Gesetzliche Ferienansprüche: Was HR-Profis wissen müssen
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Gesetzliche Ferienansprüche: Einführung
Grundsätzlich gilt: Ohne Arbeit kein Lohn. Das Gesetz sieht aber zahlreiche Ausnahmen vor, in denen Arbeitnehmende trotz ausbleibender Arbeitsleistung Anspruch auf Lohnfortzahlung oder zumindest auf Taggelder der Erwerbsersatzordnung (EO) haben. Dies ist etwa dann der Fall, wenn aufgrund des Verschuldens der Arbeitgeberin nicht gearbeitet werden kann, wenn Arbeitnehmende krankgeschrieben sind, sie aufgrund von gesetzlichen Pflichten an der Arbeitsleistung verhindert sind (z.B. Militärdienst oder Kindsbetreuung) oder eben wenn gesetzliche Ferienansprüche vorliegen wie nachfolgend aufgeführt.
Verlängerter Mutterschaftsurlaub
Seit einigen Jahren verlängert sich der Mutterschaftsurlaub bei der Hospitalisierung des Neugeborenen «um die verlängerte Dauer der Ausrichtung der Mutterschaftsentschädigung » (Art. 329f Abs. 2 OR). Konkret wird der Mutterschaftsurlaub um die Dauer der Hospitalisierung – maximal aber acht Wochen – verlängert, wenn:
- Das Neugeborene unmittelbar nach der Geburt ununterbrochen und mindestens zwei Wochen im Spital gepflegt wird; und
- Die Mutter nachweist, dass sie im Zeitpunkt der Geburt bereits beschlossen hatte, nach Ende des Mutterschaftsurlaubs wieder eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen (Art. 16c Abs. 3 EOG).
Der geplante Arbeitsantritt muss unmittelbar an den Mutterschaftsurlaub anschliessen. Dem steht nicht entgegen, wenn die Mutter im Anschluss an den Mutterschaftsurlaub geplant hat, zusätzliche Ferien oder sogar unbezahlten Urlaub zu beziehen.
Seit dem 1. Januar 2024 hat die Mutter des Neugeborenen zudem Anspruch auf zwei Wochen zusätzlichen Urlaub, wenn der andere Elternteil (i.d.R. der Vater) innert sechs Monaten seit der Geburt verstirbt (Art. 329f Abs. 3 OR). Dieser zusätzliche Urlaub wird – wie auch der (verlängerte) Mutterschaftsurlaub – mittels EO-Taggeldern abgegolten.
Urlaub des anderen Elternteils (ehemals Vaterschaftsurlaub)
Anspruch auf zwei Wochen Urlaub hat sodann der andere Elternteil eines Neugeborenen (Art. 329g OR; vorher «Vaterschaftsurlaub » genannt). Arbeitnehmer haben Anspruch auf den Urlaub, wenn sie entweder zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes dessen rechtlicher Vater sind oder dies innerhalb der folgenden sechs Monate werden. Demgegenüber haben Arbeitnehmerinnen nur Anspruch auf den zweiwöchigen Urlaub, wenn sie zum Zeitpunkt der Geburt bereits die Ehefrau der Mutter des Kindes sind. Der Urlaub wird durch EO-Taggelder abgegolten und kann tage- oder wochenweise innerhalb der ersten sechs Monate seit der Geburt bezogen werden.
Urlaub im Falle des Todes der Mutter
Neu hat der andere Elternteil des Neugeborenen Anspruch auf einen Urlaub von 14 Wochen, wenn die Mutter am Tag der Geburt oder während 14 Wochen danach verstirbt (Art. 329gbis OR). Der Anspruch auf zweiwöchigen Urlaub, welcher der hinterbliebene Elternteil gestützt auf Art. 329g OR hat, bleibt zusätzlich bestehen. Beides wird mit EO-Taggeldern abgegolten.
