Berufs- und Nichtberufsunfälle: Die Unfallversicherung im Fokus
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Berufs- und Nichtberufsunfälle
Das Bundesgesetz über die Unfallversicherung (UVG) kennt drei Arten von Unfällen: den Berufs-, den Arbeitsweg- und den Nichtberufsunfall. Arbeitnehmende, deren wöchentliche Arbeitszeit bei einem Arbeitgeber durchschnittlich mindestens acht Stunden erreicht, sind für Berufs- und Nichtberufsunfälle versichert. Arbeitswegunfälle gelten grundsätzlich als Nichtberufsunfälle. Teilzeitbeschäftigte Personen, deren wöchentliche Arbeitszeit dieses Ausmass nicht erreicht, sind lediglich gegen Berufsunfälle und Arbeitswegunfälle versichert. Arbeitswegunfälle gelten für solche Personen als Berufsunfälle (Art. 13 UVV), wenn keine Deckung gegen Nichtberufsunfälle beispielsweise von einem anderen Arbeitsverhältnis vorhanden ist.
PRAXISTIPP: Nach dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 2 UVG hängt die Qualifikation eines Unfalls auf dem Arbeitsweg als Berufs- oder Nichtberufsunfall von der Voraussetzung ab, ob die verunfallte Person mindestens acht Stunden pro Woche arbeitet oder nicht. Das zu erreichende Mindestmass von acht Arbeitsstunden wird dabei nicht im Hinblick auf jedes einzelne Arbeitsverhältnis separat vorausgesetzt. Zwar sind die Arbeitszeiten bei verschiedenen Arbeitgebern nicht zusammenzuzählen. Es genügt jedoch, wenn die verunfallte Person in einem ihrer verschiedenen Arbeitsverhältnisse die geforderten acht Wochenstunden erreicht, um generell gegen Nichtberufsunfälle versichert zu sein.
• Ist man bei einem Arbeitgeber gegen Nichtberufsunfall versichert, ist ein Arbeitswegunfall als Nichtberufsunfall zu qualifizieren.
• Ist man bei keinem Arbeitgeber gegen Nichtberufsunfall versichert, ist ein Arbeitswegunfall als Berufsunfall zu qualifizieren.
Arbeitsweg
Art. 8 Abs. 2 UVG und Art. 13 Abs. 1 UVV wurden von der AD-HOC-Kommission Empfehlung Nr. 7/87 genauer definiert. Massgebend ist der Charakter der Anstellung vor dem Unfall und das, was von den Parteien für die folgende Zeit gewollt war. Es ist nach Möglichkeit die durchschnittliche Beschäftigung im dem Unfall vorausgegangenen Jahr zu betrachten. Bei befristeten Arbeitsverträgen ist für die Beurteilung der NBU-Deckung auf die vereinbarte Dauer des Arbeitsverhältnisses abzustellen.
NBU-Deckung besteht, wenn:
- die durchschnittliche wöchentliche Arbeitsdauer mindestens acht Stunden erreicht oder
- die Wochen mit mindestens acht Arbeitsstunden überwiegen.
Berechnung:
- Die Berechnung erstreckt sich über die letzten drei oder zwölf Monate vor dem Unfall, wobei die günstigere Variante zählt.
- Nur ganze Wochen sind zu beachten. Fällt Beginn bzw. Ende der relevanten Periode zwischen zwei Wochenenden, bleiben diese angebrochenen Wochen unberührt.
- Wochen, in denen überhaupt nicht gearbeitet wurde, fallen ausser Betracht. Anders ausgedrückt: Nur Wochen, in denen der Verunfallte tatsächlich gearbeitet hat, wenn beispielsweise auch nur eine Stunde, kommen in die Berechnung.
- Vorab zählen die effektiven Arbeitsstunden. Lässt sich damit keine NBU-Deckung bewerkstelligen, werden tageweise Ausfallstunden wegen Unfall oder Krankheit durch die durchschnittliche tägliche Arbeitszeit aufgerundet auf die nächste volle Stunde ergänzt. Weitere Ergänzungen, z. B. wegen Militär, Feier- oder Urlaubstagen, sind nicht zulässig.
