HR Coaching: Die besten Coachingfragen für Personaler

Personalarbeit ist besonders in den letzten Jahren komplexer und anspruchsvoller geworden. Heute sind Sonderprojekte, Umstrukturierungsprozesse, Stress und Spezialaufgaben der Alltag eines Personalverantwortlichen. Personaler werden mehr und mehr gefordert, ein Problem situationsgerecht zu lösen.

13.10.2023 Von: Diana Roth
HR Coaching

HR Coaching

Lösungskompetenz ist die gefragteste Fähigkeit unserer Arbeitswelt. Oftmals sucht ein Mitarbeiter einen Personalverantwortlichen mit der Bitte um das Zeigen von Lösungsvarianten auf.

«Sie sind Personalverantwortlicher: Lösen Sie mein Problem!»

Das ist eine weitverbreitete Meinung, wenn es um das Coaching durch die HR-Abteilung geht. D.h., der Mitarbeiter sucht eigentlich eine Beratung resp. einen Ratschlag. Damit strebt er eher ein Fachcoaching (die Lösung eines Sachproblems) an.

Nicht zu verwechseln mit dem Fallcoaching oder dem persönlichen Coaching, welche eine lösungsorientierte, zeitlich begrenzte Form der Unterstützung darstellen. Aufgrund von Reflexionsfragen bietet es Hilfe zur Selbsthilfe und zeigt dadurch selbstverantwortliche Handlungsoptionen auf, die schlussendlich den Ratsuchenden in seiner Eigenverantwortung stärken.

Im Coaching gibt es kein richtig oder falsch, sondern nur ein passend oder nicht passend. Daher sind die ursachenorientierten Fragen stark reduziert einzusetzen. Ein Personaler als Coach der Mitarbeiter nimmt eine doppelte Rolle ein, die herausfordernd und tatsächlich sehr schwierig ist.

Das Wort «Coaching» wird sehr oft missverstanden. In grossen Unternehmen wird dies sehr häufig auch als Instrument genutzt, um Mitarbeitende «zu einer bestimmten Leistung/Verhalten zu pushen».

Aber ein HR Coaching betrifft nie eine Leistungssteigerung, sondern immer das Finden eines passenden Verhaltensmusters. Dabei haben Sie als Personaler nur vier zentrale Aufgaben:

  • Die passenden Fragen zu stellen
  • Aktives Zuhören bewusst und gut einzusetzen
  • Gekonnt zu paraphrasieren (Wiederholen der Antworten/Zusammenfassen)
  • Führung des Gesprächs und damit des Prozesses

Nur so wird das Bewusstsein des Fragestellers, hier des Mitarbeitenden, befähigt, seine eigenen Lösungen zu finden. Sie werden damit klarer, greifbarer und können dann eigenverantwortlich umgesetzt werden.

Ein Prozess, der nicht künstlich beschleunigt werden kann. Dabei belässt der Personalverantwortliche die Problemlösung beim Mitarbeiter. Er gibt jedoch den Anstoss (Fragen) für die Problemlösung und ist damit für den Prozess verantwortlich. Der Mitarbeiter ist jedoch verantwortlich für die Problemlösung. Damit entfällt der Zwang, dass der Personalverantwortliche laufend neue Ideen zur Problemlösung dem Mitarbeiter präsentieren muss. Das hat einen weiteren grossen Vorteil: Damit wird das Selbstvertrauen des Mitarbeitenden gestärkt, denn er findet seine eigene Lösung.

Für diesen Prozess muss der Personalverantwortliche Zeit und Geduld aufwenden. Und oftmals werden Sie feststellen, dass Sie selbst hier nicht helfen können. Aber das «nur» aufmerksame Zuhören hat bereits eine hohe Qualität, die den Mitarbeiter schlussendlich befähigt, weitere Schritte vorzunehmen.

Interessant ist auch, dass die Ist-Zustände oftmals vehement verteidigt werden. Und dabei ist es wichtig zu wissen: Personaler können oft die Probleme der Mitarbeitenden weder tiefgehend verstehen noch lösen. Und das müssen sie auch nicht. Steve de Shazer sagt: «Problem talking creates problems, solution talking creates solutions.»

Hier die besten Fragen für Personaler

Damit die nachstehenden Fragen nicht zu theoretisch wirken, gehen wir von einem typischen Fall im HR aus. Ein Mitarbeiter kommt zu Ihnen als Personaler. Er zeigt ein derzeitiges Teamproblem auf. Er möchte von Ihnen einen Rat, wie er vorgehen soll.

Wenn Sie es schaffen, dass der Mitarbeiter Ihre paraphrasierten Sätze – trotz Loopingschleifen – nicht korrigiert, dann haben Sie bereits den ersten Schritt zu einer erfolgreichen Lösungsfindung eingeleitet.

