Einseitige Vertragsveränderungen: Wann sind sie unfair?

Einseitige Vertragsänderungen sind möglich, aber auch für diese gibt es bestimmte Regeln. Sie müssen angekündigt werden und den Kunden ist eine Frist zu setzen für die Vertragsauflösung, falls sie damit nicht einverstanden sind. Will ein Dienstleister einen Vertrag einseitig ändern, muss er den Kunden eine Information über die Vertragsänderung schicken. Preiserhöhungen sollten besonders deutlich vermerkt werden, ebenso andere wichtige Änderungen. Dazu ist eine Frist für die Vertragsauflösung zu setzen, für den Fall, dass die Kunden mit der Vertragsänderung nicht einverstanden sind.

24.09.2024 Von: Regula Heinzelmann
Einseitige Vertragsveränderungen

Beispiele für unkorrekte Änderungen

Ändert man zum Beispiel ohne Ankündigung die Preise für Clouds oder Internet- oder Webseitenprogramme, stellt sich sogar die Frage, ob Erpressung vorliegt. Der Tatbestand der Erpressung ist nach Art. 156 StGB folgendermassen definiert: Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selber oder einen andern am Vermögen schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. Handelt der Täter gewerbsmässig oder erpresst er die gleiche Person fortgesetzt, so wird er mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

Es kann sehr wohl ernstliche Nachteile haben, wenn es heisst: Entweder der Kunde bezahlt, oder das Programm funktioniert nicht mehr wie vereinbart. Dabei ist zu berücksichtigen, dass viele Unternehmen auf Internetdienstleistungen und auf ihre Webseite angewiesen sind. Im Falle einer Webseite bedeutet der Nachteil den Aufwand, diese bei einem anderen Dienstleister einzurichten und das ist zumindest mit Zeitaufwand allenfalls auch Kosten verbunden. Das Unternehmen ist allenfalls während des Wechsels nicht mehr so leicht wie vorher erreichbar, was eine Umsatzeinbusse zur Folge haben kann. 

Als Erpressung kann man das Verhalten einer Firma dann betrachten, wenn man sich weigert, die ohne Ankündigung veränderten Verträge aufzulösen und den Kunden womöglich noch einen Prozess für Schadenersatz zumutet. 

Ein anderes Beispiel: Wenn man in ein Programm ohne vorherige Ankündigung plötzlich Werbung einfügt und Geld dafür verlangt, wenn der Kunde keine Werbung möchte ist das eine eindeutige Veränderung des Angebotes. Das muss zwar keine Nachteile beinhalten, aber wenn dauern Werbung dazwischenfunkt ist das lästig. Auch dann ist eine vorherige Ankündigung nötig, mit der Möglichkeit einer Vertragskündigung.

Schlechterfüllung: Rechte der Kunden

Bei einseitigen Vertragsänderungen, die für den Kunden nachteilig sind, liegt eine Schlechterfüllung des Vertrages vor. Dafür gelten nach allgemeinem OR folgende Regeln:

  • Kann die Erfüllung der Verbindlichkeit überhaupt nicht oder nicht gehörig bewirkt werden, so hat der Schuldner für den daraus entstehenden Schaden Ersatz zu leisten, sofern er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last fällt (Art. 97 OR). Natürlich werden einseitige Leistungsänderungen vorsätzlich vorgenommen, so dass die Kunden ein Recht auf Schadenersatz haben. 

  • Ist der Schuldner zu einem Tun verpflichtet, kann sich der Kunde, unter Vorbehalt seiner Ansprüche auf Schadenersatz, ermächtigen lassen, die Leistung auf Kosten des Schuldners vorzunehmen (Art. 98 OR).

Handelt es sich um einen Werkvertrag haben die Kunden bei starken Abweichungen vom Vertrag das Recht, die Annahme zu verweigern und Schadenersatz zu fordern (Art. 368 OR). Sind die Mängel oder die Abweichungen vom Vertrage nicht so erheblich, so kann der Besteller einen dem Minderwert des Werkes entsprechenden Abzug am Honorar machen oder auch die unentgeltliche Verbesserung des Werkes und bei Verschulden Schadenersatz verlangen, sofern das dem Dienstleister nicht übermässige Kosten verursacht.

