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Freiberufler: Auftrags- oder Arbeitsverhältnis?

Immer wieder engagieren Unternehmungen sog. «Freelancer». Selbst bei Vorliegen einer Bescheinigung als Selbstständigerwerbende droht in vielen dieser Fälle eine Umqualifikation von einem Auftrags- in ein Arbeitsverhältnis – mit verheerenden Folgen für beide Seiten.

29.07.2024 Von: Myriam Minnig
Freiberufler

Freiberufler: Freelancer gibt es nicht

Der Begriff des «Freelancers» wird oft verwendet, es existiert jedoch keine rechtliche Definition dafür. In der Praxis geht der Auftraggeber davon aus, dass der Auftragnehmende nicht unter die arbeitsrechtlichen Bestimmungen fällt und seine Sozialversicherungen selbst abrechnet. Das stimmt auch, sofern es sich um eine selbstständig erwerbende Person handelt. Dies ist für jeden Einzelfall neu zu beurteilen. Die einzige Alternative zur selbstständigen Tätigkeit ist die unselbstständige – also das Arbeitsverhältnis – mit allen Konsequenzen.

Definition selbstständige Tätigkeit

«Als selbstständig erwerbend gelten Personen, die unter eigenem Namen auf eigene Rechnung arbeiten sowie in unabhängiger Stellung sind und ihr eigenes wirtschaftliches Risiko tragen.»

Ein vermeintlich einfacher Satz, der jedoch viele Bedingungen stellt und zugleich Interpretationsspielraum offenlässt. Und genau das ist das Problem. Die Interpretation obliegt in letzter Konsequenz nicht den Vertragspartnern, sondern der Ausgleichskasse, dem Steueramt, der Arbeitsmarkt- oder der Migrationsbehörde. Das bedeutet, selbst wenn die Vertragspartner schriftlich vereinbaren, dass es sich um ein Auftragsverhältnis handle, ist dies für die Behörden nicht bindend.

Subjektive Qualifikation

Will eine Person selbstständig arbeiten, muss sie sich bei der Ausgleichskasse anmelden. Die Anmeldung enthält diverse Fragen, die der Ausgleichskasse eine Beurteilung ermöglichen, ob die Kriterien für eine selbstständige Tätigkeit erfüllt sind. Dabei müssen nicht alle Kriterien erfüllt sein, eine Mehrheit reicht aus. Die Grafik zeigt eine Gegenüberstellung von Kriterien, die eher für bzw. gegen eine Selbstständigkeit sprechen. Insbesondere die Kriterien in roter Schrift führen in der Praxis oft zu einer Umqualifikation. Kommt die Ausgleichskasse zum Schluss, dass aufgrund der deklarierten Informationen eine selbstständige Tätigkeit vorliegt, stellt sie eine Bescheinigung für einen vorläufigen Anschluss aus. Damit gilt die Person (Subjekt) grundsätzlich als selbstständig erwerbend.

Objektive Qualifikation

Es kann jedoch sein, dass das grundsätzliche Unternehmensmodell zwar als selbstständige Tätigkeit qualifiziert, ein einzelnes Vertragsverhältnis (Objekt) jedoch nicht.

Beispiel: Ein IT-Berater erbringt Dienstleistungen an seine Kunden, wofür ihm eine Bescheinigung als Freiberufler ausgestellt wird. Ein grösseres Beratungsunternehmen engagiert ihn aufgrund eines Personalengpasses. Er berät nun auch deren Kunden. Diese Tätigkeit qualifiziert ihn nicht als Freiberufler, da er in fremdem Namen handelt, die Arbeit zugewiesen erhält, Weisungen des Beratungsunternehmens zu befolgen hat und gegenüber dem Endkunden kein Inkassorisiko trägt.

Folgen einer Umqualifikation für den Auftraggeber

Für das Beratungsunternehmen hat eine Umqualifikation vor allem finanzielle Folgen:

  • Es erhält eine Nachtragsrechnung für die Beiträge an die AHV, IV, EO, ALV und FAK – zuzüglich Verzugszinsen. Der Arbeitgeber haftet für diese Beiträge, nicht der Arbeitnehmende.
  • In Folge muss er die zusätzliche Lohnsumme auch der Unfallversicherung und einer allfälligen Krankentaggeldversicherung melden und Nachtragszahlungen leisten.
  • Sollte das jährliche Honorar die Eintrittsschwelle für den Anschluss an die Pensionskasse überschreiten, ist ein rückwirkender Anschluss vorzunehmen.
  • Zusätzlich könnten arbeitsrechtliche Forderungen gestellt werden seitens des Auftragnehmenden oder von Behörden.

Die Beiträge werden in der Regel bis fünf Jahre rückwirkend nachgefordert, so lange beträgt die grundsätzliche Verjährungsfrist bei den Sozialversicherungen. Im BVG kann es jedoch weiter zurückgehen, wie in diversen Bundesgerichtsentscheiden festgehalten wurde. Schlimmstenfalls zurück bis ins Jahr der Einführung des BVG 1985.

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