Praxisbeispiele
Beispiel 1
Herr Alex Amann, 17 Jahre alt, absolviert ein Praktikum bei einer Firma. Er arbeitet montags und mittwochs jeweils am Nachmittag während je vier Stunden im Betrieb mit. Die übrige Zeit besucht er das Gymnasium. Da Herr Amann als Praktikant sowohl zum Kreis der obligatorisch versicherten Personen nach UVG zählt und er auch das Kriterium der acht Stunden pro Woche beim gleichen Arbeitgeber erfüllt, ist er vollumfänglich nach UVG gegen Berufs- und auch gegen Nichtberufsunfälle versichert. Würde Herr Amann das Praktikum beenden und aus dem Betrieb ohne unmittelbar darauffolgendes neues Arbeitsverhältnis ausscheiden, käme er in den Genuss der Nachdeckung und hätte zudem die Möglichkeit, innerhalb dieser Nachdeckungsfrist eine Abredeversicherung für maximal sechs Monate abzuschliessen.
Beispiel 2
Frau Beatrice Beck leistet in einem Betrieb einen Arbeitseinsatz. Der dafür abgeschlossene Arbeitsvertrag ist auf drei Wochen befristet und sieht einen unregelmässigen Einsatz vor. In der ersten Woche werden elf Stunden absolviert, in der zweiten und dritten Woche noch je vier Stunden. Gesamthaft liegt eine Arbeitszeit von 19 Stunden vor. Wird anhand der Berechnungsgrundsätze die gesamte Arbeitszeit auf die Vertragsdauer verteilt, ergibt sich daraus ein Durchschnitt von 6,33 Arbeitsstunden pro Woche, was keine NBU-Deckung aufleben lässt. Auch die zweite Berechnungsmethode, mit der das Verhältnis zwischen den Wochen mit einer Arbeitszeit von mehr als acht Stunden und denjenigen mit weniger als acht Stunden ermittelt wird, zeigt, dass die Wochen mit mehr als acht Stunden nicht überwiegen. Somit besteht für sie ausschliesslich eine BU-Deckung. Da nur eine Versicherungsdeckung gegen Berufsunfälle existiert, besitzt Frau Beck nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses weder eine Nachdeckung nach UVG von 31 Tagen, noch ist sie aufgrund der zuvor ausschliesslich bestehenden Berufsunfalldeckung fähig, eine Abredeversicherung abzuschliessen.
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Beispiel 3
Herr Chris Caminada besitzt ein auf zehn Wochen befristetes Arbeitsverhältnis. Die Aufzeichnung der geleisteten Arbeitsstunden pro Woche zeigt folgende Arbeitseinsätze:
- Woche 1: 10 Stunden
- Woche 2: 8 Stunden
- Woche 3: 4 Stunden
- Woche 4: 0 Stunden
- Woche 5: 0 Stunden
- Woche 6: 10 Stunden
- Woche 7: 0 Stunden
- Woche 8: 0 Stunden
- Woche 9: 10 Stunden
- Woche 10: 10 Stunden
Gesamthaft hat Herr Caminada also 52 Stunden Arbeit geleistet. Das Verhältnis der Arbeitswochen zu den Wochen ohne Arbeit ist nicht ausgeglichen: Es liegen sechs Wochen mit Arbeitstätigkeit vor, während in vier Wochen keine Arbeitsleistung erbracht wurde. Deshalb werden in diesem Beispiel nur die Wochen mit effektiver Arbeitsleistung berücksichtigt. Würde nun in der ersten Berechnung die total geleistete Arbeitszeit auf die gesamte Vertragszeit aufgeteilt, ergeben sich daraus 5,2 Stunden pro Woche, was nur eine BU-Deckung bewirken würde. Da aber die Arbeitswochen mit mehr als acht Stunden überwiegen und folglich auch nur die Wochen mit effektiver Arbeitsleistung Berücksichtigung finden, ergibt sich daraus ein wöchentlicher Durchschnitt von 8,67 Stunden (= 52 Stunden : 6). In der Folge besteht für Herrn Caminada auch eine NBU-Deckung. Wie in Beispiel 1 besitzt Herr Caminada einerseits die Nachdeckung nach UVG und hätte ebenfalls die Möglichkeit, innerhalb der Nachdeckungsfrist eine Abredeversicherung für maximal sechs Monate abzuschliessen.
Für die Praxis ergeben sich daraus entsprechende Grundsätze und Bemessungsmethoden, anhand derer eine vollumfängliche oder aber bloss teilweise UVG-Deckung abgeleitet werden kann:
- Massgebend ist der Charakter der Anstellung.
