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Nichteinhaltung von Kündigungsfristen: Ein Gerichtsentscheid

Ein Mitarbeiter wurde scheinbar in der Probezeit entlassen und entsprechend freigestellt. Daraufhin bot er seine Arbeit an und merkte erst später, dass die Kündigung mit nahezu sofortiger Wirkung unzulässig gewesen wäre. Dagegen monierte er und verlangte die Nachzahlung des Lohns. Das Bundesgericht musste sich im Urteil 4A_356/2022 vom 20. Dezember 2022 der Frage widmen, inwiefern die Arbeit angeboten werden muss, wenn sich der Arbeitgeber im Irrtum über die Nichteinhaltung von Kündigungsfristen befand.

08.07.2024 Von: David Schneeberger
Nichteinhaltung von Kündigungsfristen

Sachverhalt / Hintergrund

Die A bezweckt die Herstellung von sowie den Handel mit chemischen und technischen Produkten, insbesondere Lacken und Farben. B wurde als «Chief Human Resources Officer» bei der finnischen A Group Oy angestellt. Es handelt sich dabei um die Holding-Gesellschaft der A-Gruppe und die Muttergesellschaft der Arbeitgeberin. Er trat die Arbeitsstelle am 14. August 2017 an. Im Arbeitsvertrag vom 10. Juli 2017 vereinbarten die Parteien eine Probezeit von sechs Monaten und einen Monatslohn von EUR 11 520.–. Der Hauptarbeitsort lag am Sitz der damaligen Arbeitgeberin in Helsinki, wo dem Arbeitnehmer eine Wohnung zur Verfügung gestellt wurde.

In der Folge wurde das Anstellungsverhältnis auf die Arbeitgeberin überführt. Der neue Arbeitsvertrag vom 1. Oktober 2017 (nachfolgend: schweizerischer Arbeitsvertrag) ersetzte den ursprünglichen Arbeitsvertrag vom 10. Juli 2017 (nachfolgend: finnischer Arbeitsvertrag). Nach übereinstimmender Ansicht beider Parteien sollte der schweizerische Arbeitsvertrag grundsätzlich nichts am Inhalt des finnischen Arbeitsvertrags ändern. Der Arbeitsort blieb in Helsinki, wo dem Arbeitnehmer weiterhin eine Wohnung zur Verfügung gestellt wurde. Im schweizerischen Arbeitsvertrag finden sich keine Bestimmungen zur Probezeit. Die Parteien vereinbarten einen Jahreslohn von CHF 174 000.–, der in zwölf monatlichen Raten zu CHF 14 500.– ausbezahlt werden sollte.

Am 13. November 2017 kündigte C das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer. Sie war damals CEO der A Group Oy und bei der Arbeitgeberin Verwaltungsrätin mit Einzelzeichnungsberechtigung. C und der Arbeitnehmer unterzeichneten ein Memorandum zum Kündigungsgespräch. Darin ist vermerkt, dass die Arbeitsverpflichtung des Arbeitnehmers am 13. November 2017 ende, dass er sofort sämtliche Gegenstände zurückgeben müsse, die ihm die Arbeitgeberin zur Verfügung gestellt habe, dass seine Benutzerkonten und E-Mails sofort gesperrt würden und dass er die Wohnung in Helsinki per sofort räumen und am 14. November 2017 um 14:00 Uhr zurückgeben müsse. Zudem übergab C dem Arbeitnehmer ein Ticket für einen Heimflug nach Spanien. Als der Arbeitnehmer am 14. November 2017 im Flugzeug sass, teilte er C in einer WhatsApp-Nachricht mit: «[...] if I could go back in time I would still come to work with you [...]».

Mit E-Mail vom 22. Dezember 2017 wandte sich die Rechtsvertreterin des Arbeitnehmers an C und machte geltend, die Probezeit sei am 13. November 2017 bereits verstrichen gewesen. Daher forderte sie gestützt auf Art. 337c OR von der Arbeitgeberin den Lohn für die Dauer der Nichteinhaltung von Kündigungsfristen von zwölf Monaten. Zudem verlangte sie wegen ungerechtfertigter fristloser Entlassung eine Entschädigung von maximal sechs Monatslöhnen oder CHF 87 000.–.

