Bewerber-Screening: Bauchgefühl allein reicht nicht
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Es ist nicht immer einfach, die richtigen Fachleute fürs Unternehmen zu finden. Besonders in Zeiten, in welchen der Arbeitsmarkt ausgetrocknet ist und Bewerber mit spezifischen Fachkenntnissen und Erfahrungen Mangelware sind, wird es zu einer Challenge. Die Schweiz hat wenigstens den Vorteil, ein international orientierter Arbeitsmarkt und ein einkommensstarkes Land zu sein, was es für Ausländer attraktiv macht, sich hier vorübergehend niederzulassen und zu bewerben.
Die Überprüfungen ausländischer Bewerbender im Recruiting-Verfahren verlangen von Schweizer Recruiter*innen zusätzliche Sprachkenntnisse, um Referenzen abzuklären, Diplome ausländischer Institutionen zu verifizieren und die angegebene Arbeitserfahrung im Ausland zu überprüfen. Diese Punkte sind für eine gründliche Hintergrund- und Referenzprüfung essenziell. Unsere Erfahrung aus der Durchführung forensischer Untersuchungen zeigt eindrücklich, dass in der Mehrheit der Fälle, die wir bearbeitet haben, gründliche Abklärungen zu Beginn des Bewerbungsverfahrens dazu geführt hätten, dass Kriminelle, Mobber und Belästiger gar nicht erst angestellt worden wären.
Bewerbende nehmen es mit der Wahrheit oft nicht so genau
Verschiedene Studien im deutschen Raum haben gezeigt, dass viele Bewerbende ihren Lebenslauf beschönigen, mit gefälschten Unterlagen ergänzen und falsche oder ungenaue Angaben (z.B. über die Berufserfahrung) machen. Weil die meisten Studien allerdings eine sehr kleine und daher nicht repräsentative Grundmenge als Basis haben, muss man die Zahlen mit Vorsicht geniessen. Es gibt eine grosse Streuung in den Ergebnissen, wonach zwischen 20 und mehr als 60 Prozent der überprüften Lebensläufe Lügen oder «Ungenauigkeiten» enthalten haben sollen.
Wir nehmen aus diesen Studien zumindest mit, dass ein signifikant hoher Anteil von Bewerbenden die vergangenen Berufserfahrungen, Verantwortlichkeiten, erlernten Fähigkeiten und Zeugnisse «aufpeppt» sowie Lücken der Arbeitslosigkeit füllt, um einen besseren Eindruck zu erwecken. Manche schrecken auch nicht davor zurück, Ausbildungen vorzugaukeln, die sie in Tat und Wahrheit nicht abgeschlossen haben.
Nun, wann sind Lügen oder die «Verschönerung des eigenen Lebenslaufs» wirklich problematisch? Das hängt von der jeweiligen Stelle ab. Natürlich ist es schon halbwegs kriminell, wenn ein Bewerbender die für eine Stelle erforderlichen beruflichen Qualifikationen oder Praxiserfahrungen nicht mitbringt (obwohl vorgegeben). Wenn beispielsweise ein Rechtsanwalt gar kein Jurastudium absolviert und ein Arzt nicht Medizin studiert hat oder wenn ein Lkw-Fahrer nicht über den richtigen Führerschein verfügt.
Aber was ist, wenn KandidatInnen «sparsam mit der Wahrheit» umgehen und etwas «übertreiben», wenn sie über ihre Verantwortlichkeiten sprechen, die sie in ihrem vorherigen Job hatten? Wie würden Sie es empfinden, wenn Bewerbende im Tätigkeitsbericht bequemerweise nur die Jahre anstelle der genauen Kalenderdaten angeben, um grosse Lücken zwischen zwei Arbeitsstellen elegant zum Verschwinden zu bringen?
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Genau hinschauen lohnt sich
Hand aufs Herz, würde man jemanden einstellen wollen, wenn man im Einstellungsverfahren feststellt, dass er oder sie sich vorsätzlich solcher Gaunereien bedient? Spielt es da eine Rolle, für welche Funktion oder Stelle man sich bewirbt? Möglicherweise schon, denken sich die einen und fahren mit Sätzen wie «Alles eine Frage der Verhältnismässigkeit» oder «Alles halb so relevant» auf. Andere wiederum zweifeln dann (zu Recht) an der Integrität der Person und wählen lieber andere Kandidaten.