Analysefragen, die eine rückblickend problemorientierte Sichtweise erfragen

1. Was ist konkret passiert?

2. Was hat das bei Ihnen ausgelöst?

3. Wie würde ein Aussenstehender die mir gerade beschriebene Situation beschreiben?

4. Was war das erste Anzeichen des Problems?

5. Wer ist alles in welcher Form von dem geschilderten Problem betroffen?

6. Wer nicht?

7. Auf wen ist denn das Problem zurückzuführen?

8. Welche/r Mitarbeiter/in hat hier mehr, wer weniger Anteil, dass das so eskaliert?

9. Welchen Part hat Ihre Führungskraft in dem Ganzen?

10. Wo liegen Ihrer Meinung nach die Gründe für ihr Problem?

11. Welche Vor- und Nachteile hat dieses Problem?

12. Wem nutzt das Problem?

13. Wann ist es schon einmal besser gewesen und was haben Sie anders getan, damit es besser war?

14. Wann tritt das Problem mit X stärker auf und wann weniger stark?

15. Haben Sie in den letzten 5 Jahren ein ähnlich negatives Erlebnis gehabt?

16. Was ist der wahre Grund, dass Sie von mir hier eine Lösung abfragen?

Zukunfts-, Verhaltens- und zielorientierte Fragen

17. Was soll in Zukunft wie konkret anders sein?

18. Was denken Sie, ist denn die allerschlechteste Lösung des Problems?

19. Was darf denn eine wirklich gute Lösung hier keinesfalls auslösen?

20. Was muss ich vom HR beachten, wenn ich mit Ihnen nach einer passenden Lösung jetzt suche?

21. Was haben Sie denn bisher schon gemacht, um dieses Problem zu lösen?

22. Welche Kriterien muss eine gute Lösung erfüllen, damit diese für Sie als Mitarbeiter dieses Teams auch wirklich eine gute Lösung ist?

23. Woran würden Sie erkennen, dass das Problem nicht mehr da ist?

24. Woran würden die Teammitglieder erkennen, dass das Problem nicht mehr besteht?

25. Wer würde es als Erstes erkennen? Wer als Zweites?

26. An welchem Verhalten von X würden Sie bemerken, dass dieses genannte Ziel erreicht wäre?

27. Wie können Sie diesen Kollegen ändern? Können Sie ihn überhaupt ändern?

28. Wie schätzen Sie die Änderungsbereitschaft eines jeden Einzelnen ein?

29. Wie schätzen Sie Ihre Änderungsbereitschaft ein?

30. Wie müsste ich mich denn verhalten, wenn ich in Ihrem Team arbeite, damit ich das Problem auch auslöse?

31. Woran würde ich als Teammitglied gleich sehen, dass das ein Problem ist?

32. Welches Verhalten zeigt die Führungskraft in der Problemsituation, welches der Situation zuträglich ist?

33. Was hindert Sie im Moment daran, sich anders zu verhalten?

Massnahmenorientierte Fragen

34. Was müsste wer in Ihrer Abteilung tun, damit dieses Problem gelöst werden könnte?

35. Was müssten vor allem Sie als Teammitglied und Mitarbeiter ab morgen anders tun?

36. Was sind die Beweggründe dieses Vorschlags?

37. Wie können Sie garantieren, dass es dann erfolgversprechender ist?

38. Was sind die 3 Punkte, die dafür sprechen?

39. Welche 3 Punkte sprechen gegen dieses Vorgehen?

40. Was wollen Sie konkret dagegen unternehmen, dass der Mitarbeiter sich auch weiterhin so verhält?

41. Welche Verhaltensweise werden Sie auf jeden Fall beibehalten, wenn Sie Ihr Ziel erreicht haben?

42. Auf welches Verhalten werden Sie zukünftig verzichten?

43. Was können Sie tun, damit das Ganze nicht noch schlimmer wird?

44. An welchem Verhalten merkt dieser Mitarbeiter ganz genau, dass Sie Ihr Ziel erreicht haben?

45. Angenommen, Sie verhalten sich ab sofort so – wie würde dann Ihre Führungskraft reagieren?

46. Welchen Schritt müssten Sie hinnehmen (nicht ändern), damit das Problem gar nicht erst entstehen kann?

47. Was bedeutet Teamarbeit für Sie in diesem Fall?

48. Welche Teamaufgabe sehen Sie hier prioritär?

49. Was brauchen Sie von mir als Personaler in dieser Situation?

50. Was werden Sie tun?

51. Bis wann werden Sie nun Schritt 1 vornehmen?

52. Wie kann ich Sie dabei genau unterstützen?

53. Welches Ergebnis werden Sie dann konkret haben?

54. Wie werden Sie die Nachhaltigkeit der Lösung sicherstellen?

Zum Abschluss des HR Coachinggesprächs

55. Was war für Sie der Wendepunkt zwischen dem geschilderten Teamproblem und der tatsächlichen Lösung?

56. Was hat für Sie besonders zur Lösung des Teamproblems beigetragen?

Abschliessend die 4 wichtigsten Spielregeln in einem HR Coaching

  1. Absolute Verschwiegenheit und damit Verweigerung von Auskünften gegenüber den Vorgesetzten.
  2. Der Mitarbeiter hat recht und wird ernst genommen. Wir streiten nicht mit ihm, was er nun gesagt oder getan hat. Das HR Coachinggespräch dient einzig und allein dem Mitarbeiter. Das bedeutet nichts anderes, als dass Sie als Personalverantwortliche die erlebte Wirklichkeit des Mitarbeitenden anerkennen.
  3. Das HR Coachinggespräch ist keine Plauderstunde. Sie als Personalverantwortliche müssen hier Ihre Rolle benennen und den Prozess lenken. Und hier muss der Fokus in der Ziel- und Lösungsorientierung liegen, weg von der Problemschilderung.
  4. Der Mitarbeiter erarbeitet die Lösungen.

Zum Schluss ein Herz-Blut-Personalerinnen-Tipp: Tappen Sie nicht in die Beratungsfalle! Wer während des Gesprächs zwischen Beratung und Coaching hin und her springt, läuft Gefahr, in seiner Coachingkompetenz nicht ernst genommen zu werden, und gefährdet die eigenverantwortliche Zielfindung des Gegenübers. Es gilt: «Hilfe zur Selbsthilfe!»

Newsletter W+ abonnieren