LinkedIn-Recruiting: Tipps für die digitale Personalsuche

Social Media und insbesondere LinkedIn als Businessplattform sind starke und vielfältig einsetzbare Recruitingtools. Wir haben mit der Schweizer LinkedIn-Expertin Sonja Berger über die verschiedenen Recruiting-Accounts der Plattform und vermeidbare Fehler bei der digitalen Personalsuche gesprochen. Im Interview verrät sie ihre vier Top-Tipps zum LinkedIn-Recruiting und zeigt die zahlreichen Möglichkeiten, die einem bereits in der Gratisversion zur Verfügung stehen.

03.04.2023 Von: Sonja Berger
LinkedIn-Recruiting

Frau Berger, warum soll ich als Unternehmen via LinkedIn rekrutieren?
Unternehmen, die bisher noch nicht mit LinkedIn rekrutiert haben, werden feststellen, dass es sehr einfach ist. Die ganze Handhabung, das Aufschalten eines Stellenangebots ist kinderleicht. Die dazu nötigen Techniken lassen sich innerhalb kurzer Zeit erlernen. Und die meisten werden dies selbst übernehmen können. Das gilt sowohl für das passive Sourcing, also ein gezieltes Posten einer Stellenanzeige auf einem Board, als auch für das active Sourcing, also das gezielte Suchen nach Kandidat*innen.

Was kann ich mit LinkedIn erreichen, das ich mit einer Anzeige auf einer Plattform oder über die eigene Karriereseite eben nicht kann?
Eine Jobanzeige zu veröffentlichen, bedeutet im Prinzip «Post and pray» – ich muss hoffen, dass jemand meine Anzeige sieht oder liest, zum Beispiel bei Jobs.ch oder auf der Karriereseite des eigenen Unternehmens, wobei es beim Zweitgenannten schon schwieriger ist. Dort erreiche ich nämlich nur Personen, die das Unternehmen bereits kennen und die Karriereseite proaktiv besuchen.

Bei LinkedIn kann ich diese Stellenanzeige ebenfalls posten, und Interessierte können ganz gezielt nach bestimmten Positionen suchen, z.B. nach «Marketingmanager». Wenn Sie einen «Alert» eingerichtet haben, erfahren sie zudem von neu veröffentlichten Stellen, d.h. auch von Unternehmen, die sie vorher nicht kannten. Dadurch wachsen Angebot und Nachfrage näher zusammen.

Bei einer klassischen Job-Plattform kann ich ebenfalls nach einer bestimmten Jobbezeichnung suchen und entsprechende Benachrichtigungen einrichten. Worin liegt der Unterschied zu LinkedIn?
In der sozialen Komponente. Bei LinkedIn sehe ich z.B., wer den Job gepostet hat, kann mir das Profil des Recruiters anschauen und ihn oder sie direkt kontaktieren. Im Gegenzug sehen auch die Recruiter, wer sich beworben hat. Die Anzeigen sind so konzipiert, dass der Prozess relativ schnell abläuft. Das heisst, dass Recruiter Kandidaten schnell kategorisieren können, etwa in «kommt infrage», «vielleicht» oder «passt leider nicht». Und durch die Möglichkeit der «einfach Bewerben»-Funktion wird die Bewerbung via LinkedIn-Profil möglich – und spart viel Zeit.

Wenn man sich fürs LinkedIn-Recruiting entschieden hat, stehen verschiedene Accounts zur Wahl. Kann ich mit dem Freemium-Account – der Gratisversion – bereits sinnvoll rekrutieren?
Ich kenne einige Personen, die sogar als professionelle Headhunter immer noch problemlos mit den einfachen Suchfunktionen bei LinkedIn arbeiten. In der Basisversion gibt es bereits recht gute Suchfilter, die viele oft noch zu wenig nutzen. Auch kann man auf LinkedIn Unternehmensseiten gezielt nach bestimmten Mitarbeitenden eines Unternehmens suchen. Man kommt mit der Gratisversion schon sehr weit. Ebenfalls kann ich Stellen kostenlos posten. Geld muss ich erst in die Hand nehmen, wenn ich diese zusätzlich bewerben möchte.