- Es ist die durchschnittliche Beschäftigung im dem Unfall vorausgehenden Jahr zu betrachten.
- Liegt ein befristetes Arbeitsverhältnis vor, ist für die Beurteilung der NBU-Deckung auf die vereinbarte Dauer des Arbeitsverhältnisses abzustellen.
- Eine NBU-Deckung besteht dann, wenn die durchschnittliche wöchentliche Arbeitsdauer mindestens acht Stunden erreicht oder die Wochen mit mindestens acht Arbeitsstunden überwiegen.
- Für die Berechung der Minimalgrenze von wöchentlich acht Arbeitsstunden sind nicht vertragliche Regelungen wie etwa «der Beschäftigungsgrad liegt bei 20%», sondern die konkret geleisteten Arbeitsstunden massgebend.
Unbestritten ist der Fakt, dass Arbeitnehmende UVG-unterstellt sind. Das geben sowohl die gesetzlichen Bestimmungen als auch die Definitionen auf Verordnungsstufe vor. Der effektive Schutz der Unfallversicherung resultiert aus der wöchentlich durchschnittlichen und konkret geleisteten Arbeitsdauer. Arbeitsverhältnisse, deren wöchentlich durchschnittliche Arbeitszeit sich im Bereich von knapp über oder unter acht Stunden bewegen und bei denen die effektiv geleisteten Arbeitsstunden eine sehr unregelmässige Dauer aufweisen, werfen arbeitgeberseitig erfahrungsgemäss einige Fragen auf. So besteht oftmals Unklarheit, ob unter dem Aspekt der Prämienpflicht auf dem vertraglich vereinbarten Lohn auch ein NBU-Abzug erfolgen kann oder nicht, sofern diesbezüglich keine anderslautenden und zugunsten der Arbeitnehmenden getroffenen Abreden bestehen. Dies zieht dann unweigerlich die Folgefrage mit sich, ob im konkreten Einzelfall überhaupt eine Deckung gegen Nichtberufsunfälle im betreffenden Einzelfall existiert. Fazit: Die UV-Leistungspflicht ist nicht davon abhängig, ob NBU-Prämien bei der Lohnabrechnung abgezogen und deklariert bzw. entrichtet worden sind oder nicht, denn diese ist nur aufgrund der Anspruchsberechtigungskriterien zu beurteilen. Wenn nicht klar ist, ob NBU-versichert oder nicht oder ob am Ende vom Jahr erkannt wurde, dass ggf. keine Versicherungspflicht besteht oder eben nicht bestanden hat etc., sollten Regelungen definiert werden. Es kann z. B. vereinbart werden, dass für Mitarbeitende mit stark schwankenden Pensen, Mitarbeitende auf Abruf etc., bei denen die NBU-Versicherung im Voraus nicht eindeutig klar ist, der Arbeitgeber die NBU-Beiträge übernimmt. Somit hat man eine Regel, und diese führt zu keiner falschen Annahme des Vorhandenseins eines Unfallschutzes in der Freizeit.
Homeoffice
Mit der Einführung neuer Arbeitsformen erlangte das Arbeiten im Homeoffice eine grosse Bedeutung, weshalb auch die Abgrenzung von Berufs- und Nichtberufsunfällen bei Homeoffice wichtiger wurde. Die Abgrenzung soll so erfolgen, dass alle versicherten Personen unabhängig vom Arbeitsort möglichst gleichbehandelt werden. Wer sein Arbeitspensum oder einen Teil davon mit Einverständnis des Arbeitgebers von zu Hause aus erledigt, ist dort im Rahmen der beruflichen Tätigkeit gleich versichert wie Mitarbeitende im Betrieb. Die Unterscheidung Berufs- oder Nichtberufsunfall ergibt sich aus der Art der Aktivität und des Unfallorts (siehe Tabelle 1).
Besonderheiten
Ist die versicherte Person einmal in die NBU-Deckung gelangt, lebt die BU-Deckung erst wieder auf, wenn die Berufstätigkeit effektiv wieder aufgenommen wird.
Beispiel: Wenn eine versicherte Person eine Haushaltstätigkeit verrichtet und direkt danach die erlaubte respektive geduldete Arbeitspause verbringt, wird ein Unfall während dieser Arbeitspause als NBU klassifiziert. Für im Homeoffice tätige Personen entfällt ein Arbeitsweg. Innerhalb der Wohnliegenschaft gibt es keinen Arbeitsweg. Für teilzeitbeschäftigte Personen, welche nur gegen BU versichert sind, beginnt die Deckung, wenn die Berufstätigkeit effektiv aufgenommen wird, und sie endet, wenn die eigentliche Berufstätigkeit beendet wird.
