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Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer: Was Arbeitgeber beachten müssen

Einem Mitarbeiter wurde elf Monate vor der Pensionierung gekündigt. Das Bundesgericht musste sich im Urteil 4A_117/2023 vom 15. Mai 2023 mit dem Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer und der Frage befassen, ob diese Kündigung als missbräuchlich zu qualifizieren ist. Ebenso damit, ob der Arbeitgeber seine Fürsorgepflicht verletzt hat, indem er keine sozialverträglichen Alternativen zur Kündigung prüfte.

11.11.2024 Von: David Schneeberger
Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer

Sachverhalt / Hintergrund 

A (Arbeitgeber, Beschwerdeführer) ist Inhaber des im Handelsregister eingetragenen Einzelunternehmens «X». B (Arbeitnehmer, Beschwerdegegner) arbeitete während rund 30 Jahren als Koch im Restaurant Y, zuletzt als stellvertretender Küchenchef. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis am 16. Juni 2020 schriftlich per Ende August 2020. Diese Kündigung erfolgte rund elf Monate vor der Pensionierung des damals 64-jährigen Arbeitnehmers. 

Nach einem gescheitertem Schlichtungsversuch klagte der Arbeitnehmer beim Arbeitsgericht Zürich gegen den Arbeitgeber. An der Instruktionsverhandlung vom 18. Januar 2022 wurde ein Teilvergleich über die Überstunden geschlossen. Danach blieb streitig, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung und Lohnersatz schuldet. Nach Durchlaufen der gerichtlichen Instanzen reichte A eine Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht ein. Dieses entschied mit Urteil vom 15. Mai 2023 (BGer-Urteil 4A_117/2023).

Relevante Rechtsbestimmungen

Im Beitrag ausgeführt.

Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer: Entscheid des Bundesgerichts (gekürzt)

3. 

Umstritten ist, ob die Kündigung vom 16. Juni 2020 als missbräuchlich zu qualifizieren ist.

3.1. Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis kann von jeder Vertragspartei unter Einhaltung der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfrist gekündigt werden (Art. 335 Abs. 1 OR). Damit gilt das Prinzip der Kündigungsfreiheit. Es bedarf grundsätzlich keiner besonderen Gründe, um kündigen zu können. Ihre Grenzen findet die Kündigungsfreiheit im Missbrauchsverbot. 

Der sachliche Kündigungsschutz knüpft grundsätzlich am Motiv der Kündigung an. Die Missbräuchlichkeit kann sich aber auch aus der Art und Weise ergeben, wie die kündigende Partei ihr Recht ausübt. Auch wenn eine Partei die Kündigung rechtmässig erklärt, muss sie das Gebot schonender Rechtsausübung beachten. Sie darf insbesondere kein falsches und verdecktes Spiel treiben, das Treu und Glauben krass widerspricht. Ein krass vertragswidriges Verhalten, namentlich eine schwere Persönlichkeitsverletzung im Umfeld einer Kündigung, kann diese als missbräuchlich erscheinen lassen. Demgegenüber genügt ein bloss unanständiges, einem geordneten Geschäftsverkehr unwürdiges Verhalten des Arbeitgebers nicht, um die Kündigung als missbräuchlich erscheinen zu lassen. Es ist nicht Aufgabe der Rechtsordnung, bloss unanständiges Verhalten zu sanktionieren. 

3.2. Die Erstinstanz hatte erwogen, der Arbeitsvertrag des damals 64-jährigen Beschwerdegegners sei nach einer Dienstzeit von rund 30 Jahren gekündigt worden. Diese Kündigung nur elf Monate vor der Pensionierung habe dem mindestens teilweise arbeitsunfähigen Beschwerdegegner praktisch verunmöglicht, bis zur Pensionierung eine neue Stelle zu finden. Dies sei auch für den Beschwerdeführer offenkundig gewesen. Deshalb hätte der Beschwerdeführer den Beschwerdegegner rechtzeitig zur Kündigung anhören und nach Lösungen zur Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses suchen müssen. 

3.3. 

3.3.1. Im kantonalen Verfahren brachte der Beschwerdeführer vor, die C AG habe den Parteien am 17. März 2020 geschrieben, die Leistungen der Krankentaggeldversicherung seien per 23. Mai 2020 ausgeschöpft. Dieses Schreiben sei als Vorwarnung für die Kündigung zu verstehen gewesen. Auf diesen Einwand entgegneten die Vorinstanzen, der Beschwerdegegner habe nach der jahrzehntelangen Zusammenarbeit nicht mit einer Kündigung rechnen müssen, nur weil die Einstellung der Krankentaggeldzahlungen in Aussicht gestellt worden sei. 

3.3.2. Der Beschwerdeführer brachte weiter vor, die Kündigung sei nicht unerwartet gekommen, nachdem die Sperrfrist von 180 Tagen gemäss Art. 336c Abs. 1 lit. b OR abgelaufen gewesen sei. Auch dieses Argument verwarfen die Vorinstanzen, indem sie erwogen, der Beschwerdegegner habe nach Ablauf der Sperrfrist nicht mit einer Kündigung rechnen müssen, zumal das Arbeitsverhältnis rund 30 Jahre gedauert habe und er nur elf Monate vor der Pensionierung gestanden sei. 

3.3.3. Der Beschwerdeführer hatte schon im kantonalen Verfahren geltend gemacht, die Kündigung habe es dem dauernd arbeitsunfähigen Beschwerdegegner ermöglicht, nach der Einstellung der Krankentaggeldzahlungen einer massiven Lohneinbusse zu entgehen und den fehlenden Lohnersatz bei einer Sozialversicherung einzufordern. Dazu erwogen die Vorinstanzen, selbst wenn die Kündigung für den Beschwerdegegner die finanziell günstigste Lösung gewesen wäre, hätte dies den Beschwerdeführer nicht von seiner Pflicht entbunden, zusammen mit dem Beschwerdegegner nach einer sozialverträglicheren Alternative zur Kündigung zwecks Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses zu suchen, zumal der Beschwerdegegner nicht voll arbeitsunfähig gewesen und vor der Kündigung nicht krankgeschrieben gewesen sei.

3.3.4. Der Beschwerdeführer brachte vor, er sei auf ein voll funktionierendes Team angewiesen gewesen, weshalb die Kündigung aus betrieblichen Gründen unabdingbar gewesen sei. Diese Argumentation überzeugte die Vorinstanzen nicht. Sie hielten fest, gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung verlange eine Kündigung nach langer Dienstdauer und kurz vor der Pensionierung stets eine schonende Rechtsausübung. 

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