Prokura: Die gesetzlich unbeschränkte und unbeschränkbare Generalvollmacht
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Die Besonderheiten der handelsrechtlichen Prokura sowie der Handlungsvollmacht gegenüber der Stellvertretung nach Art. 32 ff. OR bestehen darin, dass ein ermächtigender Wille des Vertretenen in Bezug auf das getätigte Geschäft nicht vorausgesetzt wird, wenn nur dem Handelnden die Stellung eines Prokuristen oder Handlungsbevollmächtigten zukommt und das vorgenommene Geschäft in den gesetzlich umschriebenen Vertretungsbereich fällt.
Die Prokura erspart zeitraubende Nachforschungen über den Umfang der Vollmacht. Ausserdem darf das mit dem Bevollmächtigten abgeschlossene Geschäft später nicht in Frage gestellt werden.
Begriff der Prokura
Eine Prokura bedeutet, dass man von dem Inhaber eines Handels-, Fabrikations- oder eines anderen nach kaufmännischer Art geführten Gewerbes ausdrücklich oder stillschweigend ermächtigt ist, für ihn das Gewerbe zu betreiben und «per procura» die Firma zu zeichnen (OR Art. 458).
Die kaufmännische Prokura und Handlungsvollmacht hat einen geschichtlich vollständig anderen Hintergrund als die Stellvertretung nach Art. 32–39 OR und hat sich aus der handelsrechtlichen Praxis herausgebildet. Überdies unterscheiden sich die Rechtsinstitute vom praktischen Ansatz komplett: Bei der zivilrechtlichen Stellvertretung nach Art. 32 ff. OR geht es um die Vertretung in einem oder mehreren konkreten Geschäften. Die Prokura bedeutet eine generelle Stellvertretung des Geschäftsherrn und der Prokurist kann selbstständig entscheiden innerhalb der Vorgaben seiner Firma.
Die Prokura ist die wichtigste Form der Vertretung in kaufmännischen Betrieben, unabhängig von der Rangbezeichnung der entsprechenden Vertretungsperson, wie CEO, Prokurist usw. Der Umfang der Prokura ist weit gefasst: Mit ihr gilt die Vertretungsperson grundsätzlich als befugt, alle Arten von Rechtshandlungen vorzunehmen, die der Zweck des Gewerbes oder Geschäftes mit sich bringen kann (Art. 459 Abs. 1 OR). Trotzdem gibt es gesetzliche Einschränkungen: Der Prokurist, sowie der Handlungsbevollmächtigte, der für den Betrieb des ganzen Gewerbes beauftragt ist oder in einem Arbeitsverhältnis zum Inhaber des Gewerbes steht, darf ohne Einwilligung des Geschäftsherrn weder für eigene Rechnung noch für Rechnung eines Dritten Geschäfte machen, die zu den Geschäftszweigen des Geschäftsherrn gehören (Art. 464 OR). Bei Übertretung dieser Vorschrift kann der Geschäftsherr Ersatz des verursachten Schadens fordern und die betreffenden Geschäfte auf eigene Rechnung übernehmen. Auch zur Veräusserung und Belastung von Grundstücken ist der Prokurist nur ermächtigt, wenn ihm diese Befugnis ausdrücklich erteilt worden ist (Art. 459 Abs. 2 OR).
Weiter sind natürlich interne Kompetenzbeschränkungen möglich und üblich, ebenso Instruktionen. Diese können Dritten nicht entgegengehalten werden, ausser wenn sie ihm direkt mitgeteilt wurden, so dass die Gutgläubigkeit im Sinne von Art. 459 Abs. 1 OR wegfällt. Dies darf nach Auffassung der Lehre allerdings im Interesse der Verkehrssicherheit nicht leichtfertig angenommen werden. Handelt der Prokurist treuwidrig und innerhalb der gesetzlichen Vertretungsmacht, nicht aber im Interesse des Geschäftsherrn, ist die Vertretung trotzdem wirksam, da der gutgläubige Dritte nicht mit dem Risiko der Untreue belastet werden darf, siehe Bundesgerichtsentscheid unten.
Die Eintragung der Prokura ins Handelsregister ist eine Ordnungsvorschrift und dient zur Information der Allgemeinheit. Der Geschäftsleitung hat die Erteilung der Prokura zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden, das Unternehmen wird jedoch schon vor der Eintragung durch die Handlungen des Prokuristen verpflichtet. Auch das Erlöschen der Prokura ist in das Handelsregister einzutragen.
