Lehrstellenmarketing: Junge Talente finden und fördern

Die Lernenden von heute sind das qualifizierte Fachpersonal von morgen. In verschiedenen Branchen wird es aber zunehmend schwierig, geeigneten Berufsnachwuchs zu finden. Da gilt es, das Lehrstellenmarketing weiterzuentwickeln.

22.02.2022 Von: Daniel Herzog
Lehrstellenmarketing

Lehrstellenmarketing

Die Schweiz ist zu Recht stolz auf ihr duales Berufsbildungssystem. Dieses versorgt die Wirtschaft mit qualifizierten Fachkräften. Es ist aber auch Hauptgrund für die im Vergleich zum Ausland rekordtiefe Jugendarbeitslosigkeit.

Rund 30% der infrage kommenden Betriebe bilden in der Schweiz Lernende aus. Diese bekunden zunehmend Mühe, die offenen Lehrstellen mit geeigneten Personen zu besetzen. In Trendberufen, wie beispielsweise Informatiker, übersteigt die Nachfrage das Angebot bei Weitem. In handwerklichen Berufen wird es aber schwierig. Einzelne Branchen wie Gastronomie und Tourismus haben infolge der Pandemie zumindest vorübergehend an Attraktivität verloren. Der Trend zur Akademisierung verschärft die Knappheit zusätzlich. Um geeignete Lernende zu finden, genügt es oftmals nicht mehr, die Lehrstellen im kantonalen Lehrstellennachweis (LENA) zu veröffentlichen. Ein durchdachtes Lehrstellenmarketing ist gefragt.

Kernbotschaft definieren

Wer seine Produkte und Dienstleistungen verkaufen will, muss einen erkennbaren Nutzen und Mehrwert kommunizieren. Dieser Grundsatz gilt auch im Lehrstellenmarketing. Man muss sich von den «Mitbewerbern» abheben, wobei bei Lehrberufen mit höheren schulischen Anforderungen vor allem auch der gymnasiale Weg als Konkurrenz zu betrachten ist. Hier gilt es, die Vorteile der Berufslehren aufzuzeigen.

Am besten formuliert man einen oder mehrere USPs (unique selling proposition). Diese Alleinstellungsmerkmale sollten für die Schulabgänger/-innen, Eltern und Lehrpersonen wahrnehmbar und bedeutsam sein. Man sollte diese langfristig anbieten können, und sie sollten von den anderen Playern auf dem Markt nur schlecht kopiert werden können.

Man kann davon ausgehen, dass den Eltern eine gute Ausbildung ihrer Kinder und Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt wichtig sind. Da wäre das Versprechen, dass die Firma allen Lehrabgängern zumindest eine befristete Weiterbeschäftigung anbietet, ein guter USP. Schulabgänger/-innen mit hohen Leistungsmotiven könnte man beispielsweise mit dem Angebot eines Aufenthalts in einer ausländischen Tochterunternehmung begeistern. Diejenigen mit hohe Beziehungsmotiven werden ein positives Betriebsklima oder betriebliche Freizeitaktivitäten interessieren. Diese USPs werden dann als Kernbotschaft bei allen Kommunikationsmassnahmen transportiert, sei es auf der Berufsmesse, auf den sozialen Medien oder auf den Lehrstellenbörsen.

Kommunikationszielgruppen erreichen

Die Berufswahl und der Entscheid für einen Lehrbetrieb wird keineswegs nur von den Schulabgängern getroffen. Die wichtigsten Beeinflusser sind die Eltern, ältere Geschwister, Lehrpersonen, Beratungspersonen und die Peers. Es gilt also, die Kernbotschaften mit geeigneten Instrumenten sowohl bei den Schülern als auch bei den Beeinflussern zu platzieren.

Für das Lehrstellenmarketing stehen viele Kommunikationsinstrumente zur Verfügung. Unverzichtbar sind Einträge in den gängigen Lehrstellenbörsen wie yousty.ch oder gateway.one. Interessant wäre ein prominenter Webauftritt, welcher sich, wenn möglich, gerne von der Corporate-Site abheben darf und vielleicht sogar von Lernenden betreut wird. Werbung auf Google oder sozialen Kanälen bietet eine gute Ergänzung. Diese Anzeigen können zielgruppengenau gebucht werden.

Die Lehrpersonen sind wichtige Beeinflusser bei der Berufswahl. Ihnen könnten auf der Website Unterrichtshilfsmittel wie beispielswiese Arbeitsblätter für den Berufskundeunterricht zum Download zur Verfügung gestellt werden. Wenn ein Schnupperlehrling im Betrieb ist, kann die Lehrperson zu einem Besuch im Schnupperlehrbetrieb eingeladen werden. So können Sie vor Ort für sich Werbung machen, ganz nach dem Motto «Tue Gutes und sprich darüber». Die Lehrperson wird Sie so künftig den Schülerinnen und Schülern als Lehrbetrieb empfehlen. Wenn die Lehrpersonen nicht zu Ihnen kommen, dann ergreifen Sie selbst die Initiative, beispielsweise in Form eines Schulklassenbesuchs durch Ihre Lernenden. Oder Sie bieten ein Bewerbungstraining für Oberstufenklassen an.

