Änderungskündigung Schweiz: Ist die Umteilung vom Nacht- in den Tagdienst rechtmässig?

Eine mehrjährige Mitarbeiterin wurde nach mehreren Vorfällen vom Nacht- in den Tagdienst umgeteilt. Das Bundesgericht musste sich im Urteil 8C_173/2022 vom 9. September 2022 der Frage widmen, ob es sich hierbei um eine widerrechtliche Änderung ihrer Arbeitsbedingungen und eine Persönlichkeitsverletzung handelte, oder ob die Umteilung rechtmässig war und im Rahmen der betrieblichen Organisationsautonomie lag. Anhand des Bundesgerichtsentscheids wird erläutert, ob die Umteilung vom Nacht- in den Tagdienst eine Änderungskündigung Schweiz darstellt.

28.01.2025 Von: David Schneeberger
Änderungskündigung Schweiz

Änderungskündigung Schweiz: Sachverhalt/Hintergrund

Die 1964 geborene A arbeitete ab Frühjahr 1987 als Pflegeassistentin im Alterszentrum B der Stadt Opfikon. Nachdem bei diesem während der vergangenen Jahre, letztmals am 12. April 2020, verschiedene Meldungen bzw. Reklamationen bezüglich des Umgangs und der Kommunikation von A gegenüber den Bewohnerinnen und Bewohnern eingegangen waren, setzte dieses anlässlich des Standortgesprächs vom 18. April 2020 unter Aushändigung einer Zielvereinbarung eine dreimonatige Bewährungsfrist fest. Zudem wurde A per sofort von der Nachtwache in den Tagdienst der Wohngruppe C umgeteilt. Nachdem sie vom 20. April bis 31. Juli 2020 krankgeschrieben war, trat sie am 3. August 2020 ihre Arbeit im Tagdienst an. Das Alterszentrum hatte sie bereits mit Schreiben vom 2. Juli 2020 über seine Beurteilung und die Eckpunkte der weiteren Zusammenarbeit informiert. Es hatte in diesem Rahmen insbesondere an der Umteilung in den Tagdienst in der Wohngruppe C festgehalten und konstatiert, für den Einsatz im Tagdienst sei keine neue bzw. keine Änderungskündigung des Arbeitsvertrags notwendig, da die geltende Anstellungsverfügung nicht zwischen Tag- und Nachtdienst unterscheide.

Mit Eingabe vom 28. Juli 2020 hatte A unter anderem um Durchführung einer vertraulichen internen Untersuchung, um Aufhebung des "Entscheids des Alterszentrums" vom 18. April 2020, um Bestätigung des bestehenden Arbeitsvertrags und um Ausrichtung einer Entschädigung von sechs Monatslöhnen aufgrund einer missbräuchlichen Änderungskündigung Schweiz, eventualiter einer Abfindung in der Höhe von 15 Monatslöhnen, sowie einer Geldsumme von insgesamt Fr. 20'000.- als Schadenersatz und Genugtuung ersuchen lassen. Nach Durchlaufen der gerichtlichen Instanzen reichte A eine Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht ein. Dieses entschied mit Urteil vom 9. September 2022 (BGer-Urteil 8C_173/2022).

Relevante Rechtsbestimmungen

Im Beitrag ausgeführt.

Entscheid des Bundesgerichts (gekürzt)

5. Das kantonale Gericht kam zum Schluss, dass die Rechtsprechung, wonach unwesentliche Änderungen des Tätigkeitsbereichs und kleinräumige Verlegungen des Arbeitsorts keine anfechtbaren Anordnungen seien, auch bezüglich der Umteilung vom Nacht- in den Tagdienst gelte. Ungeachtet des fehlenden Verfügungscharakters lasse die Gerichtspraxis die Anfechtung solcher Akte gleichwohl zu, wenn das Rechtsschutzinteresse dies gebiete. Dies sei ausnahmsweise dann der Fall, wenn die in Frage stehende Massnahme eine Persönlichkeitsverletzung oder eine (versteckte) disziplinarische Massnahme darstellen könnte. Die Beschwerdeführerin bringe nicht vor, weshalb ihr die Umteilung aus objektiv nachvollziehbaren Gründen nur unter Einräumung einer angemessenen Übergangsfrist zumutbar gewesen wäre. Daher lasse sich nicht auf eine Persönlichkeitsverletzung schliessen. Die interne Information an das Nachtwache-Team, die als fristlose Entlassung der Beschwerdeführerin habe aufgefasst werden können, sei zwar grundsätzlich geeignet, die Persönlichkeitsrechte zu verletzen. Durch die bereits am nächsten Tag erfolgte Mitteilung, dass die Beschwerdeführerin (künftig) im Tagdienst eingesetzt werde, sei dies aber jedenfalls umgehend wieder gutgemacht worden. 

