Lohntransparenz umsetzen: Wie viel Transparenz erträgt ein Unternehmen?
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Lohntransparenz umsetzen
Wollen wir nicht alle Transparenz im Leben? Verlangen wir nicht von allen Regierungsebenen maximale Transparenz gegenüber uns Bürgern? Weitestgehend bestehen wir auf Transparenz – dort, wo wir ebenbürtig sind. Doch gilt dieses Prinzip auch im Berufsleben, wo es eine eindeutige Hierarchie gibt und eine klare Rollenteilung mit unbestreitbaren Subordinationsverhältnissen?
Der Arbeitsmarkt hat sich vom Arbeitgebermarkt zum Arbeitnehmermarkt entwickelt. Der akute Fachkräftemangel begünstigt diese Entwicklung. In diesem hart umkämpften Markt entscheiden sich immer mehr Unternehmen für mehr Lohntransparenz. Diese Unternehmen haben richtig erkannt, dass Lohntransparenz viele Vorteile mit sich bringen kann. Falsch umgesetzt kann es aber zu einem Lohnchaos mit unabsehbaren Folgen für die Mitarbeiterzufriedenheit führen.
Wieso Lohntransparenz?
Mit der Offenlegung von (Teilen) der Lohnpolitik bzw. der Löhne selbst signalisiert ein Unternehmen den Stellenwert von Fairness und Gleichbehandlung. Wir wissen aus Studien, dass eine wahrgenommene interne Lohnungerechtigkeit viel demotivierender ist, als wenn die Löhne tiefer sind im Vergleich zu Konkurrenzunternehmen. Mitarbeitende wollen fair vergütet werden. Daher kann jede Form von Lohntransparenz, die diese Fairness kommuniziert, im Grundsatz die Mitarbeiterzufriedenheit erhöhen und auf dem hart umkämpften Rekrutierungsmarkt dem Unternehmen eine bessere Wettbewerbsposition verschaffen. Das Arbeitgeberimage wird geboostet. Jeder will in einem fairen Unternehmen arbeiten.
Eine zentrale Frage dabei ist, ob mehr Lohntransparenz automatisch auch mehr Lohngerechtigkeit bedeutet. Meines Erachtens ist das nicht zwingend der Fall. Lohntransparenz umsetzen kann zu mehr Lohngerechtigkeit führen, muss aber nicht. Und Lohntransparenz allein erhöht die Lohngerechtigkeit nicht. Entscheidend, um von mehr Lohntransparenz zu profitieren, sind die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, sowie das richtige Vorgehen und das richtige Ausmass der Transparenzpolitik.
Insofern die Voraussetzungen gegeben sind und eine transparente Lohnpolitik eingeführt wird, als Teil der Vergütungs- und HR-Strategie, mit einem Transparenzgrad, der zur Unternehmenskultur passt, dann führt sie tatsächlich zu mehr Lohngerechtigkeit. Die Mitarbeitenden spüren die Authentizität des Fairnessversprechens und seine konkrete Umsetzung. Dies erhöht die Mitarbeiterzufriedenheit, die Mitarbeiterbindung, verbessert das Arbeitsklima und erhöht letztendlich die Produktivität und senkt fluktuationsbedingte Kosten.
Grundsätze der Lohntransparenz
Es gibt keine allgemeingültigen Regeln für die Lohntransparenz, jedoch haben sich gewisse Grundsätze etabliert:
- Lohntransparenz umsetzen, ist eine strategische Entscheidung mit weitreichenden Folgen. Sie muss zwingend an der HR- und Lohnstrategie ausgerichtet sein.
- Form und Grad der Lohntransparenz hängen ab von:
– Anzahl Funktionen bzw. Job-Diversität im Unternehmen
– Branche
– Unternehmens- und Führungskultur
– Kultureller Diversität in multinationalen Unternehmen
Unter Beachtung dieser Grundsätze gilt es, Nutzen und Chancen der Lohntransparenz gut zu eruieren und abzuwägen. Es gibt grosse Chancen, aber auch grosse Gefahren. Jedes Unternehmen sollte für sich beantworten, wieso sie mehr Lohntransparenz anstrebt, was sie zu erreichen wünscht und welche Chancen verpasst werden beim Status quo.
Formen der Lohntransparenz und Transparenzgrad
Wir können zwei Aspekte von Lohntransparenz unterscheiden – die prozedurale Lohntransparenz und die Ergebnistransparenz. Bei der prozeduralen Transparenz legt das Unternehmen offen, wie es zu Lohnentscheidungen kommt bzw. welche Faktoren entscheidend sind für die Lohnbestimmung. Bei der Ergebnistransparenz macht das Unternehmen die tatsächlichen Löhne der Mitarbeitenden für alle zugänglich oder in aggregierter und anonymisierter Form.
