Arbeitszeugnis Codierung: Unzulässige Formulierungen und Codes in Arbeitszeugnissen

Aussagekräftige und korrekte Arbeitszeugnisse sind auf dem Stellenmarkt sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer nach wie vor zentral. Das Arbeitszeugnis sollte Auskunft über die Qualifikation des Arbeitnehmers für bestimmte Tätigkeiten geben. Arbeitszeugnis Codierung widerspricht den Grundsätzen von Wahrheit und Klarheit.

15.04.2025 Von: Nicole Vögeli
Arbeitszeugnis Codierung

Die Verwendung der Sprache

Unzulässige Formulierungen stellen keine Arbeitszeugnis Codierung dar. Formulierungen im Arbeitszeugnis müssen klar, wahr und vollständig sein. Unzulässig sind positive Wendungen mit in Wahrheit negativer oder unklarer Bedeutung oder negativ gemeinte Bewertungen, die durch positive Formulierungen verschleiert werden. Sofern jedoch die negative Beurteilung zu Recht erfolgt und diese klar formuliert wird, ist daraus nichts auszusetzen.

Beispiele der ersten Art sind: 

  • Im Grossen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit = (knapp) ungenügende Leistungen
  • Zu unserer Zufriedenheit = genügende bis gute Leistungen
  • Stets zu unserer Zufriedenheit = gute Leistungen
  • Korrektes Verhalten = unfreundlich

Beispiele der zweiten Art sind: 

  • Er bemühte sich. = Auslassung des fehlenden Erfolgs
  • Er war sehr kommunikativ. = Er schwatzte zu viel.
  • Er erledigte die gestellten Aufgaben. = etwas fehlendes, zusätzliches Engagement
  • Er zeigte einen grossen Einsatz. = Auslassung des fehlenden Erfolgs
  • Er war charakterfest. = Er war uneinsichtig.

Diese Beispiele sind allesamt auch unklar. Sollte die Kritik zutreffen, wäre diese präzise aufzunehmen.

Des Weiteren sind lange Ausführungen über Selbstverständliches oder bewusstes Einsetzen von Mehrdeutigkeiten sowie unzulässig.

Arbeitszeugnis Codierung

In der Kommunikationswissenschaft bezeichnet ein Code im weitesten Sinne eine Sprache. Jegliche Kommunikation beruht auf dem Austausch von Informationen, die vom Sender nach einem bestimmten Code erzeugt werden und die der Empfänger gemäss demselben Code interpretiert.

Das Bundesverwaltungsgericht versteht unter Arbeitszeugnis Codierung sprachliche Formulierungen, deren versteckte Bedeutung nur eingeweihten Arbeitgebern bekannt ist, dem uneingeweihten Leser aber verborgen bleibt (sog. Geheimcodes bzw. Codierungen), weshalb diese unzulässig sind. (BVGer A-2021/2019 18.9.2019 E.3.6)

Mit anderen Worten müsste unter den Arbeitgebern Abmachungen bestehen, wie gewisse Worte oder Wortkombination tatsächlich zu verstehen sind. Derartiges ist in der Praxis unbekannt und im Zusammenhang mit dem Arbeitszeugnis geht es nicht um codierte Formulierungen, sondern darum, ob gewisse Formulierungen zulässig sind oder nicht.

Fallbeispiele Arbeitszeugnisse mit Lösungsvorschlägen aus der Praxis

In der Praxis ist die Arbeitszeugniserstellung nicht immer eindeutig und klar. Anhand der folgenden Fallbeispiele zeigen wir Ihnen auf, wie Sie kritische Fälle rechtssicher lösen.

Praxisfall Arbeitszeugnis – Beispiel schwieriges Verhalten 

Sachverhalt: Herr X. ist seit rund 10 Jahren bei Ihnen als IT-Manager tätig. Herr X. erbringt hervorragende Leistungen, was sich im Bonus jeweils stark erhöhend auswirkt. Doch ist er im Verhalten schwierig. Er delegiert nicht, er bezieht sein Team nicht ein und er hält sich zum Teil auch nicht an Weisungen. Zuletzt verlangt er, dass die Kündigung eines Mitarbeiters zurückgezogen wird. Sein Vorgesetzter geht nun in den Ruhestand und der Neue ist nicht bereit, das Verhalten von Herrn X. weiter zu dulden. Er setzt eine Bewährungsfrist von 6 Monaten. Als das Verhalten von Herrn X. nicht bessert, wird Herrn X. gekündigt. Wie würden Sie die Problematik in das Zeugnis aufnehmen?