Der Rechtsvertreter der Arbeitgeberin antwortete mit E-Mail vom 9. Februar 2018 und gestand ein, dass sich C über die Probezeit geirrt habe und dass das Arbeitsverhältnis damals mit der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist hätte gekündigt werden müssen. Allerdings betrage diese nur sechs Monate. Ohnehin habe der Arbeitnehmer seine Arbeit nach der Kündigung vom 13. November 2017 nicht mehr angeboten, weshalb er keinen Anspruch auf den Lohn während der Kündigungsfrist habe. Es kam noch zu einem weiterem E- Mail-Austausch zwischen den beiden Parteivertretern.

Am 18. April 2018 leitete der Arbeitnehmer das Schlichtungsverfahren bei der Schlichtungsstelle für Arbeitsverhältnisse Rheintal ein. Angesichts des über CHF 100 000.– liegenden Streitwerts verzichteten die Parteien gemeinsam auf die Durchführung des Schlichtungsverfahrens (Art. 199 Abs. 1 ZPO).

Nach Durchlaufen der gerichtlichen Instanzen reichte A eine Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht ein. Dieses entschied mit Urteil vom 20. Dezember 2022 (BGer-Urteil 4A_356/2022).

Wichtige gesetzliche Bestimmungen

Art. 18 Abs. 1 OR

Bei der Beurteilung eines Vertrages sowohl nach Form als nach Inhalt ist der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten, die von den Parteien aus Irrtum oder in der Absicht gebraucht wird, die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen.

Art. 31 Abs. 1 OR

Wenn der durch Irrtum, Täuschung oder Furcht beeinflusste Teil binnen Jahresfrist weder dem anderen eröffnet, dass er den Vertrag nicht halte, noch eine schon erfolgte Leistung zurückfordert, so gilt der Vertrag als genehmigt.

Art. 335 Abs. 1 OR

Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis kann von jeder Vertragspartei gekündigt werden.

Art. 336c Abs. 1 OR

Nach Ablauf der Probezeit darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis während bestimmter Sperrfristen nicht kündigen.

Art. 337 Abs. 1 und 2 OR

Aus wichtigen Gründen kann der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer jederzeit das Arbeitsverhältnis fristlos auflösen; er muss die fristlose Vertragsauflösung schriftlich begründen, wenn die andere Partei dies verlangt. Als wichtiger Grund gilt namentlich jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein dem Kündigenden nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf.

Entscheid des Bundesgerichts zur Nichteinhaltung von Kündigungsfristen

3.

Im Berufungsverfahren war nur noch die Lohnforderung des Beschwerdegegners streitig. Die Erstinstanz hatte zusammengefasst erwogen, die Beschwerdeführerin habe am 13. November 2017 eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses beabsichtigt. Allerdings habe sie diese per sofort ausgesprochen, weil C einerseits irrtümlicherweise angenommen habe, es laufe noch die Probezeit von sechs Monaten, welche zwar im finnischen Arbeitsvertrag vereinbart worden, aber nicht in den schweizerischen Arbeitsvertrag übernommen worden sei, und weil andererseits nach finnischem Recht während der Probezeit die sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses zulässig gewesen wäre. Gemäss der Erstinstanz handelte es sich um eine vorzeitige Kündigung, die auf das nächstmögliche Kündigungsdatum zu interpretieren sei. Diesem Schluss pflichtet die Beschwerdeführerin ausdrücklich bei, und auch der Beschwerdegegner stellt dies in seiner Beschwerdeantwort nicht in Abrede. Es geht also nicht (mehr) um eine Entschädigung für eine ungerechtfertigte fristlose Kündigung (Art. 337 ff. OR), sondern um eine ordentliche, auf einen verfrühten Zeitpunkt ausgesprochene Kündigung (Art. 335 ff. OR).

