Kündigungsschutz bei arbeitsplatzbezogener Arbeitsunfähigkeit: Wegweisende Entscheidung des Bundesgerichts
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Der dem Bundesgerichtsentscheid zugrunde liegende Sachverhalt
Der Arbeitnehmer A (nachfolgend Arbeitnehmer), geboren 1964, war seit dem 1. Mai 1997 als Ausbilder bei der Schweizer Armee tätig. Ab dem 1. Juli 2020 übte er eine Funktion im Stab des Kommandos Ausbildung (im Folgenden: Arbeitgeberin) aus. Zuletzt hatte er den Rang eines Oberstleutnants erreicht.
Am 19. Januar 2021 teilte der Arbeitnehmer der Arbeitgeberin mit, dass er eine Nebenbeschäftigung als Vorstandsmitglied des Vereins zur Unterstützung und Förderung der Patrouille des Glaciers (ASPdG) ausübe. Die Arbeitgeberin teilt nach Abklärungen dem Arbeitnehmer mit, dass er das Gesuch um Ausübung dieser Nebentätigkeit nicht annehmen könne: Ein Interessenkonflikt mit seiner aktuellen Funktion als Berufsoffizier könne nicht ausgeschlossen werden. Der Arbeitnehmer trat schliesslich aus dem Vorstand aus.
Anlässlich eines Gesprächs am 1. September 2021 teilte der Chef des Ausbildungskommandos dem Arbeitnehmer mit, dass er beabsichtige, das Arbeitsverhältnis innerhalb der ordentlichen Kündigungsfrist per 31. März 2022 zu beenden und ihn mit sofortiger Wirkung freizustellen. Die falschen oder unvollständigen Angaben im Zusammenhang mit der Nebentätigkeit als Vorstandsmitglied der ASPdG sowie weitere Versäumnisse hätten zu Vertrauensverlust geführt.
Der Arbeitnehmer reichte daraufhin ein Arztzeugnis ein, welches rückwirkend ab dem 25. August 2021 ausgestellt wurde. Der Arbeitnehmer war zunächst zu 50% und ab dem 2. September 2021 zu 100% arbeitsunfähig. Diese Arbeitsunfähigkeit bestand zum Urteilszeitpunkt noch immer.
Mit Beschluss vom 25. Mai 2022 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 30. November 2022 und stellte diesen mit sofortiger Wirkung frei. Im Wesentlichen wurde dem Arbeitnehmer vorgeworfen, jahrelang systematisch und offensichtlich gezielt falsche Informationen über seine Nebentätigkeit im Vorstand der ASPdG gegeben zu haben.
Gegen diesen Beschluss reichte der Arbeitnehmer beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde ein (erfolglos) und anschliessend auch beim Bundesgericht, ebenfalls erfolglos.
Erwägungen des Bundesgerichts zum Kündigungsschutz bei arbeitsplatzbezogener Arbeitsunfähigkeit
Im konkreten Fall hatte das Bundesgericht zu beurteilen, ob die Kündigung der Arbeitgeberin zur Unzeit, also während einer laufenden Sperrfrist, erfolgt war. Der Arbeitnehmer war zum Zeitpunkt der Kündigung noch immer arbeitsunfähig, was durch ein Arztzeugnis attestiert war. In casu war die Bundespersonalverordnung (BPV) anwendbar, da ein öffentlich-rechtliches Arbeitsverhältnis vorlag. Die Ausführungen des Bundesgerichts sind auf das privatrechtliche Arbeitsverhältnis (Art. 336c OR) ebenso anwendbar.
Gemäss Bundesgericht entfällt der Kündigungsschutz, wenn die Arbeitsunfähigkeit so unbedeutend ist, dass der Arbeitnehmer an einem anderen Ort arbeiten kann, oder wenn die Arbeitsunfähigkeit auf den Arbeitsplatz beschränkt ist.
Das Bundesgericht erwog im konkreten Fall, dass die Arbeitsunfähigkeit eng mit der Arbeitsstelle des Arbeitnehmers verbunden war. Aus den medizinischen Akten war zu entnehmen, dass der Arbeitnehmer Angst- und Depressionsstörungen hatte, welche durch problematische Situationen am Arbeitsplatz entstanden waren. Demnach wurde die Arbeitsunfähigkeit durch die Schwierigkeit am Arbeitsplatz beeinflusst. Im konkreten Fall ging das Bundesgericht daher von einem Konflikt aus, welcher arbeitsplatzbezogen war. Entsprechend waren die Sperrfristen nicht zu beachten, und die Arbeitgeberin durfte ordentlich kündigen. Aus diesem Grund war der Anspruch des Arbeitnehmers nicht ausgewiesen, und die Klage wurde abgewiesen.
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