Lohngleichheit in der Schweiz: Herausforderung zwischen Gesetz und Marktrealität
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Gleichstellungsgesetz – equal pay for work of equal value
Das Gleichstellungsgesetz sowie die Verfassung fordern «Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit». Das heisst, dass nur die Stellenanforderung und nicht der konkrete Beruf/die Funktion relevant ist. Wenn also z.B. Informatiker*innen EFZ auf dem Schweizer Arbeitsmarkt mehr verdienen als Schreiner*innen EFZ, dann ist dies bei der internen Lohngleichheitsanalyse nicht relevant, da diese Berufe als gleichwertig betrachtet werden. Der konkrete Beruf resp. die Funktion sowie der Arbeitsmarkt werden also quasi ausgeblendet.
Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit. Damit fordert der Gesetzgeber etwas, das Firmen kaum einhalten können. Sie müssen marktkonforme Löhne für alle Berufe/Funktionen bezahlen, wenn sie erfolgreich Mitarbeitende rekrutieren und binden wollen. Das Gleichstellungsgesetz blendet den Arbeitsmarkt (Angebot und Nachfrage) aus. Diese Ausblendung der wirtschaftlichen Realität ist ein erheblicher staatlicher Eingriff in den Markt für Fachkräfte. Für Firmen ist es schwierig, einerseits die Lohngleichheit in der Schweiz einzuhalten – berechnet nach dem Grundsatz der Gleichwertigkeit – und andererseits marktgerechte Löhne für ihre unterschiedlichen Jobs zu bezahlen. Es gibt noch einen weiteren verzerrenden Effekt bei der Lohngleichheitsanalyse. In der Schweiz gibt es regionale Lohnunterschiede, welche selbst in vielen GAV verankert sind. Bei der aktuellen Berechnung der Lohngleichheit in der Schweiz wird dies jedoch nicht berücksichtigt. Hat eine Firma beispielsweise Mitarbeitende in Zürich und in Mendrisio, dann sollten diese für gleichwertige Arbeit gleich viel verdienen. Dies entspricht nicht der Realität auf dem Arbeitsmarkt.
Die Auswertung der Daten aus dem Lohnvergleich 2024 von Landolt & Mächler zeigt, dass die tatsächlichen Marktlöhne für gleichwertige Funktionen zwischen +16% und –13% innerhalb einer Region streuen. Berücksichtigt man noch die regionalen Lohnunterschiede, liegen diese Werte sogar zwischen +22% und –16% (siehe Abb. 1). Da besteht Verbesserungspotenzial bei der Art und Weise, wie wir die Lohngleichheit in der Schweiz in Zukunft definieren und berechnen. Wird die Lohngleichheit eingehalten, bedeutet das übrigens noch lange nicht, dass innerhalb einer Firma Lohngerechtigkeit besteht und die Löhne marktkonform sind. Die bei der Lohngleichheitsanalyse angewendete Berechnungsmethode vergleicht vereinfacht gesagt die durchschnittlichen Löhne von Frauen und Männern für gleichwertige Arbeit. Vergleicht man die Löhne einzelner Personen in gleichen oder gleichwertigen Funktionen, können in derselben Firma trotzdem sehr grosse Unterschiede resp. eine Lohndiskriminierung bestehen. Das birgt Potenzial für negative Schlagzeilen oder Lohndiskriminierungsklagen, wenn echte Lohntransparenz gefordert wird oder Mitarbeitende ihre Löhne vergleichen.
Lohngleichheit in der Schweiz: Market Pay Equity
Die Berechnungsmodelle und Kriterien zum Nachweis der Lohngerechtigkeit sollten realitätsbezogen definiert werden. Als Zielsetzung könnte beispielsweise folgender Grundsatz gelten: Faire und marktkonforme Löhne für alle! Angestellte sollten geschlechtsunabhängig marktübliche Löhne für die ausgeübte Tätigkeit/ Funktion erhalten – kurz: gleicher Marktlohn für gleiche Arbeit. Dieser Ansatz würde unser Bildungssystem (Berufslandschaft) sowie die wirtschaftliche Realität auf dem Schweizer Arbeitsmarkt bestmöglich berücksichtigen.
