Boni: Wann ist eine Rückforderung zulässig?
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Praxisbeispiel zur Rückforderung ausbezahlter Boni
Zur Veranschaulichung der Problematik dient folgendes Beispiel: Frau Schneider arbeitet bei einer Bank. Sie hat ein fixes Grundgehalt und erhält darüber hinaus jährlich einen ermessensabhängigen Bonus in beträchtlicher Höhe zugesprochen. Das Bonusreglement sieht vor, dass die bereits ausbezahlten Boni während einer Periode von drei Jahren unter gewissen Umständen zurückgefordert werden können. Ein Rückforderungsgrund stellt unter anderem die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch Frau Schneider dar. Frau Schneider, die nun seit über zehn Jahren für die Bank tätig ist, möchte sich neu orientieren und kündigt daher das Arbeitsverhältnis per Ende 2022. Ihr Arbeitgeber, der über die Kündigung wenig erfreut ist, beruft sich auf das Bonusreglement und fordert von Frau Schneider die in den letzten drei Jahren ausbezahlten Boni in der Höhe von insgesamt CHF 150 000.– zurück.
Zulässigkeit von Rückforderungsklauseln
Aufgeschobene Vergütungsanteile sind insbesondere in der Finanzbranche üblich und auch sinnvoll, da sie risikoreiche Entscheide zur kurzfristigen Gewinnmaximierung nicht belohnen, sondern nachhaltige und längerfristig ausgelegte Strategien incentivieren. Für Unternehmen, welche der Finanzmarkaufsicht unterstehen, macht die FINMA sogar ausdrücklich entsprechende Vorgaben. Gleichzeitig dienen solche Modelle der Mitarbeiterbindung.
Während das Aufschieben der Auszahlung von variablen Vergütungsanteilen etablierte Praxis darstellt und unter den nachfolgend dargestellten Bedingungen zulässig ist, geht die Rückforderung bereits ausbezahlter Boni wesentlich weiter, handelt es sich dabei doch um bereits ausgerichtetes, bereits versteuertes und unter Umständen bereits ausgegebenes Einkommen.
Es gäbe deshalb gute Gründe, die Rückforderung bereits ausgerichteter variabler Vergütungsanteile anders zu behandeln als den Verfall noch nicht ausgerichteter Bonusanwartschaften. Dennoch sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen bei beiden Konstellationen gemäss höchstrichterlicher Rechtsprechung im Grundsatz identisch: Handelt es sich beim variablen Vergütungsanteil um eine freiwillige, ermessensabhängige Gratifikation im Sinne von Art. 322d OR, kann sowohl deren Ausrichtung als auch deren Rückforderung an Bedingungen geknüpft werden; beispielsweise an die Vorgabe, dass die/der Mitarbeitende das Arbeitsverhältnis nicht vor einem gewissen Zeitpunkt kündigt. Handelt es sich demgegenüber beim Bonus um einen Lohnbestandteil, kann dieser Anspruch gemäss konstanter Praxis des Bundesgerichts nicht an die Bedingung des ungekündigten Arbeitsverhältnisses geknüpft werden.
Unterscheidung Gratifikation/Lohnbestandteil
Damit stellt sich die Frage nach dem Unterscheidungsmerkmal zwischen freiwilliger Gratifikation und variablem Lohnbestandteil. Die Rechtsprechung dazu ist reich und nicht immer widerspruchsfrei. Im Sinne einer Faustregel gilt Folgendes:
Lässt sich der Bonus anhand einer zum Voraus bestimmten Summe oder anhand einer klaren Berechnungsformel bestimmen, ohne dass dem Arbeitgeber dabei ein gewisses Ermessen eingeräumt wird, handelt es sich um einen Lohnbestandteil. Typische Beispiele dafür sind Beteiligungen am Umsatz oder Gewinn (Art. 322a OR) oder Provisionsansprüche, welche sich nach den abgeschlossenen Geschäften bemessen (Art. 322b OR).
Bei solchen Ansprüchen ist deshalb eine Rückforderung bereits ausbezahlter Vergütungen grundsätzlich ausgeschlossen, selbst wenn eine Rückzahlung beim Eintritt bestimmter Bedingungen vereinbart worden ist. Genauso unzulässig ist in solchen Fällen die vertragliche Abrede, wonach der Bonus nur im ungekündigten Arbeitsverhältnis geschuldet sei.
