Abredeversicherung: Vermeidung von Versicherungslücken

Durch eine Abredeversicherung kann die Dauer der obligatorischen Nichtberufsunfallversicherung verlängert werden. Welche Voraussetzungen für eine Abredeversicherung beachtet werden müssen, erfahren Sie in diesem Beitrag.

01.06.2024 Von: René Mettler
Abredeversicherung

Beginn und Dauer

Beginn der Versicherung

Für Arbeitnehmende, welche bei einem Arbeitgeber voraussichtlich wöchentlich durchschnittlich weniger als acht Stunden arbeiten (mehrere Arbeitsverhältnisse werden nicht zusammengezählt), beginnt die Versicherung in jedem Falle mit dem Zeitpunkt, in welchem sie sich auf den Weg zur Arbeit begeben.

Für Arbeitnehmer, deren Arbeitspensum bei einem Arbeitgeber voraussichtlich wöchentlich durchschnittlich mindestens acht Stunden beträgt, beginnt die Versicherung an dem Tag (um 00:00 Uhr), an dem sie aufgrund der Anstellung die Arbeit antreten oder hätten antreten sollen, in jedem Falle aber mit dem Zeitpunkt, zu dem sie sich auf den Weg zur Arbeit begeben. Arbeitnehmende, die bei Beginn oder Wiederbeginn des Arbeitsverhältnisses zuerst Ferien beziehen, sind während dieses Urlaubs nicht versichert. Massgebend ist also nicht der arbeitsvertragliche, sondern der tatsächliche Arbeitsantritt.

Ebenfalls nicht als Arbeitsantritt gilt die Vorbereitung zur Arbeit durch Reparatur oder Revision eines Arbeitsmittels oder Werkzeugs beim Arbeitnehmenden zu Hause ohne jede Anordnung, Kontrolle oder direktes Interesse des Arbeitgebers oder ohne einen vorherigen Besuch des Arbeitsortes durch den Arbeitnehmenden im Zusammenhang mit der nachfolgenden Arbeitsaufnahme.

Kommt hingegen ein Arbeitnehmender vor Beginn der Tätigkeit, für welche er angestellt wurde, arbeitsvertraglichen Obliegenheiten mit konkret arbeitsvorbereitendem Charakter nach, sind diese als Antritt der Arbeit zu betrachten, sofern diese Tätigkeiten mit dem Arbeitgeber vereinbart waren.

Praxis-Beispiel
Eine Skilehrerin verpflichtet sich arbeitsvertraglich, vor Beginn des Arbeitsvertrages einen obligatorischen Fortbildungskurs zu besuchen. Sie verunfallt während dieses Kurses. Sie ist durch den UVG-Versicherer des neuen Arbeitgebers versichert.

Praxis-Beispiel
Ein Arbeitnehmender verpflichtete sich, während des betrieblich angeordneten Ferienvorbezuges die Geschäftsunterlagen zu studieren und nimmt dieses Studium auch tatsächlich auf oder beschafft sich im Hinblick auf seine neue Tätigkeit zumindest die entsprechenden Unterlagen. Er ist durch den UVG-Versicherer des neuen Arbeitgebers versichert.

Ein Arbeitnehmender, der von seinem ausländischen Wohnort kommend, in die Schweiz einreist, um hier eine Stelle anzutreten, befindet sich nicht auf dem Arbeitsweg und ist noch nicht UVG-versichert. Nach der Rechtsprechung bezeichnet der Ausdruck «Weg zur Arbeit» die Strecke vom Wohn- oder Aufenthaltsort zum Arbeitsplatz und nicht die Reise an einen entfernteren Ort, um dort einen neuen Arbeitsvertrag zur erfüllen. Die Einreise in die Schweiz gilt nicht als arbeitsvorbereitende Handlung.

Exkurs: Vereine

In der Schweiz müssen gemäss dem Unfallversicherungsgesetz alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegen Unfälle versichert werden. Die Suche nach einem Unfallversicherer gestaltet sich für Breitensportvereine aber teilweise schwierig, dies wegen des gesteigerten Verletzungsrisikos und der hohen Kosten bei einem Unfall. Aufgrund dessen wird die Verordnung über die Unfallversicherung mit einer weiteren Ausnahmebestimmung ergänzt.

