Urheberrechte im Arbeitsverhältnis: Wem gehören die bei der Arbeit geschaffenen Werke?

Die meisten Arbeitgeber gehen davon aus, dass sämtliche durch die Arbeitnehmenden geschaffenen Arbeitsergebnisse ihnen gehören. Bei urheberrechtlich geschützten Werken ist die Rechtslage jedoch komplexer. Wir zeigen auf, was bei Urheberrechten im Arbeitsverhältnis zu beachten ist.

24.09.2024 Von: Sara Ledergerber, André Lerch
Urheberrechte im Arbeitsverhältnis

Worum geht es beim Urheberrecht?

Stellen Sie sich vor, vorliegender Artikel wurde nicht allein von den angegebenen Autoren, sondern unter Mithilfe deren Mitarbeiterin verfasst. Ist es zulässig, dass diese Mitarbeiterin nicht als Autorin genannt wird? Wenn ein angestellter Fotograf bei einer öffentlichen Veranstaltung ein Foto des amerikanischen Präsidenten macht, welches danach tausendfach als Poster verkauft wird, wem gehören dann die Rechte an der Fotografie? Dem Arbeitgeber des Fotografen oder dem Mitarbeiter selbst? Solche und ähnliche Fragen regelt das Urheberrecht.

Das Urheberrecht ist Teil des Immaterialgüterrechts. Bei diesem geht es um den Schutz des geistigen (unkörperlichen) Eigentums. Nebst dem Urheberrecht, welches Werke der Literatur und Kunst schützt, ist im Arbeitsrecht vor allem auch das Patentrecht von Relevanz, welches sich dem Schutz von Erfindungen widmet.

Welche Werke sind durch das Urheberrecht geschützt?

Werke im urheberrechtlichen Sinne sind geistige Schöpfungen im Bereich der Kunst und Literatur, wobei die Begriffe «Kunst und Literatur» sehr weit gefasst werden. Dazu gehören unter anderem literarische Texte jeglicher Art; vom Roman über die wissenschaftliche Abhandlung bis hin zu Werbetexten, visuelle Werke wie Fotografien und Filme, Musik, Werke mit wissenschaftlichem oder technischem Inhalt wie Zeichnungen, Pläne und Karten, Werke der Baukunst und so weiter. 

Damit ein Werk urheberrechtlichen Schutz geniesst, muss es einen «individuellen Charakter» aufweisen, d.h. einen gewissen Grad an Individualität bzw. Originalität besitzen. Wann ein solcher individueller Charakter vorliegt, ist im Einzelfall zu prüfen. So ist etwa nicht jeder von Mitarbeitenden verfasste Text durch das Urheberrecht geschützt. Die Abgrenzung eines Werks mit individuellem Charakter von einem nicht schützenswerten Werk ohne individuellen Charakter kann teilweise schwierig sein. Das Bundesgericht hat beispielsweise einem von Mitarbeitern der Genfer Feuerwehr erstellten «Guide Orange» (Verzeichnis gefährlicher Produkte) einen individuellen Charakter zugesprochen.

Was regelt das Urheberrecht?

Das Urheberrecht regelt die Persönlichkeits- und Nutzungsrechte an urheberrechtlich geschützten Werken. Letztere sind übertragbar, die Urheberpersönlichkeitsrechte hingegen nicht.

Bei den Nutzungsrechten geht es vereinfacht gesagt darum, zu bestimmen, wer ein Werk verwerten darf, d.h. wer es kommerziell nutzen, verbreiten und vervielfältigen darf.

Bei den Urheberpersönlichkeitsrechten stehen das Recht, als Urheber genannt zu werden, sowie das Recht auf Werkintegrität (Schutz vor Entstellung) im Vordergrund.

Fehlende gesetzliche Regelungen im Arbeitsverhältnis

Im Bereich des Patenrechts gibt es spezifische gesetzliche Regelungen, welche festhalten, unter welchen Umständen Erfindungen von Mitarbeitenden dem Arbeitgeber gehören. Das Urheberrecht kennt mit Ausnahme der Regelung für Software, deren Urheberrechte von Gesetzes wegen dem Arbeitgeber zufallen, keine solchen gesetzlichen Regelungen für von Mitarbeitenden im Rahmen des Arbeitsverhältnisses geschaffene Werke.

TIPP FÜR ARBEITGEBER
Mangels gesetzlicher Regelung zu Urheberrechten im Arbeitsverhältnis ist es für Arbeitgeber wichtig, eine vertragliche Regelung zur Übertragung der Nutzungsrechte an urheberrechtlich geschützten Werken in den Arbeitsvertrag aufzunehmen. Eine solche Regelung empfiehlt sich vor allem bei schöpferisch/kreativ tätigen Mitarbeitenden wie Journalisten, Grafikern, Architekten etc.

Im Urheberrecht gilt das sogenannte Schöpferprinzip, wonach die Urheberrechte am Werk originär dem Schöpfer des Werks zukommen. Dieses Prinzip kollidiert mit dem im Arbeitsrecht ansonsten geltenden Prinzip, wonach der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber alles sofort herauszugeben hat, was er in Ausübung seiner Tätigkeit hervorbringt. 

