Green HR: Nachhaltiges Personalmanagement oder Greenwashing?

Führungsparadigmen, Arbeitsplätze und Skillsets sind im Wandel und so auch das organisationale Verantwortungsverständnis der Gesellschaft und deren «blauem Planeten» gegenüber. Umweltverträgliches Produzieren reicht nicht mehr aus: Es braucht eine naturverbundene Unternehmenskultur gestützt und flankiert von einem nachhaltigen Personalmanagement — Green HR. Alles nur Marketing und Image-Politur oder ein weiterer Schritt in die neue Zukunft?

25.07.2023 Von: Sonja Kupferschmid Boxler, Pascal Dimitri Ruchti
Green HR

Organisationen trugen schon seit jeher gesellschaftliche Verantwortung – Stichwort Corporate Social Responsibility (CSR). Früher bauten Unternehmen Parks, öffentliche Verkehrsmittel oder Wohnungen. Sie zahlten in kommunale Kassen, sorgten für Arbeitsplätze und somit für finanziellen Wohlstand einer Stadt, einer Region und einer gesamten Nation. Heutzutage sind dies politisch definierte Must-haves, welche das verantwortungsbewusste Wirtschaften einer Firma neu definieren: Angesichts der grassierenden Klimaproblematik ist Nachhaltigkeit eines der wichtigsten Kriterien sowohl für Arbeitgebende als auch Arbeitnehmende. Green HR, also grünes Personalmanagement, bietet Möglichkeiten für wirksame Strategien, mit denen Beschäftigte aktiv in naturbewahrende Massnahmen eingebunden werden, wodurch umweltfreundliches Verhalten gefördert und gefestigt wird.

Green HR: Nachhaltigkeit meets HR

Was hat Nachhaltigkeit mit HR zu tun? Vieles, wenn man die aktuelle Debatte rund um dieses Thema verfolgt, denn «Grün-Sein» ist kein Parteipolitikum, sondern eine gesamtglobale, gesellschaftliche Aufgabe. Green HR ist zu verstehen als akademisches Teilgebiet der ökologischen Unternehmensführung und fokussiert die Umsetzung nachhaltiger Überlegungen im Rahmen der Organisations- und Personalkultur (Osranek & Zink, 2014). Die intuitive Konnotation, dass nur noch Velofahrende und Leinenstofftragende in einem modernen Betrieb eingestellt werden, ist schlicht zu kurz gegriffen und banalisiert einen immer schon da gewesenen Faktor: gelebte Kultur im Arbeitskontext. So eröffnet Green HR lediglich eine neuere Wertediskussion, einen weiteren Wert in einem stetig vorangetriebenen, omnipräsenten Diskurs rund um die organisationale Wertehaltung. Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein sollen in alle Aspekte integriert werden, so auch im Personalwesen, ganz im Sinne der holokratischen, also ganzheitlichen und alles einbeziehenden Geschäftsphilosophie.

Tarnanstrich – Grün-Sein als Camouflage

Grün ist völlig im Trend und wird gegenwärtig oftmals zu Marketingzwecken missbraucht. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Nachhaltigkeit ist nicht mehr nur ein subkulturelles Ideal, sondern einer der wichtigsten Werte der jüngeren Generationen. Um diese beispielsweise zum Kauf eines Geräts zu animieren, werben Firmen aus allen Branchen mit ökologischen Argumenten. Sie gaukeln meist etwas vor, was hinter den Kulissen nicht gelebt wird. Genau das ist Greenwashing. Auf solche Image-Polituren sind viele Menschen heutzutage sensibilisiert, weshalb Greenwashing im öffentlichen Diskurs meist nur noch peinlich erscheint und aufgrund fehlender Authentizität boykottiert wird. Um eben diese Glaubwürdigkeit aufzubauen und zu wahren, ist es wichtig, dass sich nicht nur die Geschäftsführung und die Personalabteilung Nachhaltigkeit auf die Flagge schreiben, sondern dass ein Bewusstsein für ökologisches Handeln im gesamten Unternehmen verankert wird. Eine solche Verankerung gelingt nur, wenn Organisationen Grundlagen schaffen, um Werte zu diskutieren, diese zu erneuern und umzusetzen. Green HR ist diesbezüglich nicht als ressourcenschonendes Personalwesen zu verstehen, sondern als unerlässliches «Spielfeld», um organisationale Leitlinien menschenzentriert zu erarbeiten.