Ab 1. Juli 2024 müssen Sportvereine Sportlerinnen und Sportler sowie Trainerinnen und Trainer, welche ein jährliches Einkommen von zwei Drittel des Mindestbetrags der vollen jährlichen AHV-Altersrente (CHF 9800, Stand 2024) nicht überschreiten, nicht mehr obligatorisch gegen Unfälle versichern. Ein allfälliger Unfall wird von der Nichtberufsunfallversicherung des Hauptarbeitgebers oder via Unfalldeckung bei der Krankenkasse abgedeckt. Diese Ausnahmeregelung gilt, wenn in den genannten Funktionen keine Person ein höheres Einkommen erzielt. Sobald der Betrag von CHF 9800 von einer Person überschritten wird, müssen alle Personen, welche in den bezeichneten Tätigkeiten arbeiten, versichert werden. Für alle anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wie zum Beispiel Servicepersonal oder Reinigungsfachkräfte ändert sich nichts; sie unterstehen in jedem Fall der Versicherungspflicht gemäss dem Bundesgesetz über die Unfallversicherung (UVG).

Ende der Versicherung und Nachdeckung

Für Arbeitnehmer, welche wöchentlich mehr als acht Stunden beim gleichen Arbeitgeber arbeiten, endet die Versicherung mit dem 31. Tage nach dem Tag, an dem der Anspruch auf mindestens den halben Lohn aufhört.

Ausnahme: bei der Pensionierung endet gemäss einem Urteil des eidg. Versicherungsgerichts von 2003 der Versicherungsschutz der Nichtberufsunfallversicherung mit dem letzten Arbeitstag, weil der Versicherungsschutz mit dem Bezug einer Rente endet. Dies gilt auch bei einer vorzeitigen Pensionierung. (Eine Abredeversicherung zu Verlängerung des Versicherungsschutzes um max. sechs Monate ist jedoch möglich).

Dem Lohn gleichgestellt sind die Taggelder:

  • der obligatorischen Unfallversicherung;
  • der Militärversicherung;
  • der Invalidenversicherung;
  • der Erwerbsersatzordnung (einschliesslich Mutterschaftsversicherung);
  • der Arbeitslosenversicherung;
  • der Mutterschaftsversicherung; ferner
  • die von sozialen und privaten Kranken- und Unfallversicherungen ausgerichteten Taggelder, welche die Lohnfortzahlung er-setzen.

Ab dem Zeitpunkt, an dem der Lohnanspruch oder die vorgenannten Taggelder zusammen mit dem Restlohn weniger als 50 % des vollen Lohnes oder des versicherten Höchstlohnes betragen, beginnt die 31-Tage-Frist zu laufen.

Für Arbeitnehmende, welche wöchentlich weniger als acht Stunden für den gleichen Arbeitgeber arbeiten, endet die Versicherung, so-bald sie nach Beendigung ihrer beruflichen Arbeit den direkten Heimweg zurückgelegt haben.

Informationspflicht des Arbeitgebers bei Stellenaustritt

Für die Information über die Beendigung des Versicherungsschutzes gemäss UVG-Versicherung ist der ehemalige Arbeitgeber verantwortlich. Es empfiehlt sich, diese Information unbedingt im Kündigungsschreiben vorzunehmen und bestätigen zu lassen.

Der Versicherte ist seinerseits verpflichtet, den Wegfall des UVG-Versicherungsschutzes seiner privaten Krankenversicherung sofort zu melden, damit diese die Unfalldeckung wieder aktivieren kann.

Ruhen der Versicherung

Die Versicherung ruht für alle Versicherten, wenn sie der Militärversicherung oder (MVG) einer ausländischen obligatorischen Versicherung unterstehen oder bei unbezahltem Urlaub.

Sistierung der Unfalldeckung gemäss Krankenversicherungsgesetz (KVG)

Nach dem Krankenversicherungsgesetz (KVG) kann der Unfallversicherungsschutz für Personen, die über einen Versicherungsschutz gemäss UVG gegen Berufs- und Nichtberufsunfälle verfügen, also wöchentlich mehr als acht Stunden beim gleichen Arbeitgeber arbeiten, sistiert werden.

Der Arbeitnehmende muss der Krankenkasse mit dem Gesuch um Sistierung der Unfalldeckung eine schriftliche Bestätigung des Arbeitgebers einreichen, woraus eindeutig hervorgeht, dass er auch gegen Nichtberufsunfälle versichert ist.

