Plural Leadership: 7 Tipps für ein gelingendes Top-Sharing
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Verkrustete, veraltete Führungsrollen
Längst sind alle Ebenen des Unternehmens betroffen. Es herrscht Arbeitskräftemangel, Fachkräftemangel und auch ein zunehmender Führungskräftemangel. Ein Mangel, der sich in den nächsten Jahren verschärfen wird. Denn die Boomer verabschieden sich aus dem Arbeitsleben. Und die Gen Z sagt oftmals „Nein, danke“ – gerade zu dem Karriere-Schritt auf die Führungsebene. Verwunderlich? Wohl kaum.
Trotz starkem gesellschaftlichem und wirtschaftlichem Wandel scheint es, als wäre eine Position im Unternehmen weiterhin in alten Denkmustern gefangen: Die Position und Rolle der Führungskraft. Eine Führungskraft, so die Vorstellung und Erwartung,
- muss auch ausserhalb der Arbeitszeiten für berufliche Belange zur Verfügung stehen,
- ist stets vor Ort,
- ist er/sie nicht verfügbar, darf an der Leistungsbereitschaft gezweifelt werden,
- hat das alleinige Sagen,
- trifft die Entscheidungen alleine,
- hält die Zügel fest im Griff,
- vereinigt die Macht der Funktion in einer Person,
- bündelt die Anforderungen und die operativen Vorgaben,
- behält den Überblick,
- entscheidet alleine über die Umsetzung der Vorgaben,
- bestimmt, was wie wann und an wen delegiert wird,
- koordiniert zwischen „oben und unten“,
- stellt die Führungsrolle und die Führungsaufgaben in den Mittelpunkt (des eigenen Lebens).
Nur, die Lebensentwürfe und Vorstellungen der MitarbeiterInnen haben sich längst gewandelt. Der Wunsch nach flexibleren und reduzierten Arbeitszeiten wird immer lauter. Ganz entscheidend, die Gen Z wird diesen Wunsch nicht länger „nur“ als Wunsch formulieren, sondern kann ihn im Gegensatz zu der Boomer-Generation endlich einfordern – und zwar zu Recht. Und darauf sollte und muss sich jedes Unternehmen einstellen.
Geteilte Macht als Lösung beschert viele Vorteile
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) – und sicherlich nicht als einziges Institut - schlägt einen Lösungsansatz für dieses Dilemma vor: Führung in Teilzeit, d.h. die Arbeitszeit der Führungskraft ist geringer, als die betrieblich vereinbarte Regelarbeitszeit von Führungskräften. Oft liegt diese dann bei 30 Wochenarbeitsstunden, also 75 Prozent, kann allerdings auch noch niedriger ausfallen. Sollte dies der Fall sein, ist eins angesagt: Plural Leadership, die Position der Führungskraft wird geteilt.
Vielleicht lösen diese beiden Lösungen Kopfschütteln aus. Vielleicht stellen sich viele Fragen. Vielleicht gibt es bereits einige Vorbehalte – wie
- Bürokratisch zu aufwendig.
- Der Organisationsaufwand ist zu hoch.
- Solch eine Umstellung und Einführung verursacht nur unnötige Kosten.
- Sorgt zweifelsfrei bei den Mitarbeitern und dem Team für Verwirrung.
- Keiner weiss wirklich, wer zuständig ist.
- Wenn „Not am Mann ist“, ist die Führungskraft nicht erreichbar.
- Das Engagement leidet.
- Die Effizienz ist zu gering.
- Das ist nicht zu machen: All die Führungsaufgaben in weniger Arbeitszeit oder gar aufgeteilt zu erledigen.
Jeder Einwand trägt sicherlich ein Körnchen Wahrheit in sich. Allerdings (!) sollte dies kein Hinderungsgrund sein, sich mit der Thematik zu beschäftigen und letztendlich „Führen in Teilzeit“, als auch „Plural Leadership“ einzuführen. Dafür sprechen einfach zu viele Vorteile:
- Mehr Frauen für Führungspositionen gewinnen. Bereits jetzt arbeiten laut IW 28,2 Prozent von Frauen in der obersten Führungsetage in Teilzeit. Im mittleren Management liegt die Quote bei nur 20.6 Prozent. Hier ist noch jede Menge Luft nach oben – oder anders gesagt: Hier liegt ein Potenzial frei, dass Sie, um den Führungskräftemangel zu reduzieren, unbedingt anzapfen sollten. Denn gut ausgebildete Frauen wollen Karriere machen.
- Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Nicht allein Frauen wünschen sich eine bessere Vereinbarkeit, auch Männer. Denn viele Paare teilen sich heutzutage Beruf und Familie gleichberechtigt auf.
- Attraktivität des Unternehmens steigt. Wer Karrieremöglichkeiten auf die Lebensentwürfe der Mitarbeiter zuschneidet, gewinnt im Kampf um die Top-Talents.
- Immer eine Führungskraft vor Ort. Plural Leadership bedeutet auch: In Urlaubszeiten oder im Krankheitsfall steht sofort eine „Vertretung“ zur Verfügung, nämlich die andere Führungskraft.
- Vier Augen, vier Ohren. Zwei Führungskräfte sehen und hören mehr, als nur eine einzelne Führungskraft. Probleme, Schwierigkeiten, gar Konflikte können ganz anders wahrgenommen und gelöst werden.
- Optimaler Entscheidungsprozess. In Zeiten der Transformation, in denen auch sehr komplexe Entscheidungen getroffen werden müssen, sind die Sichtweisen anderer oftmals unerlässlich. Wird die Führung geteilt, ist schon einmal sichergestellt, dass sich zwei Führungskräfte austauschen, miteinander „streiten“ und eine gute Lösung finden.
- Teilzeitführung wächst an. Laut dem European Labor Force Survey steigt die Quote in Europa kontinuierlich an. Im Jahr 2013 lag die Quote der Führungskräfte in Teilzeit bei circa fünf Prozent. Im Jahr 2019 war sie bereits auf 14 Prozent gestiegen. Tendenz weiterhin steigend.
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Plural Leadership: 7 Tipps, wie Top-Sharing gelingt
Vielleicht ist die Idee neu. Vielleicht haben Sie auch schon die eine oder andere Erfahrung gesammelt, ob nun mit Führung in Teilzeit, Plural Leadership oder auch mit anderen Positionen (Controlling, Sales, Sekretariat) in Teilzeit. Vielleicht wollen Sie Plural Leadership im Unternehmen etablieren oder es weiter ausbauen. Tipps für das Vorhaben – Ihr Ziel – sind immer gut, da sie Impulse bieten, wie dieses Vorhaben in Ihrem Unternehmen umgesetzt werden kann. Gutes Gelingen!
Tipp 1: Bye, bye traditionelles Denken
Es darf und sollte sich mit den eigenen Erwartungen an die Führungsrolle und –position auseinandergesetzt werden. Gerne dürfen Sie es auch mit dem Team, den Mitarbeitern und/oder der Belegschaft diskutieren. Denn Plural Leadership stellt einiges auf den Kopf.
Fragen Sie sich:
- Was erwarten Sie von einer Führungskraft?
- Wie sehen Sie eine Führungsposition?
- Was muss und soll eine Führungskraft leisten?
- Wann, wie und bei welchen Aspekten muss sie erreichbar und ansprechbar sein?
- Was löst die Vorstellung einer Teilzeit-Führung in Ihnen aus?
- Was löst die Vorstellung einer Plural Leadership in Ihnen aus?
- Was würde in beiden Fällen Ihrer Meinung nach nicht gelingen oder problematisch sein?
- Was würde dann (eventuell) fehlen? Was würde dann gewonnen werden?
- Welche Voraussetzungen muss das Unternehmen erfüllen, damit Plural Leadership gut gelingen kann – vielleicht flache Hierarchien?
Tipp 2: Anforderungen an die Führungsposition analysieren
Sicher, eine Führungsposition beinhaltet grundsätzliche Anforderungen, wie beispielsweise Vorgaben kommunizieren und delegieren. Doch jeder Arbeitsplatz – und damit auch jeder Führungsarbeitsplatz - hat ganz spezifische Ansprüche. Analysieren Sie diese. Fragen Sie sich – beispielsweise:
- Welche Aufgaben muss die Führungskraft auf diesem Arbeitsplatz/diesem Posten erfüllen?
- Welches sind die Kernaufgaben – und somit spezifisch für diesen Posten?
- Welche Qualifikationen sind dafür notwendig?
- Welche Kompetenzen werden benötigt?
- Was muss die Führungskraft definitiv selbst erledigen?
- Welche Aufgaben können „geteilt“ werden?
- Inwieweit muss das Aufgabenvolumen dafür angepasst werden?