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Steht dem Arbeitgeber bei der Bemessung und/oder Zusprache des Bonus demgegenüber ein gewisses Ermessen zu, handelt es sich um eine Gratifikation und demzufolge eine freiwillige Leistung. Sowohl die Auszahlung als auch die Rückforderung kann in diesen Fällen an bestimmte Bedingungen geknüpft werden, namentlich auch an das Erfordernis des ungekündigten Arbeitsverhältnisses. In der Praxis besteht die Tendenz, dass insbesondere untere Gerichtsinstanzen die Anforderungen an das Ermessen des Arbeitgebers sehr tief halten. Für ausreichend zur Annahme eines Ermessens wurde beispielsweise schon – trotz klarer Berechnungsformel – der Zustimmungsvorbehalt zur Ausrichtung des Bonus durch den Verwaltungsrat gehalten. Regelmässig führen individuelle Bonusziele, welche nicht strikt auf Umsatz oder Gewinn ausgerichtet werden, zur Annahme einer Gratifikation, da dem Arbeitgeber bei der Beurteilung der Zielerreichung ein gewisses Ermessen zukommt.
Praxistipp für Arbeitgeber: Stellen Sie sicher, dass sich das Unternehmen ein gewisses Ermessen vorbehält für die Auszahlung bzw. Berechnung des Bonus, damit eine Rückforderungsklausel durchsetzbar ist.
Good Leaver vs. Bad Leaver
Sowohl der Verfall aufgeschobener Vergütungsanteile als auch die Rückforderung bereits ausgerichteter Boni steht regelmässig im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dabei stellt sich die Frage, ob sich die/der Mitarbeitende gegen den Verfall bzw. die Rückforderung von Gratifikationen erfolgreich zur Wehr setzen kann, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch die Mitarbeiterin/den Mitarbeiter verursacht oder gar verschuldet wurde, beispielsweise im Falle einer betriebsbedingten Kündigung infolge Reorganisation. Während diese Frage bei aufgeschobenen Vergütungsanteilen kaum Anlass zu Diskussionen gibt, da die noch nicht ausgerichteten Boni oft einfach verfallen, drängt sich die Frage umso mehr bei vertraglichen Rückzahlungsverpflichtungen bereits ausgerichteter Boni auf: Ist es vertretbar, dass eine bereits ausgerichtete Bonuszahlung zurückerstattet werden muss, wenn die/der Mitarbeitende als «Good Leaver» qualifiziert, d.h. wenn ihr/ihm ohne verschuldeten Anlass gekündigt wird, oder wenn sie/er das Arbeitsverhältnis aus einem vom Arbeitgeber zu verantwortenden Anlass kündigt? Die wohl herrschende Lehre hält dies nicht für sachgerecht, und analog verhält es sich ja auch beispielsweise mit der Rückforderung bereits geleisteter Weiterbildungsvergütungen: Nur dann, wenn die/der Mitarbeitenden als sog. «Bad Leaver» den Arbeitgeber verlässt, indem sie/er das Arbeitsverhältnis selbst ohne vom Arbeitgeber verschuldeten Anlass kündigt oder indem sie/er die Kündigung des Arbeitgebers selbst verschuldet, ist die Weiterbildungsvergütung (anteilmässig) zurückzuerstatten. Die Autoren dieses Beitrags pflichten der herrschenden Lehre bei, wenn diese fordert, dass dies auch für die Rückzahlungsverpflichtungen im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gelten muss.
Praxistipp für Arbeitnehmer: Wenn Sie von einer Rückforderung betroffen sind, fordern Sie die geleisteten Sozialversicherungsbeiträge zurück und klären Sie mit den Steuerbehörden die Rückabwicklung der auf der zurückgeforderten Vergütung geleisteten Steuern.
Lösung des Praxisbeispiels
Zusammenfassend kann das eingangs erwähnte Beispiel von Frau Schneider wie folgt kommentiert werden: Vorausgesetzt, es handelte sich bei den an Frau Schneider ausgerichteten Boni um eine Gratifikation im Sinne von Art. 322d OR, also um eine ermessensabhängige freiwillige Leistung des Arbeitgebers, muss sie die CHF150 000.– tatsächlich zurückerstatten, da sie das Arbeitsverhältnis ohne vom Arbeitgeber zu verantwortenden Anlass vor Ablauf der kritischen Dreijahresfrist kündigte.