Adoptionsurlaub
Wer ein unter vier Jahre altes Kind adoptiert, hat Anspruch auf zwei Wochen Adoptionsurlaub (Art. 329j OR). Wird ein Kind von zwei Elternteilen adoptiert (z.B. Ehefrau und Ehemann), ist der Anspruch unter den Eltern aufzuteilen. Er setzt diesfalls voraus, dass beide Elternteile während fünf Monaten vor der Adoption eine Erwerbstätigkeit ausgeübt haben. Der Urlaub darf von den Eltern nicht gleichzeitig bezogen werden.
Der Urlaub wird über EO-Taggelder finanziert und kann innerhalb des ersten Jahres seit der Adoption tage- oder wochenweise bezogen werden. Werden gleichzeitig mehrere Kinder adoptiert, entsteht dennoch nur ein Anspruch auf Adoptionsurlaub. Kein Anspruch entsteht im Falle der Adoption des Stiefkindes (Kind des Ehegatten, des eingetragenen Partners oder des Partners, mit dem man seit mindestens drei Jahren einen gemeinsamen Haushalt führt).
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Urlaub für die Betreuung von Angehörigen
Gemäss Art. 329h OR haben Arbeitnehmende Anspruch auf bezahlten Urlaub für die Zeit, die zur Betreuung eines Familienmitglieds, der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners mit gesundheitlicher Beeinträchtigung notwendig ist. Der bezahlte Urlaub beträgt pro Ereignis maximal drei Tage und insgesamt höchstens zehn Tage im Jahr.
Vom Begriff «Familienmitglied» sind erfasst: Kinder, der Ehepartner, Geschwister, Eltern, Schwiegereltern und Grosseltern. Hinzu kommen die Lebenspartner, d.h. beispielsweise die eingetragene Partnerin oder der faktische Lebenspartner, mit dem die betreuende Person seit mindestens fünf Jahren in einem gemeinsamen Haushalt lebt.
Eine gesundheitliche Beeinträchtigung kann durch Unfall, Krankheit oder auch durch eine Behinderung verursacht werden. Die gesundheitliche Beeinträchtigung muss so schwer sein, dass eine Betreuung der betroffenen Person erforderlich wird. Bei Kindern ist ein tieferer Massstab anzulegen als bei Erwachsenen. Kein Urlaubstatbestand liegt vor, wenn beispielsweise die übliche Betreuungsperson für ein Kleinkind krankheitshalber ausfällt, das Kleinkind selbst aber keine gesundheitliche Beeinträchtigung hat.
Arbeitnehmer haben zudem keinen Urlaubsanspruch für die Betreuung von Angehörigen, wenn die zu betreuende Person von einem sozialen Umfeld umgeben ist, welches die Betreuung ohne Weiteres (tatsächlich) übernehmen kann und dies den Beteiligten zumutbar ist. So scheidet beispielsweise ein Urlaubsanspruch bei Krankheit des Schwiegervaters aus, wenn der Ehegatte nicht erwerbstätig und verfügbar ist. Dass andere Angehörige ebenfalls Betreuungsurlaub geltend machen könnten, steht dem Anspruch allerdings nicht entgegen.
Während des Urlaubs besteht eine Lohnfortzahlungspflicht der Arbeitgeberin. Eine Kündigungssperrfrist wird in dieser Zeit allerdings keine ausgelöst.
Vom Anspruch auf Urlaub für die Betreuung von Angehörigen abzugrenzen ist der bereits unter bisherigem Recht geltende Anspruch auf Lohnfortzahlung nach Art. 324a OR (i.V.m. Art. 276 ZGB), wenn sich der Arbeitnehmende um seine kranken Kinder kümmern muss. Demnach haben Arbeitnehmende mit Kindern einerseits einen Anspruch auf Lohnfortzahlung für eine beschränkte Zeit. Andererseits haben sie einen unbeschränkten Anspruch auf Arbeitsbefreiung, wenn sie sich gestützt auf ihre elterlichen Pflichten um ihr krankes Kind kümmern müssen. Art. 329h OR hat daher in Bezug auf die Betreuung kranker (eigener) Kinder bloss untergeordnete Bedeutung.