Die Beschwerdeführerin stellt sich vor Bundesgericht auf den Standpunkt, der Beschwerdegegner habe ab dann keinen Anspruch mehr auf Lohn im laufenden Arbeitsverhältnis gehabt, als er in Kenntnis des andauernden Arbeitsverhältnisses und auch auf entsprechende Aufforderung ihrerseits nicht bereit gewesen sei, seine Dienste anzubieten.

3.1. Eine ordentliche Kündigung, welche die Kündigungsfrist oder den Kündigungstermin nicht einhält, entfaltet ihre Wirkung erst auf den nächsten gesetzlich bzw. vertraglich möglichen Termin. Um bis zu diesem Termin Anspruch auf Lohn zu haben, muss der Arbeitnehmer grundsätzlich entweder bis zu diesem Zeitpunkt arbeiten oder zumindest der Arbeitgeberin seine Arbeit ausdrücklich angeboten haben. Auch bei einer Verlängerung der Kündigungsfrist nach Art. 336c OR hat der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nach dem Wegfall des Verhinderungsgrunds anzubieten. Allerdings kommt der Arbeitgeberin eine Aufklärungspflicht zu, wenn sie bemerkt oder bemerken müsste, dass sich der Arbeitnehmer in einem Rechtsirrtum befindet und dadurch einen irreparablen Nachteil erleidet.

3.1.1. Gehörig ist das Angebot des Arbeitnehmers, wenn er die Arbeitsleistung persönlich, zur rechten Zeit, am rechten Ort und in geeigneter Weise anbietet. Das Angebot ist an keine Form gebunden. Die Arbeitgeberin muss jedoch nach Treu und Glauben aufgrund der Umstände klar erkennen können, dass der Arbeitnehmer die Absicht hat, seiner Arbeitspflicht nachzukommen. Grundsätzlich genügt ein tatsächliches Angebot durch Erscheinen am Arbeitsplatz. Fehlt es jedoch an einer Vorbereitungs- oder Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers, indem der Arbeitnehmer etwa keinen Zugang zum Arbeitsort mehr hat, kann der Arbeitnehmer seine Bereitschaft zur Erbringung der Arbeitsleistung auch mündlich oder schriftlich anbieten.

Das Arbeitsangebot des Arbeitnehmers ist wie die Freistellungserklärung des Arbeitgebers eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Für die Auslegung einseitig empfangsbedürftiger Willenserklärungen ist Art. 18 OR analog anwendbar. Entsprechend bestimmt sich der Inhalt in erster Linie nach dem wirklichen Willen des Erklärenden, wenn ihn der Empfänger tatsächlich erkannt hat. Kann dies nicht festgestellt werden, ist die Erklärung nach dem Vertrauensprinzip so auszulegen, wie sie vom Empfänger nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden werden durfte und musste.

3.1.2. Analog zu Art. 108 Ziff. 1 OR muss der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht anbieten, wenn die Arbeitgeberin von vornherein zu erkennen gibt, dass sie die Arbeit nicht annehmen werde, beispielsweise indem sie den Arbeitnehmer freistellt oder die Stelle anderweitig besetzt. Ebenso ist kein Angebot nötig, wenn die Arbeitgeberin mit den Lohnzahlungen im Rückstand ist. Der Arbeitnehmer muss sein Angebot nicht wiederholen, um den Verzug der Arbeitgeberin aufrechtzuerhalten. Auf ein fehlendes Angebot kann sich der Arbeitgeber sodann nicht berufen, wenn er es war, der die Kündigung absichtlich oder irrtümlich auf einen gesetz- oder vertragswidrigen vorzeitigen Termin aussprach und der Arbeitnehmer die Unzulässigkeit des Kündigungstermins weder erkannte noch nach Treu und Glauben erkennen musste. Denn auch in diesem Fall liegt die Ursache dafür, dass der Arbeitnehmer der Arbeit ab dem unzulässigen Kündigungstermin fernbleibt, in der Verantwortung des Arbeitgebers, weshalb er die nachteiligen Folgen daraus tragen und dem Arbeitnehmer den Lohn bis zum ordentlichen Ende des Arbeitsverhältnisses zu bezahlen hat.