Ackerbau – grundlegende Vorarbeiten

Um als Betrieb sein Personalwesen zu «begrünen», bedarf es vorerst grundlegender Vorarbeiten – quasi der Ackerbau, bevor die Saat gepflanzt wird. Denn wie in der Natur ist auch in der Geschäftswelt die Basis oder eben die Grundlage das Zünglein an der Waage. Als grösstes Artefakt einer solchen Grundlage zählt die Organisationskultur. Sie vermittelt und fördert gelebte Grundhaltungen (im Inneren wie auch gegen aussen), entspricht der Vision des Betriebs und gilt als wichtiger Identifikationspunkt für Arbeitnehmende. Das Personal einer Firma ist der eigentliche Schatz, der, wenn er sich mit organisationalen Werten identifizieren kann, den springenden Punkt für ein zukünftiges Gelingen im Unternehmen darstellt. Dieser Schatz benötigt zärtliche und auf die VUCA-Welt abgestimmte Pflege. Eine Erhebung von Handelsblatt Media und StepStone aus dem Jahr 2019 konnte zeigen, dass für drei Viertel (76%) von über 12 000 Befragten die Nachhaltigkeit von potenziellen Arbeitgebenden einen sehr hohen Stellenwert einnimmt (StepStone 2019). Wenn also eine Firma in ihrer Organisationskultur die Nachhaltigkeit nicht verankert hat, läuft diese Gefahr, zukünftige Arbeits- und Fachkräfte zu verlieren respektive nicht anzuwerben. Angesichts des vorherrschenden Fachkräftemangels wäre dies ein personalstrategisches Debakel. Arbeitskräfte brauchen Sinnerleben und Erfüllungsgefühle, um motiviert und engagiert zu sein. Sinnerleben meint nicht nur sinnvolle Arbeit, sondern sinnvolle Arbeit in einem sinngebenden Kontext, in welchem die eigenen Werte vertreten sind.

Pures HR: Werte entwickeln, festigen und leben

Geteilte Werte und gelebte Kultur sind somit fundamentale Pfeiler im Erbauen einer nachhaltigen Firmen-DNA. Die Werteentwicklung allerdings ist eine Frage des Einbeziehens der Menschen, der Partizipation. Wenn Werte top-down aufgetragen werden, verlieren diese ihre Wirkung, verwässern die Glaubhaftigkeit der Organisation und finden schlussendlich nicht auf der Handlungsebene statt. Die Entwicklung von Werten, Normen und Leitlinien ist ein wichtiger Transformationsprozess, keine auf Knopfdruck ausgelöste Veränderung, sondern ein Prozess zur Weiterentwicklung. Dabei gilt Nachhaltigkeit nicht als unternehmensstrategisches oder marketingtechnisches Ziel, sondern als Personalvision, als gesamtes, obliegendes Ziel der Firma. Solche Ziele müssen dabei agil sein und fortlaufend neu verhandelt werden (Nerdinger, 2014). Und genau so kommt Green HR auf die Agenda. Die Instrumente einer HR-Abteilung sind dabei unerlässlich, um Werte beispielsweise durch transparente Partizipation zu entwickeln, diese durch gelebte Organisationskultur zu festigen und auf allen Stufen, in allen Abteilungen zu leben. Nachhaltigkeit ist HR-Arbeit in ihren Grundzügen.

Mehr Mehrwert

Die Vorteile einer überzeugenden, durch Inklusion und Partizipation erreichten ökologischen Organisationskultur, welche nicht nur kommuniziert, sondern gelebt wird und zum Handeln befähigt, sind riesig. Und zwar für alle erdenklichen Parteien: die Firma und deren Image, das Geschäftsbudget, die Mitarbeitenden und die Kundschaft sowie unsere einzigartige Natur und ihre Zukunft, alle profitieren.

Es ist kein Geheimnis, dass Arbeitskräfte, welche sich mit der Firma identifizieren, dabei mitbestimmen und mitmachen können, welche Werte gelebt werden, glücklichere und dadurch gesündere sowie motiviertere Menschen sind. Sich um das Wohlbefinden von Mitarbeitenden zu kümmern, gute Arbeitskräfte zu rekrutieren und diese zu halten, zählt zu den Aufgaben von Personalverantwortlichen. Ebenso dazu gehören auch das Implementieren einer ökologischen Haltung und die Verankerung einer ressourcenschonenden Geschäftsphilosophie. Das HR sollte nicht länger «grün hinter den Ohren» bleiben und endlich Green HR betreiben.

 

Literatur:
Nerdinger, Friedmann, W. (2014): Organisationsklima und Organisationskultur. In: Arbeits- und Organisationspsychologie (3. Aufl.). Wiesbaden: Springer.
Osranek, Regina & Zink, Klaus, J. (2014): Corporate Human Capital and Social Sustainability of Human Resources. In: Sustainability and Human Resource Management. Heidelberg: Springer.
StepStone & Handelsblatt Media Group (2019): Verfügbar unter: www.stepstone.de/e-recruiting/wissen/nachhaltigkeit/

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