Die Prokuraerteilung muss nicht ausdrücklich erteilt werden, sondern kann nach Art. 458 Abs. 1 OR auch konkludent erfolgen, wobei es nach dem auch hier gültigen Vertrauensprinzip nicht darauf ankommt, was der Geschäftsherr gewollt hat, sondern welchen Anschein er bei Dritten hat aufkommen lassen. Wer es duldet, dass ein Angestellter als Prokurist zeichnet, macht ihn damit zum Prokuristen. Eine Handlungsvollmacht kann stillschweigend auch in eine Prokura umgewandelt werden, wie BGE 94 II 118 festhält.
Die Prokura kann mehreren Personen zu gemeinsamer Unterschrift erteilt werden (Kollektiv-Prokura). Die Unterschrift des Einzelnen ist ohne die übrigen nicht verbindlich. Andere Beschränkungen der Prokura haben gegenüber gutgläubigen Dritten keine rechtliche Wirkung (OR Art. 460). Das ist aus Sicherheitsgründen sehr zu empfehlen, ebenso wie eine interne Kontrolle. Kriminalität kommt auch in kleinen Unternehmen vor und sogar bei scheinbar hoher persönlicher Verbundenheit.
Die Prokura kann jederzeit entzogen werden, wobei der Entzug der Prokura gegenüber Gutgläubigen erst wirkt, wenn die Löschung im Handelsregister eingetragen wurde. Dies gilt selbst für den Fall, dass die Prokura und deren Erteilung im Handelsregister nicht eingetragen worden war, was praktisch bedeutet, dass eine konkludent eingeführte Prokura mit sofortiger Wirkung nur durch Eintragung im Handelsregister, verbunden mit gleichzeitiger Löschung beendigt werden kann. Die Prokura erlischt hingegen nicht mit dem Tod des Geschäftsherrn oder den Eintritt seiner Handlungsunfähigkeit (Art. 465 Abs. 2). Arbeits- oder andere Verträge des Unternehmens mit dem Prokuristen werden durch den Widerruf der Prokura nicht berührt (Art. 465 Abs. 1).
Gültigkeit gegenüber Dritten
Die Prokura ist von Gesetzes wegen unbeschränkte und unbeschränkbare Generalvollmacht, was nicht ausschliesst, dass interne Kompetenzbeschränkungen möglich und üblich sind, ebenso Instruktionen. Diese internen Kompetenzbeschränkungen und Instruktionen können dem Dritten nicht entgegengehalten werden, es sei denn, diese seien direkt dem Dritten mitgeteilt worden und dieser habe positive Kenntnis, so dass die ‹Gutgläubigkeit› im Sinne von Art. 459 Abs. 1 OR wegfällt. Dies darf nach Auffassung der Lehre allerdings im Interesse der Verkehrssicherheit nicht leichthin angenommen werden. Handelt der Prokurist treuwidrig und innerhalb der gesetzlichen Vertretungsmacht, nicht aber im Interesse des Geschäftsherrn, ist die Vertretung trotzdem wirksam, da der gutgläubige Dritte nicht mit dem Risiko der Untreue belastet werden darf, wie dies zwar im viel kritisierten Entscheid BGE 95 II 442 (‹Prospera›-Fall) für eine treuwidrige Vertretungshandlung eines Organs mit nach Bundesgericht fehlender GmbH-Vertretungswirkung erkannt wurde. Diese Auffassung ist aber in BGE 105 II 291 sowie BGE 111 II 288 (mit Zusammenstellung der kritischen Literatur in E. 3/b) aufgegeben worden.
Entzug der Prokura
Die Prokura kann jederzeit entzogen werden, wobei der Entzug der Prokura gegenüber Gutgläubigen erst wirkt, wenn die Löschung im Handelsregister eingetragen wurde. Dies gilt selbst für den Fall, dass die Prokura und deren Erteilung im Handelsregister nicht eingetragen worden war, was praktisch bedeutet, dass eine konkludent eingeführte Prokura mit sofortiger Wirkung nur durch Eintragung im Handelsregister, verbunden mit gleichzeitiger Löschung beendigt werden kann. Die Prokura erlischt hingegen nicht mit dem Tod des Geschäftsherrn oder den Eintritt seiner Handlungsunfähigkeit (Art. 465 Abs. 2). Arbeits- oder andere Verträge des Unternehmens mit dem Prokuristen werden durch den Widerruf der Prokura nicht berührt (Art. 465 Abs. 1).