Bei sehr speziellen Anforderungen an Kandidat*innen, d.h. bei Jobprofilen, die schwer zu finden sind, lohnt sich ein LinkedIn-Recruiter-Abonnement, d.h. ein Premium-Account. Es gibt verschiedene Optionen, wobei die günstigste «LinkedIn Recruiter Lite» ist – eine sogenannte Singlelizenz, die an ein einzelnes Profil gebunden ist. In diesem Package gibt’s eine ganze Menge an zusätzlichen Suchfiltern, mit denen ich ganz gezielt nach Personen suchen kann. Ich kann z.B. nach Jobbezeichnungen, Location, Ort der Ausbildung, Berufserfahrung, bestimmten Kenntnissen oder auch nach ganz bestimmten Keywords suchen und filtern. Zusätzlich kann ich mit sogenannten Wunschkandidaten arbeiten. Das ist eine Person, die perfekt zur Position passen würde, aber z.B. kein Interesse hat. Wenn ich diesen Wunschkandidaten als Basis im System erfasse, sucht mir LinkedIn Personen mit gleichen oder ähnlichen Kriterien heraus, setzt somit die passenden Suchfilter. So kann ich mit diesen Personen weiter sourcen – das ist sehr praktisch.

Gibt’s noch andere Unterschiede zur Freemium-Version?
Man kann auch mit Booleschen Operatoren arbeiten, die man von der Suche mit Google kennt. Dadurch kann ich bestimmte Suchfunktionen ein- oder ausschliessen und meine Suche besser eingrenzen und kategorisieren. Dazu benötige ich den LinkedIn Recruiter. Zudem ist man in diesem Modus als Recruiter anonym, d.h., Kandidat*innen sehen nicht, wenn ich ihr Profil besucht habe. Ich bestimme den Moment, wenn ich mögliche Kandidaten eruiert habe, und zeige erst dann mein Gesicht.

Worin unterscheidet sich die LinkedIn-Recruiter-Vollversion von Recruiter Lite?
Es ist etwas verwirrend, da es bei LinkedIn verschiedene Premium-Accounts gibt. Der Hauptunterschied bei den beiden Versionen des Recruiters liegt in der Anzahl an Lizenzen. Die Lightversion ist wie erwähnt eine Singlelizenz und an eine Person resp. an einen Account gebunden. Sobald mehrere Teammitglieder gemeinsam ein Projekt bearbeiten wollen, braucht es die Vollversion. So haben alle Beteiligten den Überblick, welche Kandidaten in der Pipeline sind, ob sie schon kontaktiert wurden, ob es Absagen gibt usw. Vor allem für grössere Unternehmen empfiehlt sich diese Variante. Den Preis verhandelt man in diesem Fall direkt mit LinkedIn.

Befinden wir uns hier im Bereich der LinkedIn Talent Solutions?
Im Grunde ist LinkedIn Talent Solutions in zwei Bereiche eingeteilt. Einerseits können Stellen gepostet werden, was zum Passiv Sourcing gehört. Und andererseits kann man aktiv sourcen, wozu ab einer gewissen Stufe der Recruiter Lite sinnvoll ist. Aber Talent Solutions hat jeder User. Der lila Ring mit dem «Hiring»-Hinweis bei den Profilbildern gehört z.B. auch dazu – das steht allen offen.

Zusätzlich gibt es eine Art Zwischenbereich: die sogenannten Job Slots. Man kann sich dies wie Parkplätze in einem Parkhaus vorstellen. Ich kann bei LinkedIn mehrere Slots für das ganze Jahr kaufen und dort nach Belieben unterschiedliche Jobs «rein- und rausfahren» und «ausstellen». Diese gekauften Platzierungen müssen ebenfalls direkt mit LinkedIn verhandelt werden.

Mit dem Freemium-Account kann man die vorrecherchierten Kandidat*innen nur anschreiben, wenn man mit diesen bereits vernetzt ist ...
Genau, das ist ein wichtiger Punkt. Ähnlich wie beim Sales Navigator, den LinkedIn für den Vertrieb anbietet, braucht es für diese «Inmails», d.h. Nachrichten an Nichtkontakte, einen Premium-Account. Natürlich könnte man theoretisch auch eine Kurzmessage im Rahmen einer Vernetzungsanfrage platzieren. Aber das wäre sehr unprofessionell.