Lösung: Der Arbeitgeber ist weisungsbefugt und kann bisher geduldete Verhaltensweisen neu untersagen (Art. 321OR). Vorschlag Verhaltensformulierung: «Aufgrund von unterschiedlichen Auffassungen bezüglich der Führungsorganisation sahen wir uns leider veranlasst, das Arbeitsverhältnis zu beendigen, was wir sehr bedauern. …» Frühere Zwischenzeugnisse sind zu beachten, wobei kein Anspruch auf Übernahme von Formulierungen aus denselben besteht (Bundesgericht 4C.129/2003 5.9.2003 E.6.1). Sofern das negative Verhalten deutlich war und ist, kann durchaus diesbezüglich im Schlusszeugnis eine Abweichung erfolgen.

Praxisfall Arbeitszeugnis – Beispiel Probezeit 

Sachverhalt: Frau X. beginnt bei der Y. AG am 17. Februar 2025 als Lagermitarbeiterin. Die Probezeit beträgt drei Monate. Die Y. AG kündigt am 17. April 2025 und stellt Frau X. eine Arbeitsbestätigung aus. Frau X. verlangt ein Vollzeugnis. Hat Frau X. Anspruch auf ein Vollzeugnis?

Lösung: Grundsätzlich besteht jederzeit ein Anspruch auf ein Vollzeugnis und eine Arbeitsbestätigung (Art. 330a OR). Bei kurzer Einführung und einfacherer Arbeit kann relativ schnell eine Aussage über die Mitarbeiterin vorgenommen werden. Darunter fallen auch Lagerarbeiten. Bei umfangreicherer Einführung und falls noch nicht alle Arbeiten übernommen werden konnten, dürfte kaum ein echtes Vollzeugnis erstellt werden können. In derartigen Fällen (Ausnahme) könnte allenfalls der Anspruch auf ein Vollzeugnis abgelehnt werden. Je nach Grund für die vorzeitige Beendigung ist eine Arbeitsbestätigung für einen Arbeitnehmer zudem besser.

Praxisfall Arbeitszeugnis – Beispiel Langes Leiden

Sachverhalt: Frau X. tritt am 1. März 2021 eine neue Stelle an. Am 5. August 2024 verunfallt sie schwer mit dem Auto. Deswegen ist sie bis am 31. März 2025 arbeitsunfähig. Allerdings hat die Y. AG bereits im November 2024 das Arbeitsverhältnis per 31. Januar 2025 gekündigt. Im Schlusszeugnis findet sich folgender Satz: «Seit dem 5. August 2024 war Frau X. nicht mehr arbeitstätig.» Ist dies zulässig?

Lösung: Krankheiten, unbezahlte Urlaube, Freistellung etc. sind grundsätzlich nicht zu erwähnen. Kann indes eine Qualifikation deswegen nicht (genügend) vorgenommen werden, ist ein entsprechender Hinweis zulässig. Dies gilt sowohl für die Dauer wie auch den Grund der Unterbrechung. Im vorliegenden Fall liegt einerseits eine genügend lange Periode mit Arbeitsleistung vor und die Dauer der Arbeitsfähigkeit während des Arbeitsverhältnisses beläuft sich «nur» auf rund sechs Monate. Andererseits ist sachlicher Grund für die Kündigung die langandauernde Arbeitsunfähigkeit. Entscheidend dürfte sein, dass Frau X. am 1. April 2025 wieder arbeitsfähig war, weshalb der Satz zu streichen ist.

Praxisfall Arbeitszeugnis – Beispiel Sprachen

Sachverhalt: Frau X. ist als Aussendienstmitarbeiterin für das Welschland zuständig. Ihre Arbeitgeberin hat Sitz in Zug. Frau X. hat per 31. März 2025 gekündigt, da sie einen Sprachaufenthalt machen und danach eine neue Stelle suchen will. Das Zeugnis wird Frau X. auf Deutsch ausgestellt. Frau X. verlangt eine Übersetzung auf Kosten der Arbeitgeberin auch ins Französische und Englische. Ist dies korrekt?

Lösung: Es kann die Ausfertigung des Zeugnisses in denjenigen Sprachen verlangt werden, die auch im Arbeitsverhältnis wesentlich waren (Arbeitssprachen). Hier wären dies Deutsch (Sitz Arbeitgeberin/Arbeitsort) und Französisch (Zuständigkeit). Die zusätzliche Übersetzung ins Englische müsste Frau X. selbst bezahlen. Mit den heutigen, technischen Möglichkeiten ist dies kein Problem und sie kann die Übersetzung dem unterzeichneten Zeugnis beilegen. Wichtig ist, dass sie die Übersetzung als durch sie erfolgt kennzeichnet.

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