Assessment-Anbieter: Seriöse Angebote erkennen

Bis ins 19. Jahrhundert waren verschiedene «Spezialisten», wie Bader, Barbiere, Feldscher in der medizinischen Versorgung tätig, bis schliesslich tatsächlich akademisch akkreditierte Ärztinnen und Ärzte zuständig wurden. Gleichartig finden Sie heute auf dem Markt eine Vielzahl von Angeboten, die mit Assessments werben – Coaches, Beraterinnen und Berater, Consultants, psychologisch ausgebildete Diagnostikerinnen und Diagnostiker. Doch wie stellen Sie sicher, dass es sich um ein seriöses, faires und professionelles Angebot handelt?

28.02.2022 Von: Urs Tschanz
Assessment-Methoden

Ähnlich wie die Medizin, wenn auch zeitverzögert, entwickelte sich auch die psychologische Diagnostik in Bezug auf Professionalität und Akkreditierung.

Um vor lauter Bäumen den Wald zu sehen, zeigen wir Ihnen einige bedeutende Qualitätsstandards und Qualitätsprüfungsmöglichkeiten aus auf.  

Die Beurteilung einer Person, auch im Rahmen eines Assessments, ist ein subjektiver Prozess. Deshalb gilt es, diesen im Assessment zu kontrollieren, mit dem Ziel, ein realistisches und treffsicheres Ergebnis zu erzielen. Wie ist dies zu bewerkstelligen?

Relevantes Verhalten provozieren

Die Kandidierenden müssen das anforderungsrelevante Verhalten zeigen können. Das bedeutet, wenn beispielsweise die Kompetenz «Durchsetzungsvermögen» beurteilt werden soll, müssen im Assessment, Situationen geschaffen und diejenigen Instrumente eingesetzt werden, die genau diese Kompetenz im Verhalten der Kandidierenden prüfbar machen.

Systematische Beobachtung von Verhalten

Das Verhalten wird von mehreren, in psychologischer Diagnostik ausgebildeten Assessorinnen und Assessoren systematisch beobachtet. Systematisch bedeutet, dass im Vorhinein klar definiert ist, welches Verhalten zu welcher Beurteilung führt. Hierzu liegen präzis beschriebene Verhaltenskategorien vor, die punkto Qualität quantifiziert werden können. Mindestens zwei Assessierende beobachten unabhängig voneinander das Verhalten der Kandidierenden. Später besprechen sie dieses und einigen sich im Rahmen einer Assessorinnen- oder Assessorenkonferenz.

Trennung Beobachtung und Beurteilung

Der Prozess der Beobachtung und der Beurteilung wird strikt getrennt. Während der Beobachtung werden lediglich Notizen gemacht, die später als Erinnerungsstütze für das Gesehene dienen. Erst anschliessend, im Prozess der Beurteilung, wird mit Hilfe der angefertigten Notizen das Verhalten der beobachteten Person systematisch beurteilt. Ansonsten läuft auch diagnostisch bestens ausgebildetes Personal die Gefahr, darauffolgendes Verhalten verzerrt wahrzunehmen, zu schubladisieren und vorschnell ein Urteil zu fällen. Bei Uneinigkeit in der Beurteilung stützt man sich auf die Urteile/Argumente, welche durch klare Verhaltensbeobachtungen begründbar sind.

Ausbildung der Assessierenden

Die Assessorinnen und Assessoren sollten über eine seriöse Ausbildung in psychologischer Diagnostik verfügen, welche meist im Rahmen eines Psychologiestudiums erfolgt. Weder ein Wochenendkurs noch viel Führungserfahrung oder gesunder Menschenverstand reichen aus, um eine faire und professionelle Beurteilung im Rahmen von Assessments zu gewährleisten.

Qualitätscheck durch Ausbildung oder Zertifikat

Auch im Bereich der Qualitätsprüfung ist die Medizin der psychologischen Diagnostik einen grossen Schritt voraus. Wer über einen Abschluss mit Doktorat in Medizin und entsprechender Zusatzausbildung verfügt, kann bei den Gesundheitsdirektionen der Kantone eine Betriebsbewilligung beantragen. Wer als Chirurgin oder Chirurg in einem Spital arbeiten will, muss akkreditiert sein. Und auch ausserhalb der Medizin haben sich die meisten Branchen betreffend Qualitätschecks organisiert. Bevor Ware auf den Markt gelangt, durchlaufen sie strengste Kontrollen. Kurzum, die Qualitätsprüfung überlassen wir in den meisten Fällen dem Staat oder einer vertrauenswürdigen Organisation. Nicht so in der psychologischen Diagnostik. Hier liegen nur wenige Möglichkeiten vor, um die Qualifikation der Expertinnen und Experten oder der Anbieter für Assessments zu prüfen. Gerade deswegen sollten diese besonders beachtet werden. So dient auf Ebene Individuum, ein abgeschlossenes Studium in Arbeitspsychologie, oder auf Ebene Organisation, ein Zertifikat des Vereins Swiss Assessment (www.swissassessment.ch) als Anhaltspunkt für gesicherte Professionalität.

Über kurz oder lang – es zahlt sich aus, nicht nur in die Durchführung von Assessments zu investieren, sondern auch in die Entwicklung der Überprüfung der jeweiligen Anbieter.

Die Begriffe Assessment Center (AC) und Assessment werden in der Praxis oft als gleichbedeutend verwendet. Entsprechend wird in diesem Artikel konsistent der Begriff Assessment verwendet, worunter auch ein AC verstanden wird.

Newsletter W+ abonnieren