Nehmen wir als Beispiel ein KMU mit ca. 150 Mitarbeitenden und zwei bis drei Personaler*innen. Welchen LinkedIn-Account würden Sie diesem Unternehmen empfehlen?
Ich würde mit dem LinkedIn Recruiter Lite starten. Lieber klein anfangen, und sich mit dem Tool und den Funktionen auseinandersetzen. In einem zweiten Schritt kann dann entschieden werden, ob es für die Zusammenarbeit mit mehreren Personen die Vollversion braucht. Die Benachrichtigungen gehen in der Liteversion nur an eine Person. Bewerbungen können aber auch auf eine allgemeine E-Mail-Adresse oder auf die Karriereseite gelenkt werden.

Was sind Ihre drei Top-Tipps fürs LinkedIn-Recruiting?
Tipp Nummer 1: Das eigene LinkedIn Profil uptodate halten und pflegen. Der erste Eindruck zählt auch für den Rekrutierenden, nicht nur für die Kandidat*innen. Dazu gehört z.B. ein ansprechendes Profilbild. Tatsächlich gibt es immer noch Recruiter*innen, die ohne Profilbild unterwegs sind. Man ist in dieser Rolle auch eine Art Aushängeschild des Unternehmens. Viele müssen sich daran erst gewöhnen, da sie sich früher hinter einer anonymen E-Mail-Adresse oder Karriereseite verstecken konnten. Und plötzlich stehen sie im Rampenlicht. Aber Jobpostings, bei denen ein Ansprechpartner angegeben ist, erscheinen viel sympathischer.

Tipp Nummer 2: Vielen ist nicht bewusst, dass sie bei LinkedIn auf Unternehmensseiten nach Personen suchen und filtern können. Ein Beispiel: Ich könnte bei der LinkedIn Unternehmenseite von Google nach «Schweiz», «Marketing» und «Strategie» suchen. Dann erhalte ich auf der Unternehmensseite eine Übersicht aller LinkedIn-Mitglieder, die bei Google Schweiz in den entsprechenden Bereichen tätig sind. Das ist sehr hilfreich für kostenloses Active Sourcing.

Tipp Nummer 3: Die Reaktionszeit beachten. Die Welt dreht sich gefühlt immer schneller, und die Kandidat*innen erwarten ein zeitnahes Feedback und schnelle Antworten. Dass man erst Wochen später auf eine Bewerbung oder eine sonstige Anfrage reagiert, ist ein klares No-Go.

Und noch ein Bonus-Tipp: Lassen Sie sich etwas einfallen, wenn Sie Personen im Rahmen ihrer Active-Sourcing-Strategie anschreiben. Wenn Sie bei dieser Gruppe, die häufiger von Recruiter*innen kontaktiert wird, auffallen möchten, schreiben Sie persönlich, erzählen Sie etwas zum Unternehmen. Kommunizieren Sie authentisch und auf Augenhöhe. Eine Prise Humor und Emotionen schaden im Grunde nie. So ist die Chance gross, dass Ihre Nachricht beim Empfänger nicht untergeht.

Und welche Fehler sollte man beim LinkedIn-Recruiting vermeiden?
Der grösste Fehler wäre, es gar nicht erst zu versuchen. Trauen Sie sich, LinkedIn als Recruitingtool zu nutzen.

Dann wäre da noch die Sache mit den Stellenanzeigen in PDF-Form. Das sehe ich sehr oft, und es ist nicht per se schlecht, diese PDFs auf Unternehmensseiten zu posten und von Mitarbeitenden weiterverbreiten zu lassen. Das Problem ist, dass man in dem Moment nicht im Jobmarkt mitspielt, weil LinkedIn die PDFs nicht auslesen kann. Man muss stattdessen die Anzeige als Jobpost via Unternehmensseite machen. Selbstverständlich steht in diesem das Gleiche wie in einem PDF, aber dieser Post ist «machine readable». Wenn jemand nach «Digital Marketing Manager» sucht, findet er die Stellenanzeigen im Jobmarkt auf LinkedIn, aber die Suche nach PDFs funktioniert nicht.