Bei Aufträgen haftet der Beauftragte haftet im Allgemeinen für die gleiche Sorgfalt wie der Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis und für vertragsgemässe und sorgfältige Ausführung des ihm übertragenen Geschäftes (Art. 398). Der Auftrag kann von beiden Teilen jederzeit zurückgezogen werden (Art. 404 OR). Auf die nicht erlaubte Kündigung zur Unzeit kann man sich kaum berufen, wenn man einseitig die Bedingungen ändert. 

Vertragsanpassung wegen veränderten Verhältnissen

Bei unvorhergesehen Ereignissen, z.B. Lieferschwierigkeiten wegen Krieg oder hohe Inflation in Lieferantenländern, stellt sich die Frage, ob man Verträge einseitig anpassen kann.

Dafür gibt es keine direkte gesetzliche Regelung, aber folgende Grundsätze. Man kann sich nicht auf verändere Verhältnisse berufen, wenn diese vorhersehbar sind, hingegen aber wenn sich ein starkes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ergibt. 

Wenn man einen Vertrag abgeschlossen hat, bei dem eine Leistung zu einem unbilligen Preis zu liefern ist, kann der Vertragspartner sich auf die Veränderung berufen, vor allem wenn diese unerwartet erfolgt. 

Nach Kaufrecht besteht, wenn ein Liefertermin vereinbart wurde, die Vermutung dass der Käufer auf die Lieferung verzichtet und Schadenersatz beansprucht (OR Art. 190 und 191). Will der Käufer die Lieferung trotzdem, muss er es dem Verkäufer nach Ablauf des Termins unverzüglich anzeigen. Wurde kein bestimmter Termin vereinbart, gilt OR Art. 107. Der Käufer ist berechtigt, dem Verkäufer eine angemessene Frist zur nachträglichen Erfüllung anzusetzen. Wird auch bis zum Ablauf dieser Frist nicht erfüllt, so kann der Gläubiger immer noch auf Erfüllung nebst Schadenersatz wegen Verspätung klagen. Sofern er es unverzüglich erklärt kann er auch auf die nachträgliche Leistung verzichten und entweder Ersatz des aus der Nichterfüllung entstandenen Schadens verlangen oder vom Vertrag zurücktreten. Allenfalls muss der Lieferant seinerseits Rückgriff nehmen auf eine dritte Partei, die für die Verzögerung verantwortlich ist. 

Für solche Fälle hält ein Bundesgerichtsentscheid fest, dass der Begriff der wesentlichen Vertragsverletzung restriktiv auszulegen ist (BGE 4A_68/2009, Urteil vom 18. Mai 2009). Liegen Zweifel vor, ob eine wesentliche Vertragsverletzung gegeben ist, ist davon auszugehen, dass eine solche nicht vorliegt (Urteil 4C.105/2000 vom 15. September 2000 E. 2c/aa). Das UN-Kaufrecht geht vom Vorrang der Vertragserhaltung aus. Der Vertrag soll im Zweifelsfall auch bei Störungen Bestand haben, die Vertragsaufhebung hingegen die Ausnahme sein. Der Käufer soll in erster Linie die anderen Rechtsbehelfe, namentlich Minderung und Schadenersatz, in Anspruch nehmen und die Rückabwicklung nur als letzte Möglichkeit betrachten.

Auch bei veränderten Verhältnissen oder Lieferschwierigkeiten gehört es zur Fairness, dass man die Kunden informiert und ihnen die Möglichkeit anbietet, vom Vertrag zurückzutreten. Noch besser ist es, bei Kauf- und Werkverträgen schriftliche Klauseln für den Fall von Lieferungsverzögerungen und Preissteigerungen zu vereinbaren, wenn nötig auch bei bereits bestehenden Verträgen. 

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