Abredeversicherung

Vermeidung von Versicherungslücken

Durch Abrede kann die Dauer der obligatorischen Nichtberufsunfallversicherung verlängert werden.

Dadurch können Versicherungslücken geschlossen werden, wie sie etwa entstehen bei

  • Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab dem 31. Tag;
  • unbezahltem Urlaub von mehr als 31 Tagen;
  • beruflicher Weiterbildung; oder
  • Krankheit ohne Lohnfortzahlung.

Die Abredeversicherung kann nur abgeschlossen werden, wenn die betroffene Person bereits vorher obligatorisch gegen Nichtberufsunfälle versichert war, also wöchentlich mehr als acht Sunden pro Woche beim gleichen Arbeitgeber gearbeitet hat.

Es werden die gleichen Versicherungsleistungen gewährt wie in der obligatorischen Nichtberufsunfallversicherung.

Die Abredeversicherung muss beim letzten zuständigen UVG-Versicherer mit besonderem Formular abgeschlossen werden. Dabei darf kein Unterbruch zwischen Ende der betrieblichen Unfallversicherung und Beginn der Abredeversicherung entstehen. Das entsprechende Formular kann beim UVG-Versicherer bezogen werden. Die Höchstdauer der Abredeversicherung beträgt sechs aufeinander folgende Monate.

Diese Frist beginnt jeweils neu zu laufen, wenn die obligatorische Nichtberufsunfallversicherung wieder wirksam geworden ist.

Der ehemalige Arbeitnehmer muss die Prämie – sie beträgt ca. CHF 45.– pro Monat – für die gewünschte Abrededauer (mindestens für einen Monat) zum Voraus (also vor Ende der 31-tägigen Nachdeckungsfrist der Nichtberufsunfallversicherung) bezahlt haben.

Dauer der Abredeversicherung

Ist für den Versicherten im Voraus nicht ganz klar, für welche Zeitdauer er die Abredeversicherung benötigt, kann er die Prämie jeweils für einen Monat einzahlen und anschliessend den Versicherungsschutz – wenn nötig – bis zur Höchstdauer von sechs Monaten verlängern.

Versicherungsnachweis

Die Dauer der gewünschten Abredeversicherung ist auch auf dem Empfangsschein einzutragen. Dieser gilt für den Versicherten als Versicherungsausweis (Police).

Freiwillig versicherte Personen

In der Schweiz wohnhafte Personen, die nicht obligatorisch Unfallversichert sind, können sich freiwillig nach UVG versichern, wenn:

  • sie selbständig erwerbend sind;
  • sie als Familienangehörige eines solchen Selbständigerwerbenden in dessen Betrieb mitarbeiten.

Personen, die sich freiwillig nach UVG versichern können, haben den versicherten Verdienst wie folgt festzulegen:

Arbeitgeber und Selbständigerwerbende:
Der versicherter Verdienst muss zwischen 45 % und 100 % des Höchstbetrages des versicherten Verdienstes der obligatorischen Versicherung gewählt werden, also zwischen CHF 66 690.– und CHF 148 200.– (Stand: 2024).
Mitarbeitende Familienangehörige:
Der versicherte Verdienst muss zwischen 30 % und 100 % des Höchstbetrages des versicherten Verdienstes gewählt werden, also zwischen CHF 44 460.– und CHF 148 200.– (Stand 2024).

Ergibt sich im Versicherungsfall eine Überentschädigung des freiwillig Versicherten, weil er einen zu hohen Verdienst versichert hat, werden das Taggeld und die Renten soweit gekürzt, als sie den tatsächlich entgangenen Verdienst übersteigen.

Im Übrigen gelten für die freiwillige Versicherung die Bestimmungen für die obligatorische Versicherung.

Nicht versicherbare Personen

Wer weder die Voraussetzungen für die obligatorische noch für die freiwillige Versicherung erfüllt – z.B. Hausfrauen, Studenten, Nichterwerbstätige, Rentner usw. –, hat die Möglichkeit, sich ergänzend zur Krankenpflegeversicherung nach KVG bei einer privaten Versicherungsgesellschaft oder einer Krankenkasse für das Risiko Unfall zu versichern. Er kann so ebenfalls die minimale Grundversorgung, welche das KVG bietet, nach seinen Bedürfnissen ausbauen. Solche Versicherungsverträge unterliegen den Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Versicherungsvertrag (VVG).

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