Auch das Unterlassen (vertiefter) Abklärungen zum Vorfall vom 12. April 2020 stelle keine Persönlichkeitsverletzung dar. Da schliesslich gleichzeitig mit der Umteilung eine Bewährungsfrist angesetzt worden sei, habe die zukünftige Tätigkeit der Beschwerdeführerin im Tagdienst Beurteilungsgrundlage für einen Fortbestand des Anstellungsverhältnisses gebildet. Gemäss übereinstimmenden Angaben der Parteien habe sich die Beschwerdeführerin seit August 2020 erfolgreich im neuen Team im Tagdienst integriert. Das Standortgespräch vom 18. April 2020 mit der angesetzten "Bewährungsfrist" sei damit ohne Folgen für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin als Angestellte bei der Beschwerdegegnerin geblieben. 

6. Die so begründete vorinstanzliche Verneinung einer rechtwidrigen Umteilung, einer damit verbundenen Persönlichkeitsverletzung und der Ablehnung von Genugtuungsansprüchen beruht auf einer einlässlichen Würdigung der Sach- und Rechtslage. Die Beschwerdeführerin vermag nicht aufzuzeigen, inwiefern die Sachverhaltsfeststellung offensichtlich unrichtig und die daraus gezogenen rechtlichen Schlüsse willkürlich sein sollten: 

6.1

6.1.1. Die Rügen der Beschwerdeführerin richten sich hauptsächlich gegen den Umstand, dass das kantonale Gericht den Sachverhalt in Bezug auf die Vorkommnisse in der Nacht vom 12. April 2020 als nicht näher abklärungsbedürftig qualifiziere. Darin sieht sie eine Verletzung sowohl von Bundesrecht als auch von kantonalem Recht sowie einen Verstoss gegen das Willkürverbot und diverse Grundrechte der Bundesverfassung. Zur Begründung gibt sie an, die periodischen Standortgespräche mit den Zielvereinbarungen und den festgelegten Konsequenzen im Falle des Nichtbefolgens derselben würden einen verbindlichen rechtlichen Rahmen, eine Vertrauensgrundlage, zwischen Beschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin bilden, der im Sinne einer "clausula rebus sic stantibus" festlege, was die Parteien voneinander erwarten könnten. Das kantonale Gericht habe übersehen, dass der Grundsatz "pacta sunt servanda" auch im öffentlichen Recht als ungeschriebenes Bundesrecht gelte. Dieser Grundsatz sei hier verletzt, weshalb das angefochtene Urteil unhaltbar und willkürlich sei. 

6.1.2. Der Argumentation der Beschwerdeführerin kann allerdings schon deshalb nicht gefolgt werden, weil sie mit keinem Wort erwähnt, welche Abmachungen im Rahmen der Standortgespräche in Bezug auf die Einteilung in Tag- und Nachtdienst getroffen worden sein sollen. Solche Vereinbarungen gehen aus den bei den Akten liegenden Personalunterlagen denn auch nicht hervor. Vielmehr wurde diesbezüglich unter anderem in der letzten vor dem 12. April 2020 datierenden Mitarbeiterbeurteilung vom 7. Februar 2019 festgehalten, die Beschwerdeführerin zeige im Rahmen ihrer Anstellung, dass sie auch bereit sei, sich mit Tageseinsätzen einzubringen. Die Beschwerdeführerin selber ergänzte zudem handschriftlich, dass sie künftig ab und zu Tagdienst leisten würde, um die eigene Fachkompetenz zu verbessern. Da somit keine Abmachungen bezüglich Nachtdienst – auch nicht in Form einer Zielvereinbarung – auszumachen sind und unbestrittenermassen weder in den Anstellungsverfügungen noch im Funktionsbeschrieb der ausschliessliche Einsatz im Nachtdienst zugesichert worden war, lässt sich der Vorinstanz nicht Willkür vorwerfen, soweit sie folgert, es liege in der betrieblichen Organisationsautonomie der Beschwerdegegnerin, personelle Umteilungen vom Nacht- in den Tagdienst vorzunehmen. 

6.2. Die Beschwerdeführerin widerspricht sodann der vorinstanzlichen Feststellung nicht, wonach die Lohneinreihung und -einstufung (nach der Umteilung) unverändert geblieben sei, behauptet aber gleichzeitig, eine gravierende Lohneinbusse von 20 % zu erleiden, die das kantonale Gericht als irrelevant eingestuft habe. Aus dieser "Lohneinbusse" gehe hervor, dass es sich bei der Umteilung um eine Sanktion handle, was im angefochtenen Urteil "hingenommen" worden sei. Auch dieser Einwand verfängt nicht. Das kantonale Gericht weist ausdrücklich darauf hin, dass die vormals gewährten Zuschläge und Zeitgutschriften für den geleisteten Nachtdienst nicht Bestandteil des durch die Anstellungsverfügungen begründeten Lohnanspruchs aus dem Grundverhältnis waren, sondern vielmehr ein Ausgleich für die psychische und physische Belastung durch den Nachtdienst. Aus dem Wegfall der Zuschläge und Zeitgutschriften ab Umteilung in den Tagdienst kann folglich nicht auf eine Sanktion geschlossen werden. 

