AHV 21: Erwerbstätigkeit nach Referenzalter

Nach altem Recht blieb das Erwerbseinkommen im Rentenalter bei der Rentenberechnung komplett unberücksichtigt. Dabei spielte es keine Rolle, ob für eben dieses Erwerbseinkommen Beiträge abgerechnet wurden oder nicht. Dies ändert sich nun mit der Umsetzung des Massnahmenpakets der Revision AHV 21.

09.09.2024 Von: Marco Riedi
AHV21

Möglichkeit der Neuberechnung 

Wer nach Erreichen des Referenzalters eine Altersrente bezieht und weiterhin erwerbstätig ist, kann einmalig eine Neuberechnung der bisherigen Altersrente verlangen. Ein solcher Antrag kann auch von Versicherten gestellt werden, die am 1. Januar 2024 das 70. Altersjahr noch nicht vollendet und über das bisherige Rentenalter hinaus entsprechende Beiträge entrichtet haben. Diese Neuberechnung ist erstmals seit dem 1. Februar 2024 möglich, wobei dieser Antrag an keinerlei Frist gebunden ist. 

Berücksichtigung des Erwerbseinkommens 

Erzielt eine rentenberechtigte Person während der zusätzlichen Beitragszeit ein entsprechendes Erwerbseinkommen, für das sie auch Beiträge entrichtet, so kann dieses Einkommen bei der Neuberechnung berücksichtigt werden. Macht eine rentenberechtigte Person weiterhin vom AHV-Freibetrag Gebrauch, so gilt der Einkommensteil als anrechenbar, der den Freibetrag übersteigt. 

Im Gegensatz zu dem vor dem Referenzalter erzielten Einkommen wird das nach dem Referenzalter erwirtschaftete Einkommen weder aufgewertet, noch unterliegt es der Einkommensteilung. Dieses Einkommen wird gesamthaft an die Einkommenssumme angerechnet, die für die ursprüngliche Rentenberechnung massgebend war.

Berücksichtigung der Beitragsdauer 

Personen, die Beitragslücken aufweisen, können diese über die Erwerbszeit nach dem Referenzalter schliessen. Dabei werden die Beitragszeiten zwischen dem Erreichen des Referenzalters und fünf Jahre danach berücksichtigt. Hingegen unterliegt dieses Schliessen von allfälligen Beitragslücken den folgenden Voraussetzungen, die kumulativ erfüllt sein müssen: 

  • Das nach dem Referenzalter erzielte Erwerbseinkommen (vor allfälligem Abzug des Freibetrags) muss mindestens 40% des durchschnittlichen massgebenden eigenen Erwerbseinkommens entsprechen, das für die erstmalige Ermittlung der Altersrente herangezogen wurde. Das bedeutet, dass Splitting, die Aufwertung und allfällige Erziehungs- und Betreuungsgutschriften nicht berücksichtigt werden.
  • Die Beiträge, die auf diesem zusätzlichen Einkommen erhoben werden und für Arbeitnehmende 10,6% resp. für Selbstständigerwerbende maximal 10,0% betragen, entsprechen mindestens dem jährlich geschuldeten Mindestbeitrag, d. h. zurzeit mindestens CHF 514.–.

Verzicht auf den Rentenfreibetrag 

Bis dato galten Beiträge, die eine Person im Rentenalter aufgrund eines Erwerbs zu entrichten hatte, als reine Solidaritätsbeiträge. Um diese Solidarität etwas abzumildern, wurde Mitte der 1990er-Jahre der AHV-Freibetrag eingeführt, der seither unverändert bei CHF 16 800.– pro Jahr (und pro Arbeitgeber) liegt. 

Durch die Möglichkeit, nach Erreichen des Referenzalters eine einmalige Neuberechnung der Altersrente zu verlangen, kann es für die betroffenen Personen durchaus von Interesse sein, ein möglichst hohes Erwerbseinkommen zu erzielen, darauf entsprechende Beiträge zu entrichten und letztlich auf die Anwendung des Freibetrags zu verzichten. Mit der Umsetzung der Reform AHV 21 wird den davon betroffenen Personen die Wahl gelassen, ob sie auf den Freibetrag verzichten wollen oder nicht. 

Eine Person, die weiterhin in einem Arbeitsverhältnis steht, kann vom Arbeitgeber (und bei mehreren Arbeitgebern von jedem einzelnen oder allen Arbeitgebern) verlangen, dass die geschuldeten Beiträge auf dem gesamten Einkommen erhoben werden. Dieses «Opting-out» muss jedoch spätestens bei der ersten Lohnzahlung nach Erreichen des Referenzalters gegenüber dem Arbeitgeber erklärt werden. Diese Erklärung ist dann für den Arbeitgeber verbindlich. Wird ein solcher Verzicht hingegen nicht erklärt, wird der Freibetrag weiterhin in Abzug gebracht. Wer nach Erreichen des Referenzalters (weiterhin) eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, muss der Ausgleichskasse spätestens am Ende des betreffenden Beitragsjahrs den Verzicht auf den Freibetrag mitteilen.

Fazit 

Der Antrag auf eine Neuberechnung und der Verzicht auf den Freibetrag ergeben aus rechtlicher Sicht nur dann Sinn, wenn die versicherte Person bei Erreichen des Referenzalters nicht bereits die maximale Vollrente der AHV bezieht. Der gleiche Fall liegt vor, wenn ein Ehepaar bereits die maximale Ehepaarrente erhält. Wer keine Beitragslücken aufweist und eine Rente nach Skala 44 bezieht, die aber den Höchstbetrag von aktuell CHF 2450.– nicht erreicht, kann unter Umständen die Rentenhöhe für die Zukunft verbessern. 

Allerdings stellt sich in diesem Fall die Frage, ob ein Verzicht auf den Freibetrag rein rechnerisch überhaupt sinnvoll ist. Denn durch den Verzicht auf den Freibetrag von CHF 16 800.– erhöht sich das durchschnittliche Erwerbseinkommen nur geringfügig; so würde dieses durchschnittliche Erwerbseinkommen knapp CHF 390.– pro Jahr höher ausfallen. Da gemäss Skala 44 die Differenz zwischen zwei jeweiligen Rentenstufen und dem zugrunde liegenden massgebenden durchschnittlichen Einkommen bei CHF 1470.– liegt, ergibt sich allein aus dem Verzicht auf den Freibetrag nicht automatisch ein höherer Rentenanspruch. Würde sich der Rentenanspruch dennoch erhöhen, so müssten auch die AHVBeiträge gegenübergestellt werden, die auf den verzichteten Freibetrag von CHF 16 800.– zusätzlich entrichtet werden müssen. 

Eine einmalige Neuberechnung der AHVAltersrente wird sicher dann zum Thema werden, wenn die versicherten Personen Beitragslücken aufweisen. Mit dem Verzicht auf den Freibetrag kann der Mindestbeitrag zur Schliessung solcher Lücken erreicht werden. Zudem ist für die Vergleichsrechnung nach dem Grundsatz «mindestens 40% des durchschnittlichen massgebenden eigenen Erwerbseinkommens» das gesamte Einkommen massgebend, unabhängig davon, ob dieses beitragspflichtig war oder nicht. 

Es werden sich also nebst den weiteren, wahrscheinlich bekannteren Änderungen der Reform AHV 21 weitere Fragestellungen ergeben, die versicherte Personen zu berücksichtigen haben.

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