Betreuung eines wegen Krankheit oder Unfall gesundheitlich schwer beeinträchtigten Kindes
Die Betreuung von Angehörigen ist vom maximal 14-wöchigen Urlaub für die Betreuung eines gesundheitlich schwer beeinträchtigten Kindes nach Art. 329i OR zu unterscheiden. Unter Letzterem werden nur Fälle erfasst, in denen das Kind der Arbeitnehmenden gesundheitlich so schwer beeinträchtigt ist, dass (kumulativ):
- Eine einschneidende Veränderung seines körperlichen oder psychischen Zustands eingetreten ist;
- Der Verlauf oder der Ausgang dieser Veränderung schwer vorhersehbar ist oder mit einer bleibenden oder zunehmenden Beeinträchtigung oder dem Tod zu rechnen ist;
- Ein erhöhter Bedarf an Betreuung durch die Eltern besteht und
- Mindestens ein Elternteil die Erwerbstätigkeit für die Betreuung des Kindes unterbrechen muss.
Nicht erfasst sind mittelschwere Beeinträchtigungen, die kontrollierbar sind (z.B. Diabetes) oder in aller Regel positiv verlaufen (z.B. Knochenbrüche), selbst wenn auf dem Weg zur Heilung Spitalaufenthalte oder regelmässige Arztbesuche nötig sind.
Der Urlaub für die Betreuung eines gesundheitlich schwer beeinträchtigten Kindes wird mittels EO-Taggeldern entschädigt, die Arbeitgeberin trifft in dieser Zeit keine Lohnfortzahlungspflicht. Sind beide Elternteile erwerbstätig, so teilen sie sich den Anspruch untereinander auf. Sie können den Urlaub am Stück oder innerhalb einer Rahmenfrist von 18 Monaten tageweise beanspruchen.
Die Arbeitnehmenden tragen die Beweislast für die Begründung des Urlaubsanspruchs, womit in aller Regel ein Arztzeugnis eingereicht werden muss.
Übersicht Betreuungsurlaube
Die geschilderten Betreuungstatbestände können folgendermassen tabellarisch dargestellt werden.
Urlaub für ausserschulische Jugendarbeit
Schliesslich besteht für Arbeitnehmende, die unter 30 Jahre alt sind, der Anspruch auf eine unbezahlte Urlaubswoche für unentgeltliche leitende, betreuende oder beratende Tätigkeit im Rahmen ausserschulischer Jugendarbeit in einer kulturellen oder sozialen Organisation. Erfasst sind ebenfalls in diesem Zusammenhang notwendige Aus- und Weiterbildungen.
Neue Sperrfristentatbestände
Einige gesetzliche Ferienansprüche haben Auswirkungen auf den Sperrfristenschutz nach Art. 336c OR. So ist eine Kündigung – neben den bekannten Fällen wie während Militärdienst, Krankheit, Unfall, Schwangerschaft und Mutterschaftsurlaub – nichtig, wenn sie erfolgt:
- In der Zeit, in der sich der Mutterschaftsurlaub aufgrund der Hospitalisierung des Neugeborenen gestützt auf Art. 329f Abs. 2 OR verlängert;
- Während des zweiwöchigen Urlaubs bei Tod des anderen Elternteils (Art. 329f Abs. 3 OR), ausser die Sperrfrist nach Art. 336c Abs. 1 lit. c OR (Kündigungsschutz in den 16 Wochen seit Geburt) ist schon seit mehr als drei Monaten abgelaufen;
- Während der Betreuung eines gesundheitlich schwer beeinträchtigten Kindes nach Art. 329i OR, ausser der Tag, an dem das erste Taggeld für die Betreuung bezogen wurde, liegt mehr als sechs Monate zurück;
- Während des Urlaubs im Falle des Todes der Mutter nach Art. 329gbis OR.
Fazit
Die neuen Urlaubs- und Sperrfristentatbestände räumen Arbeitnehmenden weitere Rechte ein und haben zu einem gewissen Grad Einfluss auf die Personalplanungssicherheit eines Betriebs. Für HR-Verantwortliche ist es daher unablässig, sich mit diesen Änderungen zu befassen, um im konkreten Fall richtig zu handeln und offene Punkte wie zum Beispiel die Auszahlungsmodalitäten bei der Entrichtung von Taggeldern im Voraus zu regeln.