Marktlohn: Eine Gefährdung der internen Lohngleichheit?
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Kurzfristiger Marktlohn (Arbeitsmarkt)
Will ich auf dem Arbeitsmarkt eine Fachkraft rekrutieren, muss ich einen aktuell marktgerechten Lohn bezahlen. Ansonsten werde ich keinen Rekrutierungserfolg haben. Das klingt logisch. Der kurzfristige Marktlohn schwankt mehr oder weniger stark um den langfristigen Markt-/Funktionslohn. Dies stellt Firmen und insbesondere die HR-Abteilungen immer wieder vor grosse Herausforderungen.
In Zeiten mit ausgeprägtem Fachkräftemangel fordern Kandidatinnen und Kandidaten oft bedeutend höhere Löhne, als man aktuellen Stelleninhabern für die identische Funktion bezahlt. Akzeptiert man die höheren Lohnforderungen, gefährdet man damit gleichzeitig die interne Lohngerechtigkeit. Erfahren die internen Fachkräfte, dass die «Neuen» mehr verdienen als die «Bisherigen», sind Frustration und innere Kündigung vorprogrammiert. Der Weg bis zur «echten» Kündigung ist nicht mehr weit.
Die internen Löhne werden selten systematisch erhöht, wenn kurzfristiger Fachkräftemangel besteht. Schliesslich werden die Löhne in Krisenzeiten ja auch nicht einfach so gesenkt. Dies zeigt, die Höhe des Lohns ist nicht nur von der reinen kurzfristigen Marktlogik abhängig. Haben wir hier eine Art Marktlohn-Dilemma?
Temporäre Arbeitsmarktzulagen
Was können Firmen tun? Gibt es ein geeignetes Rezept? Eine Möglichkeit: Kennt man die aktuellen «Hot Jobs» auf dem Arbeitsmarkt, können mit vertraglich fixierten und reglementierten Arbeitsmarktzulagen die Löhne zeitlich befristet an den kurzfristigen Marktlohn angeglichen werden.
Aus unserer Erfahrung wird das Instrument der temporären Arbeitsmarktzulage in der Schweiz selten eingesetzt. Eigentlich schade, denn damit könnten Firmen ungewollte Kündigungen von Fachkräften vermeiden, ohne die Lohnsumme nachhaltig zu erhöhen. Wichtig ist, dass die Arbeitsmarktzulage an ganze Funktions-/Berufsgruppen und sowohl an neu eingestellte als auch an bereits im Arbeitsverhältnis stehende Personen ausbezahlt wird. Damit kann sichergestellt werden, dass der Grundsatz «gleicher Lohn für gleiche Arbeit» auch längerfristig eingehalten wird.
Die temporäre Arbeitsmarktzulage sollte nur punktuell und bei kurzfristig «überhitztem» Arbeitsmarkt eingesetzt werden. Empfehlenswert ist, diese Art der Zulage bezüglich maximaler Dauer und Höhe zu reglementieren und auf der Lohnabrechnung gesondert auszuweisen. Die Arbeitsmarksituation muss periodisch von einem dafür geeigneten Gremium und anhand relevanter Indikatoren (z.B. Fluktuation, Stellenmarkt-Monitor Schweiz, Fachkräftemangel-Index Schweiz, Swiss Job Market Index, Konjunkturprognosen …) neu beurteilt werden.
Nicht geeignet ist die temporäre Arbeitsmarktzulage, um strukturelle Lohnprobleme zu lösen. Verdienen z.B. Lehrpersonen in einem Kanton weniger als in einem anderen, dann sollten die Lohnbänder resp. die Bruttolöhne angepasst werden. Mit einer zeitlich befristeten Zulage wird das Problem nur aufgeschoben und nicht nachhaltig gelöst.
Recherchen im Internet lassen vermuten, dass insbesondere in der Verwaltung und im Gesundheitswesen versucht wird, das Problem zu tiefer Löhne mit temporären Arbeitsmarktzulagen zu lösen. Es fällt auf, dass gerade in diesen Branchen Lohnskalen oft durch die Politik fixiert und nicht regelmässig mittels funktionsbasierter Salärvergleiche auf Marktkonformität geprüft werden.
