Lebensgemeinschaft: Konkubinat und BVG-Hinterlassenenleistungen

Es dürfte bekannt sein, dass Konkubinatspartner einander in der beruflichen Vorsorge begünstigen können, sofern dies durch reglementarische Bestimmungen vorgesehen ist. Trotzdem gibt es in der Praxis Situationen, über die das Bundesgericht – wie im hier vorliegenden Fall – entscheiden muss.

30.07.2024 Von: Marco Riedi
Lebensgemeinschaft

Sachverhalt 

Ein Paar, A und B, lebte seit 2012 zusammen und bekam zwei gemeinsame Kinder, die 2017 bzw. 2020 geboren wurden. A war bei einer Vorsorgeeinrichtung versichert und verstarb im Jahr 2020 unerwartet. Als Folge erhielten die beiden Kinder BVG-Waisenrenten und ein Todesfallkapital gemäss den reglementarischen Vorschriften. Allerdings erhielt B, die Lebenspartnerin von A, keine Leistungen. Begründet wurde dies damit, dass A zu Lebzeiten keine schriftliche Begünstigungserklärung gegenüber der Vorsorgeeinrichtung abgegeben hat, die die Lebensgemeinschaft mit B belegt.

Gesetzliche Grundlagen

Im Zuge der 1. BVG-Revision, die in drei Schritten umgesetzt wurde, wurden die gesetzlichen Bestimmungen per 1. Januar 2005 unter anderem um Art. 20a BVG erweitert. In diesem soeben genannten Artikel werden weitere Begünstigte erwähnt, die eine dem BVG unterstellte Person im Falle ihres Ablebens mit entsprechenden Leistungen berücksichtigen kann. 

Explizit weist die hier angesprochene Gesetzesgrundlage darauf hin, dass die Vorsorgeeinrichtung in ihrem Reglement eine Erweiterung des Kreises der begünstigten Personen vorsehen kann. Es liegt demnach im Entscheid der Vorsorgeeinrichtung, ob sie derartige Leistungen vorsehen und im Leistungsfall ausrichten will.

Erwägungen 

Der eingangs kurz dargestellte Sachverhalt war Inhalt des BGer-Urteils 9C_358/2021. Wie das Bundesgericht in seinen Erwägungen festgestellt hat, war der Tod von A sowohl für B als auch für die beiden gemeinsamen Kinder völlig unerwartet eingetreten. Jedoch könne trotz dieses Schicksalsschlags der Klägerin B entgegengehalten werden, dass es das Paar versäumt habe, die bestehende Lebensgemeinschaft an die Vorsorgeeinrichtung zu melden. 

Dieses Versäumnis wird insbesondere dann augenscheinlich, da A und B bereits seit 2012 eine Lebensgemeinschaft bildeten und das erste, gemeinsame Kind im Jahr 2017 geboren wurde. Für die erforderliche Meldung der bestehenden Lebensgemeinschaft habe das Paar mehrere Jahre Zeit gehabt. Gegenüber der Vorinstanz machte B noch geltend, dass diese Meldepflicht nicht bekannt gewesen sei. Diese Behauptung werde dadurch entkräftet, dass die Vorsorgeeinrichtung ihre Informationspflichten schriftlich gegenüber den versicherten Personen dadurch erfüllte, indem sie ausreichend und klar auf die Möglichkeit der erweiterten Begünstigung nach Art. 20a BVG hingewiesen habe. 

Wie das Bundesgericht weiter feststellte, definiere das Reglement der betreffenden Vorsorgeeinrichtung den Rentenanspruch eines überlebenden Lebenspartners unter anderem explizit dahin gehend, dass eine schriftliche und unterzeichnete Meldung beider Partner zu Lebzeiten unabdingbar vorausgesetzt sei. Diese reglementarische Bedingung stehe einerseits in Einklang mit der gesetzlichen Regelung nach Art. 20a BVG und verstosse andererseits nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art. 8 Abs. 2 BV. 

Es handle sich bei dieser Notwendigkeit einer schriftlichen Begünstigungserklärung nicht um eine Ordnungsvorschrift, sondern um eine formelle Voraussetzung für den Rentenanspruch. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung absolut zulässig, was das Bundesgericht schon in einem früheren Urteil begründete:1 Eine solche Begünstigungserklärung stelle nicht eine blosse Beweisvorschrift mit Ordnungscharakter dar, sondern bildet ein klares Anspruchserfordernis, das mit Art. 20a BVG in Einklang stehe und dementsprechend eine konstitutive Wirkung entfalte. 

Ebenso hielt das Bundesgericht im hier besprochenen Entscheid fest, dass eine ledigliche Aussage vor Zeugen, eine solche Begünstigtenerklärung machen zu wollen, die Begründung des Anspruchs auf eine Hinterlassenenrente nicht unterstütze.

Schlussfolgerungen 

Die Bestimmungen nach Art. 20a BVG, Leistungen zugunsten weiterer begünstiger Personen reglementarisch aufzunehmen und somit den Destinatärkreis zu erweitern, sind als Kann-Bestimmungen einzuordnen. Es ist den Vorsorgeeinrichtungen freigestellt, derartige Leistungen vorzusehen. Sofern diese Regelungen gelten sollen, ist eine Aufnahme dieser Inhalte ins Vorsorgereglement vorausgesetzt. Weiter haben die Vorsorgeeinrichtungen in einem solchen Fall die Versicherten angemessen zu informieren. 

Sollte das Reglement der Vorsorgeeinrichtung hingegen keine weiteren Begünstigten gemäss Art. 20a BVG umfassen oder den dort beschriebenen Kreis einschränken, wird damit nicht gegen gesetzliche Grundlagen verstossen. 

Die in Art. 20a Abs. 1 lit. a BVG genannte Zeitangabe, dass eine Lebenspartnerschaft mindestens fünf Jahre gedauert haben muss, gilt als Mindestvorgabe. So kann diese Frist nicht verkürzt werden, was das Bundesgericht bereits im Jahr 2018 feststellte.2 Hingegen kann das Reglement durchaus eine längere Frist vorsehen. 

Die genannte Mindestvorgabe muss zum Zeitpunkt des Todes der versicherten Person erfüllt sein. Das bedeutet wiederum, dass die Begünstigtenerklärung nicht erst nach Ablauf von fünf Jahren Lebensgemeinschaft eingereicht werden kann; die Frist bezieht sich ausschliesslich auf den effektiven Leistungsanspruch und nicht auf den frühestmöglichen Zeitpunkt, eine schriftliche Meldung an die Vorsorgeeinrichtung vornehmen zu können. 

Ein rein faktisches Bestehen einer Lebensgemeinschaft ohne vorgängig eingereichte Begünstigungserklärung kann im Leistungsfall keine Ansprüche des überlebenden Lebenspartners begründen, da die formellen und reglementarisch definierten Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

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