- Welche müssen jedoch in einer Hand verweilen, d.h. welche Aufgaben müssen innerhalb des Plural Leadership zusammen abgestimmt und erledigt werden?
- Wer steht zur Entlastung der Führungskraft bzw. der Plural Leadership-Führungskräfte zur Verfügung?
- Welche Aufgaben können delegiert werden?
- Wann ist eine Vor-Ort-Anwesenheit notwendig?
- Welche Dinge können auch übers Home Office erledigt werden?
- Wie ist die technische Infrastruktur im Unternehmen aufgestellt, um eine digitale Kommunikation untereinander zu erleichtern?
- Welche Flexibilität und Kompromissbereitschaft wird von allen Beteiligten gefordert sein?
Tipp 3: Soft-Skills im Fokus
Führung in Teilzeit gekoppelt an ein Plural Leadership fordert jedoch weitere Skills der BewerberInnen. Denn es gibt etliche Herausforderungen in einem Führungs-Team, das sich die Führungsarbeit in Teilzeit teilt, zu stemmen. Die beiden Führungskräfte müssen
- teamfähig sein,
- effektiv(er) arbeiten,
- kluge Prioritäten setzen,
- Macht loslassen und teilen können,
- unter sich Aufgaben delegieren können,
- kluge Absprache treffen, welche Aufgaben an Mitarbeiter delegiert werden,
- flexibel sein, da nicht alle Eventualitäten geplant werden können,
- füreinander erreichbar sein,
- klären, was definitiv untereinander kommuniziert werden muss,
- klären, bei welchen „Krisen“ der andere sofort informiert werden muss,
- diszipliniert sein,
- die Führung der Mitarbeiter und des Teams miteinander absprechen und koordinieren,
- gut kommunizieren können – miteinander und mit dem Team,
- sich immer gut informieren – auf dem Laufenden halten,
- sich miteinander abstimmen.
Tipp 4: Geeignetes Leadership-Team finden
Dank Ihrer Antworten liegt Ihnen ein Profil vor. Schreiben Sie die Position erst einmal intern aus – und zwar mit dem Hinweis: Teilzeitführung und/oder Plural Leadership wird angeboten. Prüfen Sie die Bewerbungen. Laden Sie zu einem Gespräch: Einzeln und zusammen. Klären Sie Vorstellungen und Erwartungen. Treffen Sie Ihre Entscheidung.
Tipp 5: Geniale Gegensätze verbinden
Bei Plural Leadership muss eins unbedingt stimmen: Die Chemie zwischen den beiden Führungskräften. Deshalb ist es sinnvoll, einmal zu klären: Sind Sie intro- oder extrovertiert? Denn beide ticken einfach anders: Bei der Kommunikation, in der Interaktion, in der Führung. Deshalb sollte unbedingt offengelegt werden, wie diese geniale Gegensätze zusammenfinden können und auf was geachtet werden muss – beispielsweise:
- Als Introvertierter benötige ich immer wieder Rückzugsoptionen, um auftanken zu können.
- Als Extrovertierter liebe ich es meine Gedanken und Ideen laut zu formulieren, um sie dann auch immer wieder gleich zu verwerfen.
Tipp 6: Arbeitszeit neu definieren
Bei Plural Leadership wird sich der Führungsposten geteilt – auch zeitlich. Beide Parteien müssen dafür festlegen, an welchen Tagen wer im Unternehmen ist. Und ganz entscheidend: An welchem Tag beide im Unternehmen sind, um sich abzusprechen und die Übergabe zu gestalten. Oft gibt es hier die Regelung: Montag, Dienstag ich vor Ort, Mittwoch gemeinsam im Unternehmen, Donnerstag, Freitag du vor Ort. Sprechen Sie es ab: Finden Sie eine verbindliche Vereinbarung.
Tipp 7: Gemeinsam Ziele setzen und Absprachen treffen
Die Unternehmensziele bestimmen die Ziele der beiden Führungskräfte. Doch, wie diese Ziele erreicht und umgesetzt werden, unterliegt zum einen festgelegten Arbeitsabläufen, aber sehr stark wiederum der Führung des Plural-Leadership-Teams. Eigene Ziele müssen dafür formuliert und abgestimmt werden. Kontrollpunkte, als auch Kriterien für die Kontrolle festgelegt werden. Dafür heisst es: Kommunizieren, kommunizieren und noch mehr kommunizieren. Denn Missverständnisse untereinander führen zu Missverständnissen bei den Mitarbeitern.