3.2. Die erste Instanz hatte festgehalten, der Beschwerdegegner habe C in der WhatsApp- Nachricht vom 14. November 2017 mitgeteilt, dass er, wenn er die Zeit zurückdrehen könnte, weiterhin für sie arbeiten würde. Diese Äusserung sei als Arbeitsangebot zu verstehen. Daran ändere nichts, dass der Beschwerdegegner beim Versenden der WhatsApp- Nachricht von einer gültigen sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen sei. Der Beschwerdegegner sei nicht verpflichtet gewesen, seine Arbeitsleistung erneut anzubieten, nachdem er den Irrtum über die Probezeit erkannt habe. Nach seiner klaren Mitteilung vom 14. November 2017 hätte die Beschwerdeführerin den Beschwerdegegner nach der Entdeckung des Irrtums zur Arbeit aufbieten können. Die Beschwerdeführerin habe sich jedoch darauf beschränkt, durch ihren Rechtsvertreter zu monieren, dass der Beschwerdegegner seine Arbeitsleistung nicht angeboten habe.

3.3. Gemäss Memorandum zum Kündigungsgespräch habe C dem Beschwerdegegner mitgeteilt, dass seine Arbeitsverpflichtung noch gleichentags ende, dass er der Beschwerdeführerin sämtliche Gegenstände sofort zurückgeben müsse, dass seine Benutzerkonten und E-Mails per sofort gesperrt würden und dass er die Wohnung sofort räumen und einen Tag später zurückgeben müsse. Damit habe die Beschwerdeführerin den Beschwerdegegner unmissverständlich von jeder weiteren Arbeitspflicht befreit. Die Beschwerdeführerin ist damit in Annahmeverzug geraten, ohne dass der Beschwerdegegner seine Arbeitsleistung habe anbieten müssen.

Die Vorinstanz fuhr fort, nach dem Beizug einer Rechtsanwältin habe der Beschwerdegegner den Irrtum über die sofortige Wirksamkeit der Kündigung erkannt. Die Beschwerdeführerin hat den Irrtum mit E-Mail vom 9. Februar 2018 eingeräumt. Allerdings habe sie argumentiert, sie habe keine fristlose, sondern eine ordentliche Kündigung beabsichtigt. Daher laufe das Arbeitsverhältnis bis am 31. Mai 2018 weiter, weshalb der Beschwerdegegner keinen Anspruch auf Lohn habe, solange er seine Arbeit nicht anbiete. Letzteres habe die Beschwerdeführerin mit EMail vom 9. März 2018 wiederholt. Die Vorinstanz erwog, der Beschwerdegegner sei zu diesem Zeitpunkt nicht gehalten gewesen, seine Arbeit anzubieten oder sein früheres Arbeitsangebot zu wiederholen. Denn die Beschwerdeführerin habe ihn, zwar irrtümlich, per 13. November 2017 von der Arbeitspflicht befreit, und er habe sein Interesse an einer weiteren Beschäftigung für sie signalisiert. Daher hätte die Beschwerdeführerin auf die irrtümliche sofortige Befreiung von der Arbeitspflicht zurückkommen und den Beschwerdegegner zur Arbeit aufbieten müssen. Die Vorinstanz verwies analog auf Art. 31 Abs. 1 OR, wonach der irrtumsbehaftete Vertrag als genehmigt gilt, wenn die irrende Person der anderen nicht eröffnet, dass sie den Vertrag nicht halte.

3.4. Massgebend ist, dass die Beschwerdeführerin für die verfrüht ausgesprochene Kündigung verantwortlich war und der Beschwerdegegner zunächst weder erkannt hat noch hätte erkennen müssen, dass die Kündigungsfrist zu kurz angesetzt war. Für diese Zeit hat er Anspruch auf Lohn, auch wenn er seine Arbeitsleistung nicht angeboten hat. 

