Überzeit: Die gesetzlichen Schranken
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Definition Überzeit
Unter Überzeit wird die Arbeitszeit verstanden, die den Rahmen der gesetzlich festgelegten Höchstarbeitszeit pro Woche übersteigt. Die Überzeitarbeit ist nicht bewilligungspflichtig. Sie wird im Arbeitsgesetz geregelt (Artikel 12 und 13). Die wöchentliche Höchstarbeitszeit darf überschritten werden, wenn es die Dringlichkeit der Arbeit erfordert oder ausserordentlicher Arbeitsandrang herrscht, ebenso für Inventar, Rechnungsabschluss und Liquidationsarbeiten und zur Vermeidung oder Beseitigung von Betriebsstörungen.
Gesetzliche Höchstarbeitszeiten
Folgende Limiten sind durch das Arbeitsgesetz (Art. 9) festgelegt:
- 45 Stunden pro Woche: für industrielle Betriebe, Büropersonal, technische und andere Angestellte, sowie Verkaufspersonal in Grossbetrieben des Detailhandels
- 50 Stunden pro Woche für alle anderen Angestellten
- mehr als 50 Stunden in Spitälern, Heimen und Internaten, Gast- und Autogewerbe, Chauffeure, Baugewerbe, Coiffeure etc. (Verordnungen)
Die Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz regelt die Fälle, die eine Verlängerung der Höchstarbeitszeit zulassen.
Grenzen der Überzeit im Arbeitsgesetz
Die Überzeit darf für den einzelnen Arbeitnehmer zwei Stunden im Tag nicht überschreiten, ausser an arbeitsfreien Werktagen oder in Notfällen, und im Kalenderjahr insgesamt nicht mehr betragen als:
- 170 Stunden für Arbeitnehmer mit einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 45 Stunden
- 140 Stunden für Arbeitnehmer mit einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 50 Stunden
Grenzen der Tagesarbeit und der Abendarbeit
Überzeit darf nur in Grenzen der Tages- und Abendarbeitszeit angeordnet werden (Art. 25, Verordnung 1 zum ArG), wobei die Vorschriften über die tägliche Höchstarbeitszeit und Mindestruhezeit eingehalten werden müssen. In der Nacht, an Sonn- und Feiertagen darf grundsätzlich keine Überzeit geleistet werden, ausser in Notfällen.
Die Arbeit von 6 Uhr bis 20 Uhr gilt als Tagesarbeit, die Arbeit von 20 Uhr bis 23 Uhr ist Abendarbeit. Tages- und Abendarbeit sind bewilligungsfrei.
Für die Einführung von Abendarbeit wie die Verschiebung der Grenzen der Tages- und Abendarbeit bestehen im Gesetz genauere Vorschriften. Insbesondere ist die Arbeitnehmervertretung im Betrieb einzubeziehen (resp. wo eine solche Vertretung nicht besteht, die Arbeitnehmer selbst).
Kompensation und Abgeltung
Für die Überzeitarbeit hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmenden die Arbeitszeit samt einen Zuschlag von mindestens 25% zu bezahlen. Davon bestehen folgende Ausnahmen:
Ausnahme 1: Arbeitsgesetz gilt nicht
Der Überzeitzuschlag ist nicht zu bezahlen bei allen Angestellten, für welche das Arbeitsgesetz nicht gilt, also insbesondere für höhere leitende Angestellte, in der Regel Direktionsmitglieder.
Ausnahme 2: Kompensation
Im Einverständnis mit den Arbeitnehmenden kann Überzeit innerhalb von 14 Wochen durch Freizeit von mindestens gleicher Dauer kompensiert werden. Im gegenseitigen Einvernehmen kann diese Frist auf maximal 12 Monate erstreckt werden (Art. 25 der Verordnung 1 zum ArG).
Wird Überzeitarbeit im Einverständnis mit den Angestellten durch Freizeit von gleicher Dauer ausgeglichen, entfällt der Zuschlag.
