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Pikettdienst: Der Arbeitsvertrag mit Bereitschaftsdienst

Viele Unternehmen müssen heutzutage für dringende Anliegen rund um die Uhr für ihre internen oder externen Kunden erreichbar sein. In der Regel wird diese Erreichbarkeit durch einen Pikettdienst gewährleistet. Nachfolgend wird aufgezeigt, worauf beim Pikettdienst zu achten ist.

04.06.2024 Von: Sara Ledergerber, André Lerch
Pikettdienst

Wie unterscheidet sich Pikettdienst von anderen Formen der Arbeit auf Abruf?

Beim Pikettdienst halten sich die Mitarbeitenden zusätzlich zur normalen Arbeit für allfällige Arbeitseinsätze bereit, sei es zur Behebung von Störungen, zur Hilfeleistung in Notsituationen oder für ähnliche Sonderereignisse. Als Beispiele dienen der Notfalldienst in einem Spital oder der Bereitschaftsdienst eines IT Mitarbeitenden zur Behebung einer Störung im Betriebssystem.

Der Pikettdienst ist nicht dazu da, Schwankungen im normalen Arbeitsanfall abzufangen. Hat sich eine Mitarbeitende an gewissen Arbeitstagen rufbereit zu halten, und wird sie nur zur Arbeit aufgeboten, sofern es genügend zu tun gibt, handelt es sich nicht um Pikettdienst, sondern um sogenannte Arbeit auf Abruf.

Arbeit auf Abruf leistet beispielsweise eine Restaurantmitarbeitende, die sich rufbereit halten muss und nur bei schönem Wetter zur Arbeit auf der Sonnenterrasse eingeteilt wird, oder ein Mitarbeitender eines Coiffeursalons, der nur zur Arbeit gerufen wird, sofern genügend Kundenaufkommen vorhanden ist. Die Abgrenzung zwischen Pikettdienst und Arbeit auf Abruf kann im Einzelfall schwierig sein, ist aber bedeutsam, da unterschiedliche Regelungen gelten.

Wie viele Pikettdienste darf eine Mitarbeitende pro Monat leisten?

Da der Pikettdienst zusätzlich zur normalen Arbeitsleistung erbracht wird und die Freizeitgestaltung dadurch in einem gewissen Masse eingeschränkt wird, unterliegt die Anzahl zulässiger Pikettdienste gesetzlichen Schranken. Im Normalfall dürfen Mitarbeitende in einem Zeitraum von vier Wochen an höchstens sieben Tagen zum Pikettdienst eingeteilt werden. Zudem muss nach Beendigung des letzten Pikettdiensts eine Phase von zwei Wochen ohne Pikettdienst erfolgen.

Wenn aufgrund der betrieblichen Grösse nicht genügend Personalressourcen vorhanden sind, dürfen Mitarbeitende ausnahmsweise in einem Zeitraum von vier Wochen an 14 Tagen zum Pikettdienst eingeteilt werden. In diesem Fall darf die Anzahl der tatsächlich geleisteten Piketteinsätze im Durchschnitt eines Kalenderjahrs jedoch nicht mehr als fünf Einsätze pro Monat betragen.

Sodann existieren auch beim Pikettdienst Vorschriften zur Einhaltung von Mindestruhezeiten.

Wann gilt Pikettdienst als Arbeitszeit?

Spannend wird es bei der Frage der Anrechnung des Pikettdiensts an die Arbeitszeit. Artikel 15 der Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz sieht vor, dass Pikettdienst, welcher im Betrieb geleistet wird, vollständig an die Arbeitszeit anzurechnen ist. Bei Pikettdienst ausserhalb des Betriebs gelten gemäss der vorgenannten Bestimmung nur die effektive Einsatzzeit sowie die Wegzeit als Arbeitszeit. Die auf den ersten Blick klar erscheinende Regelung wirft bei näherer Betrachtung allerlei Fragen auf. Wie ist zum Beispiel die Rechtslage, wenn der Arbeitgeber nicht verlangt, dass der Pikettdienst im Betrieb geleistet wird, die Interventionszeit (Zeit zwischen Abruf und Erscheinen am Arbeitsort) jedoch derart kurz ist, dass die ausserhalb des Betriebs zur Verfügung stehende Zeit nicht sinnvoll genutzt werden kann?