Der Transparenzgrad ist das Ausmass der Offenlegung. Der maximale Transparenzgrad für die Ergebnistransparenz ist dann, wenn jeder Mitarbeitende die Löhne sämtlicher Mitarbeitenden, inkl. der Geschäftsleitung einsehen kann. Einige Unternehmen haben die totale Lohntransparenz eingeführt und haben viel Aufmerksamkeit und Bewunderung erhalten. Ist das nun der Königsweg?
Meine Antwort ist eindeutig «Nein». Einige der Unternehmen mit totaler Lohntransparenz weisen sehr spezifische Eigenschaften auf wie z.B. eine stark homogene Belegschaft, die Löhne sind für die meisten per GAV ganz klar geregelt, oder es handelt sich um einen Familienbetrieb, wo der CEO Alleinaktionär ist und am Ende der Gewinn auch ihm zukommt. Unter diesen Umständen ist eine totale Lohntransparenz möglich, da 90% der Mitarbeitenden ohnehin ungefähr den gleichen Lohn haben mit nur minimalen Abweichungen, die meist von Ausbildung und Alter abhängen und im GAV geregelt sind. Also ein Unternehmen, das nur sehr wenig Spielraum bei den Löhnen hat! Ganz anders sieht es in einem Unternehmen aus, das z.B. 50 verschiedene Jobs hat und die individuellen Löhne abhängig sind von der Leistung, Qualifikation, Seniorität, je nach Job unterschiedlicher Knappheit auf dem Markt, dem Ergebniseinfluss der Funktion, Mobilität etc.
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Wie viel Lohntransparenz ist für Ihr Unternehmen richtig?
Das Unternehmen möchte mehr Lohntransparenz umsetzen. Sie haben nun den Auftrag, einen Vorschlag zu machen. Wie gehen Sie vor? In diesem Abschnitt zeige ich Ihnen, welche Schritte Sie befolgen müssen und welche Fragen geklärt werden müssen.
Voraussetzungen
- Lohntransparenz heisst auch nachvollziehbare Lohnpolitik. Sie brauchen als Grundvoraussetzung ein faires, objektives Lohnmodell mit:
• Funktionsbewertungen
• Funktionsstufen
• Lohnbändern
• Regeln zur individuellen Lohnbestimmung innerhalb des Lohnbands - Transparenz muss echt und glaubwürdig sein. Voraussetzung ist eine offene und ehrliche Kommunikationskultur im Unternehmen. Nur dann ist das Fairnessversprechen zur Lohnpolitik glaubwürdig.
- Eine Führungskultur, die nicht bloss autoritär ist, sondern eine mit Coaching, Fürsorge, Entwicklung. Dazu zählt ehrliches und korrektes Feedback als wesentliches Merkmal.
- Lohntransparenz darf nicht alleinstehend sein, sondern muss als Teil einer allumfassenden Vergütungspolitik und als Teil einer HR-Strategie betrachtet werden, in welcher der Schutz der persönlichen Integrität, die Gleichbehandlung und der Respekt im Zentrum stehen.
Vorgehen
- Entwicklung und Einführung eines fairen Lohnsystems mit nachvollziehbaren Kriterien. Am besten eignet sich ein Modell, das alle Funktionen nachvollziehbar analytisch und objektiv anhand einheitlicher Kriterien bewertet.
- Einführung von intern gerechten und marktkonformen Lohnbändern und Regeln, wie Löhne bestimmt werden.
- Prozedurale Transparenz wird erreicht durch eine konkrete Beschreibung des Lohnmodells.
- Ergebnistransparenz wird umgesetzt, indem die Lohnbänder mit Minimum, Midpoint und Maximum offengelegt werden, mitsamt der Beschreibung, wie diese entstanden sind, und der Periodizität der Überprüfung.
- Zielgruppengerechte Kommunikation: Es gilt, die gute Absicht des Unternehmens zu kommunizieren sowie die unternommenen Schritte für mehr Lohngerechtigkeit und Lohntransparenz (z.B. Überprüfung der Löhne auf Fairness und Marktkonformität – in der Regel von einer unabhängigen externen Vergütungsberatungsfirma).
Ausmass der Transparenz
Unabdingbar für jedes Unternehmen ist die Existenz der prozeduralen Lohngerechtigkeit, konkret also die Beschreibung des Lohnmodells inkl. der Bewertung aller Funktionen, das resultierende Funktionsstufenmodell, die resultierenden Lohnbänder und die Regeln für die Positionierung des einzelnen Mitarbeitenden im entsprechenden Lohnband.
Ergebnistransparenz: Abhängig von der Unternehmenskultur kennt jeder nur sein Lohnband oder sämtliche Lohnbänder. Für das Funktionsstufenmodell ist zu bestimmen, ob nur exemplarisch die bekanntesten Funktionen abgebildet werden oder das komplette Modell mit allen Funktionen offengelegt wird. Generell wird davon abgeraten, jeden einzelnen Lohn offenzulegen. Eine Entscheidung für die totale Ergebnistransparenz sollte daher sehr gut überlegt sein.