Die Beschwerdeführerin erhebt nunmehr keine Beschwerde, soweit der angefochtene Entscheid den Lohnanspruch bis zum 21. Dezember 2017 schützt. Als sie ihren Irrtum bemerkte, hat sie aber nicht dem Beschwerdegegner den ausstehenden Betrag überwiesen, sondern ihm nach ihren eigenen Ausführungen mit E-Mail vom 9. Februar 2018 mitteilen lassen, das Arbeitsverhältnis laufe weiter, er habe aber keinen Anspruch auf Gehaltszahlungen, solange er seine Arbeit nicht anbiete. Wenn die Vorinstanz zum Schluss kam, die Beschwerdeführerin hätte die Arbeit wohl ohnehin nicht mehr angenommen, ist dies nicht zu beanstanden. Die Beschwerdeführerin benutzte das fehlende Arbeitsangebot als Vorwand, um auch die ohne ein solches geschuldeten Beträge in Abrede zu stellen. Da sie selbst für die vertragswidrige Situation verantwortlich war und nach Kenntnis ihres Irrtums ihren Pflichten nicht nachgekommen ist, verletzt es kein Recht, wenn die Vorinstanz auch mit Blick auf das in der WhatsApp-Nachricht bereits bekundete Interesse an einer weiteren Zusammenarbeit nicht verlangt, dass zunächst der Beschwerdegegner seine Arbeit anbietet.

3.5. Die Lohnberechnung blieb im Berufungsverfahren unangefochten, ebenso die erstinstanzlichen Erwägungen zu den gestaffelten Verzugszinsen. Damit wurde die Beschwerdeführerin zu Recht verpflichtet, dem Beschwerdegegner Lohn von CHF 169 094.20 nebst Zins zu bezahlen. Ihren Antrag auf Neuverlegung der kantonalen Verfahrenskosten begründet die Beschwerdeführerin nur mit der beantragten Reduktion der Lohnforderung. Darauf ist nicht weiter einzugehen.

Urteil

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. Die Gerichtskosten von CHF 5500.– werden der Beschwerdeführerin auferlegt. Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit CHF 6500.– zu entschädigen.

Zusammenfassung & Fazit

Bei einem Mitarbeiter änderte sich der Arbeitsvertrag insbesondere hinsichtlich des anwendbaren Rechts. Dies hatte zur Folge, dass sich die Situation rund um seine Entlassung verkomplizierte. Die entlassende Person ging davon aus, dass der Arbeitsvertrag des Mitarbeiters weiterhin dem finnischen Recht unterstand und somit gleichentags entlassen werden kann. Dem war jedoch nicht so, sondern der Vertrag unterstand schweizerischem Recht. Dieses kennt bekanntermassen Kündigungsfristen. Vorliegend kam erschwerend hinzu, dass sich der betreffende Mitarbeiter in der Probezeit befunden haben soll – dem war aber ebenfalls nicht so.

Der gekündigte Mitarbeiter hat sich zu einem späteren Zeitpunkt rechtlich beraten lassen und die frühere Arbeitgeberin darauf aufmerksam gemacht. Dieser folgte der rechtlichen Interpretation, was dazu führte, dass die Kündigung zu einer ordentlichen Kündigung umqualifiziert wurde. Dementsprechend machte der Mitarbeiter geltend, dass ihm der Lohn während der ordentlichen Kündigungsfrist auszubezahlen sei. Dem wiederum widersprach die Arbeitgeberin, da der Mitarbeiter ihrer Ansicht nach nie ihre Arbeit angeboten hat. Dies untersuchte die Vorinstanz ausgiebig und wurde darin auch vom Bundesgericht bestätigt. Da der Mitarbeiter per WhatsApp-Nachricht kundtat, dass er, wenn er die Zeit zurückdrehen könnte, wiederum für die Arbeitgeberin arbeiten würde, wurde ihm diese Angebotspflicht als erfüllt angerechnet. Der Lohnanspruch war somit gegeben. Was der Arbeitgeberin zum Verhängnis wurde – nebst erschreckend geringen Rechtskenntnissen – war ihr fragwürdiges Verhalten. Sie war für die Schaffung der Kündigungssituation selbst verantwortlich, und als ihr die Gegenpartei davon berichtete, ist sie weiterhin ihren Pflichten nicht nachgekommen. Es wäre ihr ein Leichtes gewesen, den Mitarbeiter beim Wort zu nehmen und dessen Arbeitsleistung entgegenzunehmen.

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