Kompetenzmanagement 4.0: Gestalten statt verwalten
Passende Arbeitshilfen
Megatrends, gesellschaftliche und technologische Einflussfaktoren stellen jeden Status quo infrage und machen so Veränderungen zur Normalität. Dass dies auch Auswirkungen auf Methoden, Instrumente und Tools hat, liegt auf der Hand. Doch anstatt Versuchen, diese ständig an die aktuellen, rasch wechselnden Anforderungen anzugleichen, braucht es neue Wege und Ansätze, vor allem im Kompetenzmanagement. Denn noch immer liegt der Fokus in vielen Kompetenzmanagement-Prozessen in der Verwaltung und Evaluation von in der Vergangenheit relevanten oder heute notwendigen Kompetenzen. Doch dies bildet nicht die tatsächliche Kernfunktion des Kompetenzmanagements ab. Denn der Organisation die passenden Mitarbeitenden - zum jetzigen oder zukünftigen Zeitpunkt zur Verfügung zu stellen - braucht mehr als nur eine Skill-Bibliothek. Es benötigt ein Kompetenzmanagement 4.0, welches einen aktiven, gestaltenden Beitrag zur Unternehmenssteuerung und -entwicklung leistet.
Es reicht nicht mehr, die aktuell notwendigen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu definieren, zu beurteilen und zu entwickeln. Vielmehr geht es darum, zukünftige Anforderungen bereits im Vorfeld zu berücksichtigen, Veränderungen vorwegzunehmen und rechtzeitig aktiv zu entwickeln, so dass die richtigen Kompetenzen jederzeit zur Verfügung stehen. So wird aus der Personalentwicklung aktive Unternehmensentwicklung.
Werte und Metakompetenzen
Es gilt aber auch, den Fokus neu zu setzen. Während früher das Kompetenzmanagement doch eher fachlich-methodisch geprägt war, wird durch die steigende Veränderungsgeschwindigkeit die Wissensverwaltung nicht mehr erfolgsentscheidend sein. In Zukunft sind wohl nicht einmal mehr klassische Sozial- und Selbstkompetenzen entscheidend. Vielmehr werden Werte und Metakompetenzen diesen Platz einnehmen. Das Kompetenzmanagement wird vom verwaltenden Ordnungsrahmen zum gestaltenden Orientierungsrahmen. Dementsprechend werden auch nicht mehr Anforderungsprofile für jede Funktion abgebildet. Dies ist in Anbetracht der unsicheren zukünftigen Ausgestaltung und generell der Unbekanntheit der zukünftigen Anforderungen bei vielen Funktionen nicht mehr zeitgemäss. Die Lösung liegt in der Abbildung von Rollen, welche flexibel angepasst und Mitarbeitenden zugeteilt werden können. Zudem werden weniger die expliziten Anforderungen definiert, sondern vor allem Stärken, Potenziale und notwendige Metakompetenzen bilden die Grundlage einer stärkenorientierten Sichtweise.
Schwerpunkte und Modularität
Die Konzentration auf das Wesentliche, bzw. der Reduktion auf Schwerpunkte ist dann auch eines der entscheidenden Elemente des Kompetenzmanagement 4.0. Waren und sind heute Kompetenzmodelle oft noch sehr umfangreich und darauf angelegt, möglichst alle unternehmerischen Aspekte und Funktionen zu berücksichtigen, wird es in Zukunft sinnvoll sein, sich zu fokussieren. Einerseits ist dies notwendig um die BANI-&VUKA-Welt überhaupt abzubilden, anderseits wird dadurch aber vor allem die Zeitdauer zur Modifikation von Kompetenzmodellen entscheidend verkürzt. Waren früher Kompetenzmodelle auf eine Dauer von fünf bis acht Jahren ausgelegt, so ist dies in der Zukunft nicht mehr zielführend. Eine dynamische Anpassung der Kompetenzen ist gerade in Bezug auf die rasch ändernden Digitalkompetenzen für viele Unternehmen überlebenswichtig. Werden die Kompetenzen zudem mit stabilen Wertvorstellungen kombiniert, entsteht ein Modell, das operatives Verhalten mit der strategischen Wirkung vereint. Durch die jährliche Überprüfung und Modifikation der Schwerpunkte durch geeignete Methoden wie Businesstreiber entsteht zudem automatisch ein direkter Bezug zur Strategie.
Individualität vor Benchmark
Nur wer entwicklungsorientiert und zukunftsorientiert agiert, wird das Unternehmen und den Markt aktiv gestalten. Der rückwärtsgerichtete Vergleich oder die Abbildung von allgemeingültigen Kompetenzen und Skills entsprechen nicht der modernen Sicht einer stärkenorientierten Unternehmens- und Mitarbeiterführung. Auch die klassische Trennung in Mitarbeitenden- und Führungskompetenzen ist nicht mehr zeitgemäss. Neue Organisationsformen müssen nicht nur berücksichtigt, sondern aktiv unterstützt werden. Führung ist nicht mehr klassisches Management, sondern wird als Leadership neu definiert. Verantwortung und Entscheidungen sind nicht mehr hierarchisch begründet, sondern werden flexibel und situativ wahrgenommen. Dadurch erhöht sich die individuelle Identität eines jeden Unternehmens. Die Unternehmenskultur, die Unternehmens-DNA und der Purpose stehen gerade auch beim Kompetenzmanagement 4.0 im Zentrum.
Stolperstein Prozesse und Software
Doch selbst wenn die strategischen Weichen für ein zukunftsorientiertes, dynamisches und modernes Kompetenzmanagement 4.0 gestellt werden, folgt leider meist die Ernüchterung in der Umsetzung. Als Kernelement der kompetenzbasierten Unternehmensführung kommt dem Kompetenzmanagement entscheidende Bedeutung in Rekrutierung und Auswahl, Beurteilung und Entwicklung, aber auch im Bereich Talent-Management und Laubahnplanung zu. Doch gerade durch diese Verzahnung sind in der Praxis kurzfristige Anpassungen der Prozesse und Modelle oft nur schwerfällig möglich. Ein weiteres Problem ist die Abbildung solcher modularen und dynamischen Modelle und Ansätze in der HR-Software. Leider folgt das Kompetenzmanagement (noch zu) oft den schwerfälligen Vorgaben einer standardisierten verwaltungsorientierten IT-Lösung.
Schwerpunkte setzen, auch in den Prozessen
Um diesem Dilemma zu entkommen, bewährt sich in der Praxis, dass nicht nur bei Kompetenzmodellen mit Schwerpunkten gearbeitet werden sollte, sondern auch in den Prozessen. Eine Fokussierung auf die geschäftskritischsten Prozesse (z.B. bei starkem Wachstum auf das Talent-Management, bei Umstrukturierungen auf das Performance-Management) oder auch die Fokussierung auf bestimmte Schlüsselrollen im Unternehmen (Projektleiter, Spezialisten, Führungskräfte) kann rasche und relevante Erfolge ermöglichen. Durch regelmässige Reviews werden Werte- und Kompetenzmodelle und Prozesse stetig optimiert und wertvolle Erkenntnisse gewonnen. Durch die Reduktion gewinnt man zudem an Klarheit und Transparenz, was vor allem für die Kommunikation entscheidend ist. So wird aus einem meist ungeliebten und wenig Mehrwertstiftenden Verwaltungsprozess ein Instrument, welches der Linie hilft, zukünftige Ziele zu erreichen und das Unternehmen aktiv mitzugestalten.