Das Bundesgericht hatte 2016 folgenden Fall zu beurteilen: Ein Mitarbeitender argumentierte gegenüber seinem Arbeitgeber, dass der durch ihn geleistete Pikettdienst, bei welchem er sich nicht zwingend im Betrieb aufhalten musste, vollumfänglich als Arbeitszeit qualifizierte, da die Interventionszeit von 15 Minuten derart kurz war, dass er mit seiner Freizeit nicht viel Sinnvolles anfangen konnte. Der Arbeitgeber entgegnete, dass dem nicht so sei und es dem Mitarbeitenden beispielsweise explizit erlaubt worden sei, während des Pikettdiensts mit seinem Motorrad in der Ortschaft unterwegs zu sein. Das Bundesgericht gab dem Mitarbeiter recht und wertete den Pikettdienst aufgrund der kurzen Interventionszeit als Pikettdienst im Betrieb mit der Folge, dass die gesamte Pikettdienstzeit als Arbeitszeit qualifizierte und der Mitarbeiter daher durch den Pikettdienst etliche Überzeitstunden geleistet hatte. Im Ergebnis hiess das Bundesgericht die Klage des Arbeitnehmers auf Entschädigung von Überzeiten im Umfang von rund CHF 250 000.– gut.

Ein weiteres bemerkenswertes Detail des Entscheids: Der Arbeitgeber hatte zur Abwehr der Forderung unter anderem vorgebracht, dass dem Mitarbeitenden während des Pikettdiensts eine Schlafgelegenheit im Betrieb zur Verfügung stand. Es könne nicht sein, dass Schlafenszeit gleich zu entschädigen sei wie die normale Arbeitstätigkeit. Das Bundesgericht hielt diesbezüglich fest, dass Pikettdienst im Betrieb mit voller Anrechnung an die Arbeitszeit auch dann vorliege, wenn den Mitarbeitenden ein Raum zum Schlafen zur Verfügung stehe. Sodann sei Pikettdienstzeit im Betrieb gleichzubehandeln wie ordentliche Arbeitszeit und demzufolge durch im Betrieb geleisteten Pikettdienst entstandene Überzeit mit 125% Lohn oder Freizeit zu entschädigen.

Anzumerken bleibt, dass die Frage, was als Arbeitszeit gilt, zu unterscheiden ist von der Frage, wie diese Arbeitszeit zu entschädigen ist. Nach Ansicht der Autoren nicht von vornherein ausgeschlossen sind deshalb vertragliche Abmachungen, wonach die im Betrieb geleistete Rufbereitschaft im Rahmen eines Pikettdiensts zu einem anderen Ansatz entschädigt wird als normale Arbeitszeit.

Wie ist die Rufbereitschaft beim Pikettdienst ausserhalb des Betriebs zu entschädigen?

Ob beim Pikettdienst auch die Zeit der Rufbereitschaft ausserhalb des Betriebs zu entschädigen ist, wird im Arbeitsgesetz nicht geregelt. Besteht keine normal- oder gesamtarbeitsvertragliche Regelung, obliegt die Frage der Entschädigung im Rahmen von privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen der Parteivereinbarung. Nach der bisherigen Praxis des Bundesgerichts kann vereinbart werden, dass die Entschädigung im vereinbarten Lohn mitenthalten ist. In einem Urteil aus dem Jahr 2017 wurde jedoch dahingestellt, ob künftig an dieser Praxis festgehalten werden kann. Vor diesem Hintergrund empfehlen die Autoren, die Entschädigungsfrage arbeitsvertraglich zu regeln und zumindest eine Minimalvergütung vorzusehen.

Spezialregelungen für bestimmte Berufsgruppen

Der Vollständigkeit halber sei hier noch darauf hingewiesen, dass für bestimmte Berufsgruppen Spezialregelungen für den Pikettdienst gelten. Der Normalarbeitsvertrag für Erzieher in Heimen und Internaten sieht beispielsweise vor, dass auch der Bereitschaftsdienst, welcher im Heim geleistet wird, nur dann als Arbeitszeit gilt, wenn der Erzieher auch tätsächlich zur Arbeit herangezogen wird.

Sodann existieren seit 2010 Spezialregelungen zum Pikettdienst für Spitäler und Kliniken, welche insbesondere festhalten, dass die Interventionszeit nicht kürzer als 30 Minuten sein sollte. Ist sie es dennoch, gelten besondere Vorschriften, und 10% der inaktiven Rufbereitschaftszeit müssen als Arbeitszeit angerechnet werden. Auch für Besatzungsmitglieder von Flugbetrieben gibt es schliesslich Sonderregelungen.

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