Mit anderen Worten, im Kontext eines Arbeitsverhältnisses entstehen die Urheberrechte zunächst bei der Arbeitnehmerin, welche das Werk erschafft, und nicht direkt beim Arbeitgeber. In der Folge stellt sich die Frage, in welchem Umfang die Rechte aufgrund des bestehenden Arbeitsverhältnisses auf den Arbeitgeber übertragen werden. Sofern im Arbeitsvertrag keine Vereinbarung betreffend die Übertragung von Urheberrechten getroffen wurde, ist unklar, in welchem Umfang eine Übertragung stattfindet. Grundsätzlich ist sodann in Bezug auf das konkrete Werk abzuklären, was die Parteien wollten. Lässt sich kein übereinstimmender Parteiwille eruieren, kommt die sogenannte Zweckübertragungstheorie ins Spiel.

Zweckübertragungstheorie

Die Zweckübertragungstheorie besagt, dass die Urheberrechte an einem Werk nur in demjenigen Umfang vom Schöpfer auf den Auftraggeber übergehen, den der Vertragszweck erfordert. Für das Arbeitsrecht bedeutet dies Folgendes: Wird eine Mitarbeiterin dazu angehalten, in Ausübung ihrer dienstlichen Tätigkeit und in Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten ein Werk zu schaffen (sog. Pflicht- oder Dienstwerke), gehen die Nutzungsrechte am Werk auf den Arbeitgeber über, ohne dass es hierfür einer vertraglichen Abmachung oder einer zusätzlichen Entschädigung bedarf. Je nach Umständen kann es aber zu Unklarheiten kommen, in welchem Umfang die Nutzungsrechte übergehen und ob insbesondere das Recht zur Änderung/Ergänzung des Werks mitübertragen wird.

Wird ein Werk vom Arbeitnehmer nicht in Ausübung der vertraglichen Pflichten geschaffen oder nicht während der Ausübung der dienstlichen Tätigkeit, ist die Rechtslage bezüglich der Urheberrechte ebenfalls unklar. Einzelne Stimmen in der Lehre plädieren dafür, dass, sofern der Arbeitgeber eine Verwendung für ein solches Werk hätte (d.h. dieses in seinen Tätigkeitskreis fällt), eine Pflicht des Arbeitnehmers besteht, die Nutzungsrechte am Werk dem Arbeitgeber gegen eine angemessene Entschädigung zu überlassen.

Vor diesem Hintergrund ist es vor allem in Arbeitsverhältnissen mit kreativ/schöpferisch tätigen Mitarbeitenden wie Journalisten, Grafikern, Architekten etc. äusserst wichtig, eine vertragliche Regelung bezüglich der Übertragung der Urheberrechte in den Arbeitsvertrag aufzunehmen.

Recht auf Nennung als Autor

Zurückkommend auf die einleitend gestellte Frage ist Folgendes festzuhalten: Hätte tatsächlich eine Mitarbeiterin der beiden als Autoren angeführten Anwälte vorliegenden Text mitverfasst, wären zwar die Nutzungsrechte an diesem Text infolge deren Arbeitgebereigenschaft auf die Autoren übergegangen. Hingegen wäre das Recht, als Co-Autorin genannt zu werden, bei der Mitarbeiterin verblieben. Unter Berufung auf Art. 9 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz könnte die Mitarbeiterin daher verlangen, dass sie als Co-Autorin angeführt würde.

Entscheid Bob Marley II

Das zweite Beispiel des Fotos eines amerikanischen Präsidenten lehnt sich an den in der Schweiz unter der Bezeichnung «Bob Marley II» bekannt gewordenen Gerichtsfall an, welchem folgender Sachverhalt zugrunde lag: 

Der angestellte Fotograf M. Messerli schoss auf einem Konzert in Santa Barbara, Kalifornien, ein Foto von Bob Marley. Das Foto wurde danach von der Arbeitgeberin des Fotografen für eine Berichterstattung über den Musiker anlässlich dessen Tod verwendet. Jahre später wurde die Arbeitgeberin von einer anderen Gesellschaft übernommen, welche das im Archiv vorhandene Foto von Bob Marley mit grossem Erfolg für die Herstellung von Postern verwendete. In der Folge machte der Fotograf geltend, dass die Nutzungsrechte am Bild ihm gehörten, da er das Foto in seiner Freizeit aufgenommen habe und es nicht in Ausübung seiner Tätigkeit für seine damalige Arbeitgeberin entstanden sei. Das Gericht konnte die Frage, ob das Bild in der Freizeit oder in Ausübung der vertraglichen Verpflichtungen entstand, schlussendlich offenlassen, da es befand, der Fotograf habe mit der vorbehaltslosen Übergabe der Fotografie in das Archiv der Arbeitgeberin sämtliche Nutzungsrechte am Bild an die Arbeitgeberin übertragen. 

Für das einleitend angeführte Beispiel bedeutet dies, dass zuerst geklärt werden muss, in welchem Rahmen das Bild entstanden ist. Wurde das Bild nicht explizit in Ausübung der dienstlichen Tätigkeit aufgenommen, bleibt die Rechtslage ohne klare vertragliche Regelung der Urheberrechte unklar.

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