Geschichten erzählen

Menschen hören gerne Geschichten. Machen Sie sich diesen Umstand zunutze. Porträtieren Sie Lernende, zeigen Sie auf, welche Karrieren diese nach der Lehre eingeschlagen haben, und lassen Sie Ihre Lernenden regelmässig auf den sozialen Medien aus dem Arbeitsalltag berichten. Der Instagram-Kanal kann beispielsweise gut von den Lernenden selbst betreut werden. Es empfiehlt sich grundsätzlich, die eigenen Lernenden als Botschafter/-innen einzusetzen. Diese wirken bei den Peers glaubwürdig, und sie sprechen die gleiche Sprache.

Talente weiter fördern

Unternehmen stecken viel Zeit und Geld in die Ausbildung ihres Berufsnachwuchses. Da liegt es auf der Hand, sich zu überlegen, wie man talentierte und motivierte Lehrabgänger/-innen an die Firma binden und weiter fördern kann. Junge Mitarbeitende suchen nach sinngebenden Aufgaben, und sie wollen sich einbringen. Mit einem Entwicklungsprogramm sollten die jungen Talente individuell weiter gefördert werden. Die Generation, welche aktuell in den Arbeitsprozess eintritt, strebt auch eine gute Balance zwischen Beruf, Familie und Freizeit an. Flexible Arbeitszeitmodelle, wie beispielsweise Teilzeitarbeit oder Jahresarbeitszeit, kommen diesen Bedürfnissen entgegen. Man sollte auch ab und zu im Homeoffice arbeiten oder für eine grössere Reise unbezahlten Urlaub nehmen können.

Mit einem Mix von spannenden Arbeitsinhalten in einem tollen Team, attraktiven Arbeitsbedingungen und individueller Förderung binden Sie die Lehrabgänger/-innen an Ihren Betrieb und die Investition in den Berufsnachwuchs wird sich mehr als auszahlen. Das Talentprogramm für Lehrabgänger/-innen bildet gleichzeitig auch ein wichtiger USP für das Lehrstellenmarketing.

Henry Ford, Gründer der gleichnamigen Automarke, sagte einmal: «Enten legen ihre Eier in Stille. Hühner gackern dabei wie verrückt. Was ist die Folge? Alle Welt isst Hühnereier.» Gackern Sie also beim Lehrstellenmarketing ruhig ein bisschen lauter als Ihre Mitbewerber, seien Sie dabei kreativ in der Wahl der Instrumente, suchen Sie den Kontakt zu den Lehrpersonen, erzählen Sie Geschichten und binden Sie Ihre Lernenden in die Lehrstellenmarketingaktivitäten mit ein. Und dabei nutzen Sie immer Ihre anfangs formulierte Kernbotschaft. So können Sie Ihrem Betrieb auch künftig qualifizierten Berufsnachwuchs zur Verfügung stellen.

PRAXISTIPP: Kommunikationskonzept für das Lehrstellenmarketing

Guter Berufsnachwuchs ist für viele Branchen überlebenswichtig. Das Lehrstellenmarketing sollte also nicht dem Zufall überlassen werden. Ein Kommunikationskonzept bildet dafür die Grundlage.

1. Kernbotschaft: Was ist die Einzigartigkeit einer Berufslehre in Ihrem Betrieb?

Formulieren Sie den Mehrwert einer Berufslehre in Ihrem Unternehmen.

2. Kommunikationszielgruppen: Wem soll diese Botschaft vermittelt werden?

Formulieren Sie Zielgruppen, welche Sie mit einheitlichen Botschaften und Instrumenten erreichen wollen (beispielsweise: Schulabgänger und Peers, Lehrpersonen, Eltern und Grosseltern).

3. Kommunikationsziele: Was wollen Sie erreichen?

Formulieren Sie pro Kommunikationskernzielgruppe Ziele (beispielsweise: Im Jahre 2022 veröffentlichen wir auf dem Instagram-Kanal der Berufsbildung wöchentlich mindestens einen Beitrag für die Zielgruppe Lehrabgänger und Peers).

4. Kommunikationsmassnahmen: Wie wollen Sie es erreichen?

Formulieren Sie Massnahmen, terminieren Sie diese und legen Sie die Verantwortlichkeiten fest.

5. Kommunikationsbudget: Welche Investitionen sind nötig?

Erstellen Sie ein Kommunikationsbudget.

6. Kontrolle: Wie messe ich die Zielerreichung?

Legen Sie bereits jetzt fest, mit welchen Instrumenten Sie die Erreichung der formulierten Kommunikationsziele messen wollen.

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