Digitaler Nachlass: Vorsorgeverfügung für den Ernstfall

Unternehmer sollten für den Fall von Handlungsunfähigkeit oder Tod über ihren digitalen Nachlass verfügen, der im Computer, auf Webseiten, in der E-Post usw. vorhanden ist. Es ist zu bestimmen, wer wo Zugriff erhalten soll und wie damit umzugehen ist. Ohne entsprechende Regelungen im digitalen Nachlass können gravierende Probleme für das Unternehmen entstehen.

22.10.2024 Von: Regula Heinzelmann
Digitaler Nachlass

Digitaler Nachlass

Internetdienstleister dürfen nicht ohne weiteres Daten herausgeben und Zugang zu den Konten ermöglichen. Bestehen keine Verfügungen des Berechtigten sollten die Erben oder die geschäftlichen Stellvertreter dem Anbieter die Geschäftsunfähigkeit oder den Tod des Kunden melden, allenfalls auch beweisen. Dann können sie versuchen, über Verhandlungen Zugriff auf die Daten zu erhalten.

Zu einer Vorsorgevollmacht gehört deshalb eine Verfügung, wie man mit den bestehenden digitalen Verbindungen verfahren soll, wie soziale Webseiten, Bestellungen, E-Bankkonten, E-Mailkonten usw. In vielen Fällen ist es nötig, diese weiter zu betreuen, vor allem wenn sie geschäftlich wichtig sind. Die Vertrauenspersonen müssen im Notfall über wichtige Abläufe informiert werden. 

Wichtig: Am besten stellt man eine Liste aller Konten zusammen, zu denen Vertrauenspersonen Zugriff erhalten sollen und stellt sie diesen zu. 

Digitaler Nachlass: Gesetzliches Vertretungsrecht der Ehepartner 

Gesetzlich haben Ehepartner oder eingetragene Partner, die mit einer Person, die urteilsunfähig wird, einen gemeinsamen Haushalt führen oder ihr regelmässig und persönlich Beistand leisten, ein Vertretungsrecht, wenn weder ein Vorsorgeauftrag noch eine entsprechende Beistandschaft besteht (ZGB Art. 374). Dieses Vertretungsrecht umfasst die ordentliche Verwaltung des Einkommens und Vermögens und die Befugnis, die Post zu erledigen.

Eine handlungsfähige Person kann auch eine andere natürliche oder juristische Person beauftragen, im Fall ihrer Urteilsunfähigkeit die Personensorge oder die Vermögenssorge zu übernehmen oder sie im Rechtsverkehr zu vertreten (ZGB Art. 360).

Beim Tod gehen die Forderungen, das Eigentum, die beschränkten dinglichen Rechte und der Besitz des Erblassers ohne weiteres auf die Erben über, und die Schulden des Erblassers werden zu persönlichen Schulden der Erben (ZGB Art. 560). Das gilt auch für den digitalen Nachlass. Der Computer samt Festplatte gehört den Erben. Sie müssen aus den E-Mail und anderen Konten des Erblassers ermitteln können, welche Verpflichtungen der Erblasser hatte. 

Vorsicht gegenüber professionellen Nachlassverwaltern

Es gibt Unternehmen, die professionell die Bearbeitung von Internetkonten, sozialen Netzwerken und Festplatten für den Notfall oder nach dem Tod anbieten. Diese muss man sorgfältig auswählen. Am besten achtet man darauf, dass für den Vertrag europäisches Recht gilt. Das macht es einfacher, den Datenschutz durchzusetzen. 

Manchmal wird sogar empfohlen, Passwörter in einer verschlüsselten Cloud zu platzieren, es gibt Unternehmen die solche Dienstleistungen anbieten. Computerfachleute raten sehr davon ab, denn man ist nie sicher, was mit Daten in einer Cloud passiert und wo sie physikalisch gelagert werden (EU/USA/Asien). So weiss man auch nicht, wer auf die Daten Zugriff bekommt, und mit Hackern ist immer zu rechnen. Auf keinen Fall gehören Passwörter oder vertrauliche Daten in eine Cloud! 

