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Arbeitszeugnis Formulierungen: Wahrheit geht über Wohlwollen

Arbeitszeugnis-Formulierungen und -Inhalte sorgen bei Arbeitgebern immer wieder für Unsicherheiten. In der Praxis dominiert vielfach Wohlwollen – obwohl die Wahrheit eigentlich Vorrang hätte.

06.05.2024 Von: Rolf Müller, Nicole Vögeli
Arbeitszeugnis Formulierungen

So erstellen Sie ein rechtssicheres Arbeitszeugnis

Das Gesetz äussert sich zur Arbeitszeugnisformulierung nicht. Die nachfolgend dargestellten Grundsätze sind weit gehend durch die Rechtsprechung, anhand von konkreten Streitfällen, entwickelt worden. Aus diesen (abstrakten) Grundsätzen kann kein Anspruch auf eine bestimmte Formulierung abgeleitet werden. Das Arbeitszeugnis muss auf die persönliche berufliche Entwicklung eingehen, die berufsspezifischen, arbeitsplatzbedingten und persönlichen Besonderheiten berücksichtigen und eine individuelle Formulierung der Beurteilung der Leistung und des Verhaltens enthalten (Grundsatz der Individualität).

1. Grundsatz der Wahrheit

Der Inhalt des Arbeitszeugnisses muss der Wahrheit entsprechen. Es dürfen weder Annahmen getroffen noch Verdachtsmomente geäussert werden. Werturteile müssen die verkehrsüblichen Massstäbe zugrunde legen und von verständigem Wohlwollen geprägt sein. Zeugnisformulierung wie Referenzauskunft stellen Datenbearbeitungen dar. Grenze ist daher immer die Wahrheitspflicht.

2. Grundsatz des Wohlwollens

Ziel des Arbeitszeugnisses ist es, dem Arbeitnehmer das wirtschaftliche Fortkommen zu erleichtern. Die Grenze ist jedoch die Wahrheitspflicht. Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf ein wahres, indes nicht auf ein gutes Arbeitszeugnis. Es darf somit auch Negatives aufgenommen werden, sofern dies den Tatsachen entspricht. Zur Anwendung gelangt der Grundsatz des Wohlwollens mithin vor allem bei Zweifelsfällen. Im Zweifel ist die für den Arbeitnehmer günstigere Formulierung zu wählen bzw. wie in der Schule die Beurteilung tendenziell aufzurunden oder bei objektiv schlechter Leistung im Gegenzug etwas hervorzuheben, was gut war (Beispiel: sehr loyal oder gute Englischkenntnisse).

3. Grundsatz der Vollständigkeit

Das Arbeitszeugnis muss alle wesentlichen Tatsachen und Bewertungen enthalten, die für die Gesamtbeurteilung von Bedeutung sind. Arbeitszeugnisse stellen jedoch weder Stellenbeschriebe noch ausführliche Qualifikationen dar. Vielmehr sind es kurze Zusammenfassungen der Arbeitsverhältnisse. 

Auslassungen (Weglassungen) sind damit unzulässig. Einzelne Gerichte lassen diese dennoch zu, wenn das Fehlen des Kriteriums so offensichtlich ist, dass die fehlende Aussage auch eine Aussage darstellt. Es wird angenommen, dass dieses «wohlwollende Schweigen» für den Arbeitnehmer weniger negativ wirkt. Aus unserer Sicht trifft dies nicht (immer) zu, da sich der Leser in der Regel das Schlimmste vorstellen wird. Die Wahrheit dürfte oft weniger schwer wiegen.

4. Grundsatz der Einheitlichkeit

Im Schlusszeugnis darf grundsätzlich nicht auf Zwischenzeugnisse verwiesen werden, da das Arbeitszeugnis die gesamte Dauer der Anstellung zu umfassen hat. Allerdings müssen davon Ausnahmen gemacht werden. Sollten unterschiedliche Funktionen in einem Schlusszeugnis zu beurteilen sein, würde das Arbeitszeugnis unnötig lang und nicht mehr gelesen. Gerade bei Funktionswechseln ist daher ein Zwischenzeugnis auszustellen, auf welches später verwiesen werden kann. Allerdings muss die Karriere des Arbeitnehmers im Zeugnis ausgewiesen werden. Es werden jedoch nur die Aufgaben der letzten Funktion aufgelistet und bewertet. Dabei darf nicht vergessen werden, dass bei einem Stellenwechsel primär die letzte berufliche Tätigkeit interessiert. 

War der Arbeitnehmer für formell verschiedene Arbeitgeber tätig, sind für jedes Arbeitsverhältnis einzelne Arbeitszeugnisse auszustellen. Dies gilt allerdings nicht in einer Konzernstruktur, wenn diese einer einheitlichen Gruppe entspricht. Derartige Konstellationen sind indes im Einzelfall zu prüfen; insbesondere wenn der Arbeitnehmer im Ausland tätig war. Gehört ein Auslandseinsatz jedoch zur Karriere, ist dieser im Arbeitszeugnis zu erwähnen.

5. Grundsatz der Klarheit

Das Zeugnis muss für alle Leser verständlich abgefasst sein. Es darf weder durch die Wortwahl noch durch Auslassungen versteckte Inhalte aufweisen. Beim Verfassen und Lesen von Arbeitszeugnissen muss immer von der primären Bedeutung der Wörter ausgegangen werden, ohne eine Nachricht verstecken, noch eine versteckte Bedeutung suchen zu wollen. Dem Arbeitgeber steht die Wahl der Formulierungen und des Stils zu; er verfügt über die Formulierungsmacht. $

Indes ist bei der Zeugnisauslegung immer zu beachten, dass jeder Aussteller und jeder Leser Formulierungen anders interpretiert. Gut gemeinte Redewendungen werden als schlechte Qualifikation verstanden. Insbesondere in Betrieben ohne ausgebildeten Personaldienst sind sich die Aussteller der Tragweite der Zeugnisausstellung oftmals gar nicht bewusst. Insofern ist immer zu empfehlen, objektive und klare Formulierungen zu verwenden: Statt «Sie erfüllte ihre Aufgaben stets zu unserer Zufriedenheit» ergeben sich mit «Sie zeigte immer gute Leistungen» keine Zweifel an der Aussage. Mithin wird empfohlen, objektive Wertungen (schlecht, ungenügend, genügend, gut, sehr gut, ausgezeichnet bzw. freundlich, korrekt, höflich, zuvorkommend etc.) zu verwenden. Zudem sind auch nur objektive Wertungen gerichtlich überprüfbar und durchsetzbar.

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