verhalten des Vertretenen selber auf diese Rechtslage geschlossen werden und nicht aufgrund sonstiger Umstände.