Heutzutage ist es sehr einfach, Diplome zu fälschen. Und die hoch automatisierten Einstellungsverfahren ermöglichen es, gefälschte Zeugnisse in Sekundenschnelle hochzuladen. Während des Einstellungsverfahrens gehört deshalb die Überprüfung von Diplomen, Berufserfahrung und der Referenzen zu den grundlegenden Abklärungen. In der Realität wird aber oft darauf verzichtet, weil sie zeitaufwendig und kostspielig sind oder weil es ganz einfach «unangenehm» ist. Für Agenturen, die sich mit der Suche nach Führungskräften befassen, gibt es noch einen weiteren Grund, nicht «zu tief» einzutauchen. Abgesehen vom Zeit-Kosten-Faktor kann dies auch ein zusätzlicher «Deal Breaker» sein. Denn man möchte es sich mit den KandidatInnen auch im Hinblick auf künftige Mandate nicht verscherzen.
Viele Recruiter verlassen sich auf ihr Bauchgefühl, es lohnt sich jedoch, die Angaben des Bewerbenden kritisch zu prüfen. Findet man «die Leichen» nämlich erst zu spät, muss der neue Arbeitgeber die Konsequenzen und die damit verbundenen Kosten tragen. Es liegt in der Verantwortung der Recruiter, abzuschätzen, inwiefern sie ihr Bauchgefühl absichern wollen.
Pre-employment Bewerber-Screening, ein schrittweiser Ansatz
Die Durchführung einer Integrity Due Diligence bei potenziellen beginnt immer mit einer Einverständniserklärung des Bewerbenden, gefolgt von einer Überprüfung der zur Verfügung gestellten Informationen. Manchmal sind auch Hintergrundinformationen aus einem ersten Gespräch mit der Personalabteilung oder einem Personalvermittler hilfreich.
In den meisten Fällen wird eine OSINT-Recherche (Open Source Intelligence) durchgeführt, um weitere Hintergrundinformationen über die Kandidaten zu erhalten, um die von ihnen gemachten Angaben zu überprüfen. Öffentlich zugängliche Informationen aus Handelsregistern, Risiko und Sanktionsdatenbanken und aus Medienartikeln werden zusammengetragen und analysiert. Dasselbe gilt für Bonitätsprüfungen, Betreibungsregisterauskünfte und eingereichte Strafregisterauszüge sowie die öffentlichen Social-Media-Einträge der KandidatInnen, aber nur, sofern die Erhebung dieser Informationen verhältnismässig und für die Stelle relevant und notwendig erscheint. Aufgepasst bei Recherchen in den sozialen Medien. Die meisten Einträge sind privater Natur und dürfen deshalb nicht in die Analyse einfliessen.
Anschliessend werden die spezifischen Angaben des Bewerberdossiers überprüft. Bildungseinrichtungen (zumindest für die relevanten Abschlüsse) und Referenzen sollten kontaktiert werden. Bei der Besetzung von leitenden oder sonstigen Schlüsselfunktionen ist die Überprüfung von potenziellen Interessenkonflikten ein wichtiger Bestandteil der gründlichen Hintergrundabklärung. Hier ist es interessant, die von den KandidatInnen gemachten Angaben mit den Informationen aus öffentlichen Quellen zu vergleichen. Aus Erfahrung wissen wir, dass Kandidat*innen manchmal «vergessen», bestimmte persönliche/geschäftliche Interessen offenzulegen, die zu offensichtlichen Interessenkonflikten mit der neuen Aufgabe führen könnten.
Das Integrity-Interview dient schliesslich dazu, die Auffälligkeiten aus der Hintergrundabklärung zu klären und die Ergebnisse aus der Dossier-Analyse mit den Bewerbenden zu besprechen. Die Beurteilung von Fällen aus der Praxis, die Diskussion von relevanten Compliance-Themen und die Beurteilung der Integrität anhand verschiedener Dilemma-Situationen runden das Gespräch ab.