In Frage stellen lässt sich hingegen zunächst, dass die Vorinstanz die Umteilung in den Tagdienst nicht als (versteckte) disziplinarische Massnahme qualifiziert hat. Immerhin räumt sie ein, dass die sofortige Umteilung von der langjährig im Nachtdienst tätig gewesenen Beschwerdeführerin subjektiv als einschneidende Massnahme empfunden worden sein möge. Die Feststellung, dass es mit der Umteilung vom Nacht- in den Tagdienst um die Zuweisung eines geeigneteren Arbeitsplatzes bzw. um einen zweckmässigeren Einsatz der Beschwerdeführerin gegangen sei, weshalb es keine Rolle spiele, dass eine Beanstandung eines Bewohners – unabhängig davon, ob diese zutreffe – Hauptauslöser der Umteilung gewesen sei, ist jedoch insgesamt vertretbar. Das kantonale Gericht durfte unter diesen Umständen von ergänzenden Abklärungen zur (Un-) Begründetheit der Beanstandungen eines Bewohners des Alterszentrums in der Nacht vom 12. April 2020 ohne Weiteres absehen. Eine Verletzung des Rechts auf Beweis (Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK) liegt vor diesem Hintergrund entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ebenfalls nicht vor. Unter dem Blickwinkel der Willkür hält das angefochtene Urteil deshalb Stand. 

6.3. Eine Fürsorgepflichtverletzung der Beschwerdegegnerin fällt bereits deshalb ausser Betracht, weil die Beschwerdeführerin auch letztinstanzlich keine objektiv nachvollziehbaren Gründe benennt, die der Umteilung vom Nacht- in den Tagdienst entgegengestanden wären oder die Notwendigkeit einer längeren Übergangsfrist hätten aufzeigen können. 

6.4. Schliesslich kann auch in der Verneinung einer Persönlichkeitsverletzung durch die missverständliche interne Information der Beschwerdegegnerin an das Nachtwache-Team über den Abzug der Beschwerdeführerin aus dem Nachtdienst keine Willkür gesehen werden. Denn die Situation wurde den Informationsempfängern gegenüber bereits am nächsten Tag klargestellt. Die Beschwerdeführerin vermag nicht rechtsgenüglich darzutun, weshalb unter diesen Umständen dennoch auf eine Persönlichkeitsverletzung geschlossen werden müsste.  

6.5. Liegt zusammenfassend keine Persönlichkeitsverletzung vor, so erübrigen sich Weiterungen zur geforderten Genugtuung "in natura" sowie in Form einer Entschädigung von Fr. 30'000.–. 

6.6. Die weitere Kritik beschränkt sich im Wesentlichen darauf, den vorinstanzlichen Ausführungen die eigene Sichtweise gegenüberzustellen, ohne sich unter Willkürgesichtspunkten mit den Erwägungen des kantonalen Urteils auseinanderzusetzen. Darauf ist nicht näher einzugehen. Die Beschwerde ist unbegründet und deshalb abzuweisen.  

Urteil 

Die Beschwerde wird abgewiesen. Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.– werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 

Zusammenfassung & Fazit

Das Urteil des Bundesgerichts verdeutlicht die Bedeutung der betrieblichen Organisationsautonomie, insbesondere im öffentlichen Dienst. Die Entscheidung bestätigt, dass Arbeitgeber innerhalb gewisser Grenzen berechtigt sind, ihre Mitarbeiter umzuorganisieren, ohne dass dies als Vertragsänderung oder als Änderungskündigung des Arbeitsvertrags betrachtet werden muss. Dies schützt die Flexibilität von Arbeitgebern, ihren Betrieb effizient zu organisieren, solange keine spezifischen Abmachungen oder Zusicherungen verletzt werden. Kritisch betrachtet erscheint jedoch die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin seit 1987 im Nachtdienst tätig war und somit eine beträchtliche Anpassung vorgenommen werden musste. Obwohl das Gericht feststellte, dass keine objektiv nachvollziehbaren Gründe gegen die Umteilung vorlagen, hätte eine längere Übergangsfrist die berufliche und persönliche Anpassung der Beschwerdeführerin erleichtern können. Dies könnte als Fürsorgepflicht des Arbeitgebers betrachtet werden, um den Wechsel zu erleichtern und potenzielle Belastungen zu minimieren.

Ein weiterer Punkt ist die kurzfristige Missverständlichkeit der internen Kommunikation, die zwar schnell korrigiert wurde, aber dennoch Anlass zu Unsicherheiten und möglicherweise zu emotionalem Stress geführt haben könnte. Die klare und rechtzeitige Kommunikation solcher Umstrukturierungen ist essenziell, um Missverständnisse und die damit verbundenen möglichen Persönlichkeitsverletzungen zu vermeiden. Insgesamt zeigt das Urteil die Notwendigkeit einer sorgfältigen Abwägung zwischen betrieblichen Erfordernissen und den Rechten sowie dem Wohl der Mitarbeitenden im Kontext einer Änderungskündigung Schweiz.

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