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Langfristiger Markt-/Funktionslohn
Der langfristige Markt-/Funktionslohn zeigt an, welche Löhne Mitarbeiter*innen in einer bestimmten Funktion betriebsintern tatsächlich verdienen. Er ist robust und verändert sich über die Jahre nur langsam. Der Einfluss von konjunkturellen Schwankungen ist gering. In den letzten Jahrzehnten ist der langfristige Markt-/Funktionslohn in der Schweiz tendenziell immer gestiegen. Anhand eines Salärvergleichs kann der langfristige Markt-/Funktionslohn zuverlässig ermittelt werden.
Wovon ist die Höhe des langfristigen Marktlohns für eine bestimmte Funktion abhängig? Oft werden z.B. folgende Differenzierungsfaktoren in Lohnstatistiken erwähnt:
- Firmengrösse
- Branche
- Region
- Umsatz
- Kaderstatus
- Geschlecht
Lohnstatistiken können aus unserer Erfahrung zu ganz falschen Schlüssen und Meinungsbildungen führen, da hier selten «Äpfel mit Äpfeln» verglichen werden. Nicht in jeder Firma und in jeder Branche hat man dieselben Fachkräfte (Funktionen), in derselben Anzahl und mit denselben Anforderungsprofilen. Nur mit einer differenzierteren Analyse unter Berücksichtigung der Personalstruktur kann hier etwas mehr Licht ins Dunkel gebracht werden.
Gleiches mit Gleichem vergleichen
Lohnstatistiken suggerieren uns immer wieder, dass man in gewissen Branchen mehr verdient als in anderen. So heisst es z.B.: «deutlich über dem Medianlohn liegen die Löhne in Branchen wie der Informationstechnologie, der Pharmaindustrie oder der Finanzbranche». Ein simpler Vergleich des in einer Branche bezahlten Medianlohns ist jedoch untauglich, um eine robuste Aussage darüber zu machen, was man für eine gleichwertige Arbeit in Branche A oder B verdient.
Auch die Firmengrösse ist ein beliebtes Kriterium für die Begründung von Lohnunterschieden: «in kleinen Unternehmen verdient man weniger als in grossen». Ebenfalls ist beim Vergleich von Löhnen nach «Funktionstiteln» grösste Vorsicht geboten. Die Anforderungen an einen CFO eines kleinen Unternehmens sind nicht vergleichbar mit denen eines Grosskonzerns. Drei vertiefte Analysen der Löhne in der Realwirtschaft (Quelle: Landolt & Mächler, Salärvergleich 2022), welche die konkrete Funktion, Stellenanforderung und Häufigkeit berücksichtigen, zeigen sehr geringe Lohndifferenzen (siehe Box).
Fazit
Für Unternehmen lohnt es sich zu wissen, wie viel Angestellte in anderen Firmen für vergleichbare Jobs verdienen. Dazu eignen sich funktionsbasierte Salärvergleiche. Zusätzlich ist es wichtig, die relevanten «Hot Jobs» auf dem Arbeitsmarkt zu kennen. Mit diesen langfristigen und kurzfristigen Marktinformationen sind Firmen gut gerüstet, um auf dem Arbeitsmarkt die gewünschten Personen zu finden und langfristig ans Unternehmen zu binden.
Weder Firmengrösse noch Branchenzugehörigkeit haben bei den analysierten Lohndaten aus der Realwirtschaft einen massgebenden Einfluss. Was zählt, ist die Funktion und deren Wert auf dem Arbeitsmarkt! Informatiker und Finanzexperten benötigt man in jedem Unternehmen, ganz egal, aus welcher Branche. Will man diese Fachkräfte erfolgreich rekrutieren und in der Firma halten, muss man ein im Einzugsgebiet (Region) konkurrenzfähiges Angebot machen.
Und zu guter Letzt: Lohn allein macht nicht glücklich! Menschen suchen sinnvolle Arbeit, eine zeitgemässe Unternehmenskultur und beurteilen ihr Jobangebot auch aufgrund nicht monetärer Nebenleistungen. Seien Sie kreativ und hören Sie genau hin, was Ihrem Personal oder Bewerberinnen und Bewerbern wichtig ist.