Gegenüber der heutigen Berechnungsmethode der internen Lohngleichheit in der Schweiz gemäss Gleichstellungsgesetz müssten für einen Nachweis der «Market Pay Equity» sinnvolle Toleranzwerte für den zulässigen «Market Pay Gap» und den «Gender Pay Gap» definiert werden.
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Würde eine Firma beide Toleranzwerte einhalten, wäre dies ein glaubwürdiger Nachweis, dass das Unternehmen faire und marktgerechte Löhne bezahlt. Ein entsprechendes Zertifikat «Market Pay Equity» wäre ein sehr wertvolles Label zur Stärkung der Arbeitgebermarke.
Was wäre ein sinnvoller Toleranzwert? Schwierig, denn es gibt keinen exakten und wissenschaftlich belegbaren Wert für eine zulässige Toleranz. Eine Marktlohnanalyse kann nie alle lohnrelevanten Merkmale vollständig berücksichtigen. Um diese statistischen Ungenauigkeiten aufzufangen, wurde bei der Lohngleichheitsanalyse in der Schweiz und auch in der EU eine Toleranzschwelle von 5% eingeführt. Das ergibt Sinn, denn: Der Arbeitsmarkt ist ständig in Bewegung. Die Löhne sind abhängig von Angebot und Nachfrage. Mitarbeitende erbringen unterschiedliche Leistungen. Firmen stehen in Konkurrenz und müssen ihre Finanzen im Griff haben. Nicht vergessen sollte man auch nicht monetäre Nebenleistungen, welche in einer zahlenbasierten Analyse kaum korrekt berücksichtigt werden können. Basierend auf Erfahrungswerten aus mehreren Tausend Lohnanalysen erachten wir eine Toleranzschwelle von 5% beim «Market Pay Gap» und beim «Gender Pay Gap» auch als sinnvollen Grenzwert.
Trend zu mehr Lohntransparenz
Lohntransparenz wird immer wichtiger. Die Forderung nach transparenten Lohnbändern und Lohnangaben in Stelleninseraten wird immer lauter. Firmen tun gut daran, sich frühzeitig darauf vorzubereiten, ihre Löhne zu analysieren und bestehende Ungerechtigkeiten zu korrigieren. Damit sind sie «ready for tomorrow». Wenn Lohntransparenz in der Schweiz einmal «salonfähig» oder gar gesetzlich vorgeschrieben wird – was im Juni 2023 in der Europäischen Union mit den Entgelttransparenz- Richtlinien bereits beschlossen wurde –, sollten keine unerklärbaren Ungleichheiten bei den Löhnen für gleiche oder vergleichbare Tätigkeiten mehr vorhanden sein. Ansonsten leidet das Image einer Firma als fairer Arbeitgeber, und es drohen Lohndiskriminierungsklagen.
Fazit
Das aktuelle Gleichstellungsgesetz und die damit verbundene Pflicht zur Durchführung einer internen Lohngleichheitsanalyse für Firmen mit mindestens 100 Angestellten hat nachweislich eine Verbesserung gebracht. Gleichzeitig besteht weiterhin auch grosses Verbesserungspotenzial. Mit den aktuellen Berechnungsmodellen werden sich die Löhne der Frauen aber kaum mehr verändern. Der Arbeitsmarkt wird ausgeblendet.
Es braucht neue Ansätze für den Nachweis einer fairen Lohnpolitik, welche sowohl die wirtschaftliche Realität in der Schweiz, als auch die konkrete Funktion besser berücksichtigen. Zudem sollte es auch für Firmen mit weniger als 100 Angestellten möglich sein, eine entsprechende Analyse durchzuführen. Der hier vorgestellte Ansatz «Market Pay Equity» zeigt einen möglichen Weg in die Zukunft, mit vielen Vorteilen für Firmen und deren Angestellte.