Lieblose Jobpostings würde ich ebenfalls vermeiden. 08/15-Posts, die kommentarlos geteilt werden, in der Hoffnung, dass jemand diese Stellenanzeige sieht und darauf reagiert – damit kommt man nicht sehr weit. Aber mit ein paar einfachen Anpassungen erzielt man eine ganz andere Wirkung. Dafür braucht es z.B. ansprechende Visuals, angepasst auf den Job und in Du- und Sie-Ansprache. Am besten spricht man sich dazu mit dem Marketing ab und baut den Post ins Storytelling ein. Dieser darf durchaus auch länger sein inkl. Jobbeschreibung sowie einer Verlinkung zum Jobposting. Ich würde auch gleich die zuständige Person sowie ein paar zukünftige Kolleg*innen mit «@» auf LinkedIn markieren – so wird die Sache schön transparent, und man sieht die Menschen dahinter.

Später lässt sich die Geschichte mit weiteren Posts fortführen, wenn eine Person für die Stelle gefunden wurde, kann man diese auch zeigen, oder sie macht selbst einen Post dazu. Das bringt einen grossen Mehrwert fürs Unternehmen und unterstützt zudem das Employer Branding.

Wie Erfolg versprechend ist Recruiting über andere Social-Media-Plattformen wie Instagram, Facebook oder TikTok?
Als Erstes muss ich wissen, wo meine Zielgruppe ist. Wenn ich z.B. Schreiner suche, dann wird es momentan immer noch ein bisschen schwierig sein, diese auf LinkedIn zu finden. Da muss ich mir etwas anderes überlegen. Vielleicht habe ich als grössere Schreinerei einen Facebook- oder Instagram-Account, wo ich ein ansprechendes Jobinserat inkl. Visual posten kann. Allerdings erreiche ich zunächst nur meine Follower. Zusätzlich kann ich den Post ganz gezielt bewerben, z.B. bei Personen, die im Umkreis von 20 bis 25 Kilometern wohnen und im Bereich Holzbau unterwegs sind. Das wäre wohl erfolgsversprechender.

In diesem Kontext arbeitet man oft mit Personas, fiktiven Vertretern meiner Zielgruppe. Der Schreiner, den ich suche, ist z.B. 42 Jahre alt und hat zwei Kinder usw. Durch diese Annäherung lässt er sich besser «targeten».

Wenn ich eine jüngere Person z.B. für ein Customer Care Center suche, die auch noch Französisch spricht, werde ich eher auf TikTok oder Instagram setzen. Natürlich käme in diesem Fall keine klassische Stellenanzeige wie auf LinkedIn zum Einsatz. Ein einfaches, kurzes, cooles Mitarbeitervideo wäre in diesem Kontext passender. Es muss auch nicht hochprofessionell sein. Implenia veröffentlicht auf TikTok immer wieder spannende Kurzvideos aus dem Arbeitsalltag eines Bauunternehmens.

Und wie sieht es mit XING aus?
Die Nutzerzahlen von XING sind in der Schweiz leider rückläufig. LinkedIn ist mit seinen 3,25 Millionen Usern im Vergleich zu den 1 Million Xing-Usern viel beliebter. Mit dem Talent Manager bietet XING zwar etwa das Gleiche wie LinkedIn mit dem Recruiter, trotzdem wird es eher nur von deutschen als Schweizer Unternehmen zur Besetzung von Stellen in der Schweiz genutzt. Übrigens: Falls Sie auf beiden Plattformen sind, empfehle ich Ihnen dringend, beide Profile auf dem aktuellsten Stand zu haben. Ein Uraltprofil auf XING macht einen wenig professionellen Eindruck.

Gibt es noch etwas, das Sie allen Recruiter*innen, die auf LinkedIn setzen, mit auf den Weg geben möchten?
Ich glaube, dass es wichtig ist, dass man versteht, dass Employer Branding, Passiv Sourcing und Active Sourcing zusammengehören. Employer Branding sollte nicht völlig losgelöst betrieben werden. Denn jeder Jobpost vermittelt ein Bild des Unternehmens und bietet die Möglichkeit, die Menschen dahinter zu zeigen sowie einen Einblick in die Firmenkultur zu gewähren. Die Postings müssen als Teil des Storytellings im Employer-Branding-Prozess verstanden werden.

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