Ausnahme 3: Erst ab 61. Stunde im Jahr
Gewisse Kategorien von Mitarbeitenden (Büropersonal, technische und andere Angestellte, sowie das Verkaufpersonal in Grossbetrieben des Detailhandels) haben nur Anspruch auf die Überzeitentschädigung und den Zuschlag, falls ihre Überzeit 60 Stunden im Kalenderjahr übersteigt (Art. 13 ArG). Diese Bestimmung wird in der Regel wie folgt interpretiert:
- Büropersonal, technische und andere Angestellte sowie das Verkaufspersonal in Grossbetrieben des Detailhandels (Höchstarbeitszeit von 45 Stunden): Lohnzuschlag auf Überzeitarbeit nur, soweit diese 60 Stunden pro Jahr übersteigt.
- Arbeiter in industriellen Betrieben (Höchstarbeitszeit von 45 Stunden): Lohnzuschlag auf Überzeitarbeit ab der 1. Stunde
- Alle übrigen Arbeitnehmenden (Höchstarbeitszeit von 50 Stunden): Lohnzuschlag auf Überzeitarbeit ab der 1. Stunde.
Verzicht ist nicht möglich
Das Bundesgericht hat mit Entscheid vom 9. August 2000 festgestellt, dass der Verzicht auf die Überzeitentschädigung nicht möglich ist und solche Vereinbarungen ungültig sind. Im Unterschied dazu kann auf den Überstundenzuschlag (Überschreitung der vertraglichen Höchstarbeitszeit) verzichtet werden.
Teilzeitmitarbeitende
Die wöchentliche Höchstarbeitszeit verringert sich bei Teilzeitarbeitenden nicht anteilmässig. In der Praxis dürfte daher bei Teilzeitmitarbeitenden Überzeitarbeit selten sein. Wird in einem Teilzeitpensum Überzeit geleistet, so gilt die Vorschrift der Kompensation durch Freizeit oder der Vergütung durch den normalen Lohn plus mindestens 25%, analog den Vollzeitpensen.
Leitende Angestellte/Kader
Leisten leitende Angestellte Überzeit, muss sie wie bei allen anderen Angestellten entschädigt werden.
Nur für höhere leitende Angestellte gilt das Arbeitsgesetz nicht. Kader mit Entscheidungsbefugnissen in wesentlichen Angelegenheiten und entsprechender Verantwortung, wie Betriebsleiter und Direktoren, gehören zu den höheren leitenden Angestellten. Sie erhalten keine Kompensation der Überzeit, auch keine Vergütung.
Das Bundesgericht hat im oben zitierten Urteil den Begriff «höhere leitende Angestellte» sehr eng ausgelegt. Dabei war der Fall einer Angestellten in einer Genfer Werbeagentur zu beurteilen. Sie war bei einem monatlichen Bruttogehalt von CHF 9000.– als «Account Director und Division Manager» mit dem Aufbau einer neuen Abteilung betraut worden. Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass es sich nicht um eine höhere leitende Angestellte handelt.
Zusammenwirken von Überstunden und Überzeit
Das Zusammenwirken der beiden Regelungen, Überstunden gemäss OR und Überzeit gemäss Arbeitsgesetz (ArG), macht in der Praxis häufig Mühe. Wie im Text dargelegt, kann der Überstundenzuschlag wegbedungen werden, nicht jedoch der Überzeitzuschlag gemäss ArG.
Besteht keine vertragliche Regelung, so sind die Überstunden inkl. Zuschlag zu bezahlen. Wird die Höchstarbeitszeit überschritten, so greift die Regelung gemäss Arbeitsgesetz und es ist die Überzeit samt Zuschlag zu entschädigen. Die beiden Zuschläge werden nicht kumuliert. Im Endeffekt sind also einfach alle Überstunden mit 125% zu bezahlen, egal ob es sich nur um Überstunden oder auch um Überzeit handelt.
Ist die Entschädigung von Überstunden vertraglich wegbedungen, so ist die Überzeit dennoch zu entschädigen (125%).