Berechnung der Taggeldleistungen
Berechnungsbasis für die Berechnung des Taggelds ist der letzte vor dem Unfall bezogene Lohn inklusive Naturalleistungen. Eingerechnet werden noch nicht ausbezahlte Lohnbestandteile, auf die ein Rechtsanspruch besteht, wie beispielsweise der Anteil des 13. Monatslohns, zugesicherte Boni, Dienstaltersgeschenke usw. Es ist deshalb wichtig, dass in der Unfallmeldung alle Lohnbestandteile aufgeführt werden. Massgebend ist immer der Bruttolohn, d. h. der Lohn vor Abzug der Arbeitnehmerbeiträge für AHV/IV/EO/ALV usw. Bei Auszubildenden, die aufgrund eines Lehrvertrags beschäftigt werden, ist der effektive Lohn massgebend. Hingegen gilt für Praktikanten, Volontäre und zur Abklärung der Berufswahl tätige Personen (z. B. Schnupperlehrlinge) ein Mindestlohn von CHF 82.– pro Tag ab vollendetem 20. Altersjahr und CHF 41.– pro Tag vor vollendetem 20. Altersjahr, sofern der tatsächliche Verdienst nicht über diesen Ansätzen liegt. Es handelt sich um 10% resp. 20% des Höchstbetrags des versicherten Tagesverdiensts (Art. 23 Abs. 6 UVV).
Hier finden Sie die Berechnung.
Berechnungsregeln
Das Taggeld wird für jeden Tag, einschliesslich Sonn- und Feiertage, ausbezahlt. Der vor dem Unfall bezogene Lohn wird auf ein volles Jahr umgerechnet. Aufgrund des Jahreslohns kann der Taggeldansatz pro Kalendertag nach folgender Formel berechnet und auf fünf Rappen aufgerundet werden: Taggeldberechnung (Art. 25 Abs. 1 UVV). Das Taggeld wird mit folgender verbindlichen Formel berechnet: versicherter Jahresverdienst / 365 x 80%
Bemerkung: Familienzulagen werden zum versicherten Jahresverdienst für die Taggeldberechnung mit berücksichtigt, gehören aber nicht zum prämienpflichtigen Jahresverdienst, anders gesagt sie sind nicht UV-pflichtig. Hat die Heilbehandlung mindestens drei Monate gedauert, und wäre der Lohn in dieser Zeit um mindestens 10% – z. B. wegen Reallohnerhöhungen, Beförderungen usw. – erhöht worden, wird der massgebende Lohn für die Zukunft neu bestimmt. Das maximale Taggeld beträgt: CHF 148 200.– / 365 × 80% = CHF 324.80.
Vereine des Breitensports werden bei der Unfallversicherung finanziell entlastet
Die Suche nach einem Unfallversicherer gestaltet sich für Breitensportvereine teilweise schwierig, dies wegen des gesteigerten Verletzungsrisikos und der hohen Kosten bei einem Unfall. Aufgrund dessen wird die Verordnung über die Unfallversicherung mit einer weiteren Ausnahmebestimmung per 1. Juli 2024 ergänzt.
Sportvereine müssen Sportlerinnen und Sportler sowie Trainerinnen und Trainer, welche ein jährliches Einkommen von zwei Drittel des Mindestbetrags der vollen jährlichen AHV-Altersrente (2024: 9800 Franken) nicht überschreiten, nicht mehr obligatorisch gegen Unfälle versichern. Ein allfälliger Unfall wird von der Nichtberufsunfallversicherung des Hauptarbeitgebers oder via Unfalldeckung bei der Krankenkasse abgedeckt. Diese Ausnahmeregelung gilt, wenn in den genannten Funktionen keine Person ein höheres Einkommen erzielt. Sobald der Betrag von 9800 Franken von einer Person überschritten wird, müssen alle Personen, welche in den bezeichneten Tätigkeiten arbeiten, versichert werden. Für alle anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wie zum Beispiel Servicepersonal oder Reinigungsfachkräfte ändert sich nichts; sie unterstehen in jedem Fall der Versicherungspflicht gemäss dem Bundesgesetz über die Unfallversicherung (UVG).