Passwörter, allenfalls auch Listen über Konten, speichert man am besten auf einem USB-Stick und bewahrt diesen in einem versiegelten Umschlag an einem Ort auf, zu dem nur die Bevollmächtigten im Notfall Zutritt haben, z.B. in einem Wand- oder Banksafe. Für E-Post ist die einfachste Lösung, dass man einer Vertrauensperson für den Notfall Zugang zum Passwort ermöglicht, jedenfalls für die geschäftliche E-Post. Eine andere Möglichkeit ist eine Anweisung an die Internetdienstleister, bestimmten Personen den Zugang zu den Konten zu gewähren und Vertrauenspersonen zu bestimmen, die Auskunftsrecht haben.

Begrenzter Datenschutz für Verstorbene

Im schweizerischen Datenschutzgesetz gibt es keine Bestimmung über die Daten von Verstorbenen. Einen beschränkten Schutz enthält die Regelung in der Verordnung zum Datenschutzgesetz (VDSG): Wird Auskunft über Daten von verstorbenen Personen verlangt, so ist sie zu erteilen, wenn der Gesuchsteller ein Interesse an der Auskunft, z.B. mittels Erbschein, nachweist und keine überwiegenden Interessen von Angehörigen der verstorbenen Person oder von Dritten entgegenstehen. Nahe Verwandtschaft sowie Ehe mit der verstorbenen Person begründen ein Interesse. Dies gilt auch für private Datensammlungen. 

Die neue Datenschutzgrundverordnung der EU gilt nicht für die personenbezogenen Daten Verstorbener. Hingegen können die Mitgliedstaaten diesbezügliche Regelungen treffen. 

Digitaler Nachlass – das Urheberrecht gilt.

Die Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes sind auch in Bezug auf den digitalen Nachlass zu beachten. Ein Werk ist nach dem Tod eines Urhebers oder Miturhebers geschützt und zwar bis 70 Jahre nach dem Tod des zuletzt verstorbenen (Mit-)urhebers (URG Art. 29). Für Computerprogramme dauert der Schutz nur 50 Jahre. Man kann also Werke, die auf einem Computer gespeichert sind, nicht einfach löschen.

Andererseits ist das Urheberrecht übertragbar und vererblich (URG Art. 16).  Die Übertragung eines im Urheberrecht enthaltenen Rechtes schliesst die Übertragung anderer Teilrechte nur mit ein, wenn dies vereinbart ist, bzw. im Todesfall vom Erblasser bestimmt wurde. Die Übertragung des Eigentums am Werkexemplar schliesst urheberrechtliche Verwendungsbefugnisse selbst dann nicht ein, wenn es sich um das Originalwerk handelt bzw. um die Computerdatei, auf der dieses enthalten ist. In Bezug auf hinterlassene Werke, die noch nicht publiziert sind, ist der Wille des Urhebers, soweit man ihn ermitteln kann, massgebend und zu respektieren. 

Andererseits besteht der Erschöpfungsgrundsatz (URG Art. 12). Hat ein Urheber ein Werkexemplar veräussert, so darf dieses weiter verbreitet werden. Das bedeutet für Erben, dass sie bereits publizierte Werke auch im Internet nicht einfach löschen können oder den Nutzern verbieten, diese ins Internet zu stellen. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn ein Urheber den Nutzern ausdrücklich untersagt hat, seine Werke im Internet zu publizieren. 

Mit Dokumenten von Drittpersonen im Nachlass des Verstorbenen muss man diskret umgehen. Will man etwas ins Internet stellen, sollte man vorher die betroffene Person fragen. Anderenfalls könnte es passieren, dass man deren Persönlichkeitsrechte verletzt. 

Den Urhebern ist sehr zu empfehlen, testamentarische Bestimmungen über ihren urheberrechtlich geschützten Nachlass zu treffen. Dabei ernennt man am besten geeignete Personen, allenfalls auch Organisationen, als Nachlassverwalter, wobei man ihnen gerechterweise für ihre Arbeit ein Honorar oder einen Anteil an der Erbschaft zuwenden sollte. Dabei kann man regeln, welche Werke zu publizieren sind und was allenfalls auf dem Computer zu löschen ist. Man kann dem Nachlassverwalter auch die Verwaltung der sozialen Webseiten überlassen, so dass er diese allenfalls im Sinn des Verstorbenen weiterführen kann. 

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