Arbeitsunfähigkeit melden: Konsequenzen fehlerhafter Krankheitsmeldungen
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Sachverhalt / Hintergrund
Mit Arbeitsvertrag vom 25. April 2019 stellte die A AG (Arbeitgeberin, Beschwerdeführerin) den B (Arbeitnehmer, Beschwerdegegner) per 2. Mai 2019 als Inserate-Akquisiteur mit einem Bruttomonatslohn von CHF 4000.– zuzüglich allfälliger Provision an.
Mit Schreiben vom 27. April 2020 teilte die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer mit, sie betrachte das Arbeitsverhältnis (rückwirkend) per 24. März 2020 durch fristlose Kündigung des Arbeitnehmers als beendet, da er seit diesem Tag nicht mehr zur Arbeit erschienen sei. Die Arbeitgeberin machte geltend, der Arbeitnehmer habe zuerst mitgeteilt, er beziehe vier Tage Ferien, danach sei er aber weder zur Arbeit erschienen, noch habe er sich bei ihr gemeldet oder seine Arbeitsunfähigkeit melden lassen. Das einen Monat später zugestellte Arztzeugnis vom 16. April 2020 komme ihr suspekt vor.
Mit Klage machte der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Lohnfortzahlung vom 24. März 2020 bis 8. Oktober 2020 geltend. Der Einzelrichter erwog, weil die Arbeitgeberin die Krankheit des Arbeitnehmers nicht an die D (Taggeldversicherung) gemeldet habe, sei sie im Umfang der von der D verweigerten Krankentaggeldleistung für den Zeitraum vom 23. April 2020 bis 8. Oktober 2020 schadenersatzpflichtig. Zum Schadenersatzanspruch komme die während der Wartefrist von der Arbeitgeberin ohnehin zu leistende Lohnfortzahlung hinzu. Hiergegen erhob die Arbeitgeberin Berufung und unterlag. Nach Durchlaufen der gerichtlichen Instanzen reichte A eine Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht ein. Dieses entschied mit Urteil vom 11. April 2023 (BGer-Urteil 4A_159/2023).
Relevante Rechtsbestimmungen
Im Beitrag ausgeführt.
Entscheid des Bundesgerichts (gekürzt)
4. Umstritten ist die Arbeitsunfähigkeit des Beschwerdegegners im Zeitraum vom 24. März 2020 bis zum 25. Oktober 2020.
4.1. Die Vorinstanz erwog, die Ausführungen der Beschwerdeführerin genügten nicht, um die erstinstanzliche Würdigung – der Beschwerdegegner sei im streitgegenständlichen Zeitraum arbeitsunfähig gewesen – zu erschüttern. Als einziges Indiz für den gegenteiligen Standpunkt der Beschwerdeführerin komme ihr Hinweis infrage, das hausärztliche Zeugnis über die Arbeitsunfähigkeit des Beschwerdegegners sei erst drei Wochen nach Beginn der attestierten Krankheit ausgestellt worden. In die Beweiswürdigung der Erstinstanz seien indessen weitere Beweismittel eingeflossen. Zum einen die E-Mail-Korrespondenz zwischen dem Beschwerdegegner und E (Arbeitnehmerin bei der Beschwerdeführerin). Daraus ergebe sich namentlich, dass der Beschwerdegegner davon habe ausgehen dürfen, seine Krankheitsmeldung sei bei der Beschwerdeführerin angekommen und von dieser akzeptiert worden. Zudem habe die Erstinstanz auch berücksichtigt, dass die D die Krankheit des Beschwerdegegners ausdrücklich und durchgehend anerkannt habe. Es genüge nicht, der D vorzuwerfen, sie habe ohnehin bis zum 8. Oktober 2020 nichts bezahlen müssen und habe ihren Leistungsumfang auf 551 Tage schmälern können.
Unbehelflich sei schliesslich der Hinweis der Beschwerdeführerin auf die Offerte eines Gerichtsgutachtens betreffend die ärztlichen Bescheinigungen. Zum einen habe die Erstinstanz unter der Berücksichtigung der E-Mail- Korrespondenz keine berechtigten Zweifel am hausärztlichen Zeugnis haben müssen, insbesondere auch deshalb nicht, weil die Arbeitsunfähigkeit nicht nur vom Hausarzt, sondern auch von der F AG bestätigt worden sei. Dabei sei unbehelflich, dass in deren Zeugnissen teilweise die Arbeitsbezeichnung «Koch» verwendet worden sei. Die F AG betreibe das Zentrum im Auftrag der G. Wenn ein solches Zentrum eine Arbeitsunfähigkeit bestätige, sei davon auszugehen, dass psychische Leiden vorherrschten und die berufliche Tätigkeit nicht massgebend sei. Zum anderen sei nicht ersichtlich und lege die Beschwerdeführerin auch nicht dar, inwiefern ein Gutachter das hausärztliche Zeugnis sinnvoll hätte überprüfen bzw. ein anderes Beweisergebnis über die Krankheit des Beschwerdegegners hätte bewirken können. Die Frage eines Gutachtens stelle sich jedoch sowieso nicht, da keine Zweifel an den Zeugnissen bestünden.
4.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz äussere sich zur Frage, ob der Beschwerdegegner arbeitsunfähig gewesen sei, äusserst knapp und nicht nachvollziehbar. Soweit sie damit eine Verletzung der Begründungspflicht rügt, ist ihre Rüge offensichtlich unbegründet. Die Vorinstanz hat ausführlich dargelegt, weshalb sie die Arbeitsunfähigkeit des Beschwerdegegners mit der Erstinstanz als erstellt erachtet. Eine sachgerechte Anfechtung des vorinstanzlichen Entscheids war ohne Weiteres möglich.
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