Arbeitsvertrag ändern: So gelingt es mit und ohne Änderungskündigung

Insbesondere bei länger dauernden Arbeitsverhältnissen muss man früher oder später den Arbeitsvertrag ändern. Mit den richtigen Kenntnissen und der Beachtung der rechtlichen Vorgaben können Anpassungen von Arbeitsverträgen rechtssicher und sozialverträglich durchgeführt werden. Dazu zählt auch das Änderungskündigungsverfahren, wie der folgende Beitrag zeigt.

05.11.2024 Von: Astrid Lienhart
Arbeitsvertrag ändern

Selbst dieser Tage wandern oft Arbeitsverträge über meinen Tisch, die vor 20 oder mehr Jahren abgeschlossen worden sind. Die (potenziell) lange Dauer von Arbeitsverhältnissen ruft das Bedürfnis nach Anpassung der Verträge hervor. Aber auch aus anderen Gründen müssen Arbeitsverträge ab und zu aktualisiert werden. Zu denken ist z.B. an den Zusammenschluss zweier Unternehmen, infolge desser die Anstellungsbedingungen der beiden Unternehmungen einander angeglichen werden, oder an neue Regelungen zu variablen Lohnkomponenten.

Da Arbeitsverträge zu den sozial besonders empfindlichen Verträgen gehören, sind Arbeitgeber bei diesen Änderungsvorgängen einer Reihe von Vorschriften unterworfen, die sie kennen sollten. Nichtbeachtung kann empfindliche Nachteile nach sich ziehen. In diesem Beitrag wird eine Übersicht zu den verschiedenen Vorgehensweisen gegeben und darüber, was beim Arbeitsvertrag ändern zu beachten ist.

Arbeitsvertrag ändern: Einvernehmliche schriftliche Vertragsanpassungen

Einvernehmliche Vertragsanpassungen beruhen auf dem Konsens beider Parteien. Wenn z.B. eine Arbeitgeberin nach 25 Jahren beschliesst, die Verträge und die Reglemente zu modernisieren und auf den neuesten Stand zu bringen und diese neuen Verträge resp. Reglemente von den Angestellten unterschrieben und damit angenommen werden, handelt es sich um eine solche einvernehmliche Vertragsanpassung.

TIPP 
In der Praxis bewährt es sich, eine Informationsveranstaltung durchzuführen, an der – allenfalls sogar durch die involvierte Arbeitsrechtsspezialistin oder den -spezialisten – die Mitarbeitenden Schritt für Schritt durch die Neuerungen geführt werden und die Gelegenheit erhalten, Fragen zu stellen. Nach der Informationsveranstaltung erhalten dann alle ihren neuen, bereits individualisierten Arbeitsvertrag verbunden mit einer Mitteilung, bis wann der unterschriebene Vertrag zurückgeschickt werden soll. Es ist wichtig, der Belegschaft ausreichend Zeit zu geben, sich mit dem neuen Vertrag und/ oder Reglement zu beschäftigen, Fragen zu stellen oder sich sogar Beratung zu holen. Setzen Sie also keine zu knapp bemessenen Annahmefristen, sondern lassen Sie den Angestellten mindestens eine Woche Zeit zur Prüfung. Es schadet zudem nicht, darauf hinzuweisen, dass im Falle einer Nichtannahme das Änderungskündigungsverfahren durchgeführt wird (dazu später mehr).

Konkludente Vertragsanpassungen und Grenzen der stillschweigenden Annahme

Komplizierter wird es, wenn veränderte Bedingungen nicht schriftlich vereinbart, sondern nur durch konkludentes Handeln angenommen werden. Grundsätzlich ist es wichtig, zwischen Verbesserungen und Verschlechterungen für den Arbeitnehmer zu unterscheiden, wenn man einen Arbeitsvertrag ändern möchte:

Verbesserungen: Diese werden oft stillschweigend angenommen, da sie in der Regel im Interesse des Arbeitnehmers sind. Der Klassiker stellt eine Lohnerhöhung dar, welche einseitig von der Arbeitgeberin kommuniziert und auf ein bestimmtes Datum umgesetzt wird.

Da kaum jemand ernsthaft etwas gegen mehr Lohn für die gleiche Arbeitsleistung haben wird, geht man bei widerspruchsloser Annahme des neuen Lohns von einer konkludenten Annahme des geänderten Vertrags aus. 

Verschlechterungen: Nicht ganz so eindeutig ist die Situation indessen bei Lohnsenkungen. Gemäss der Rechtsprechung darf man in solchen Fällen nur zurückhaltend von der Zustimmung des Arbeitnehmers ausgehen. Als Faustregel wird erst dann von der Zustimmung zu einer Lohnsenkung ausgegangen, wenn der gesenkte Lohn mindestens dreimal widerspruchslos vom Arbeitnehmer in Empfang genommen worden ist, sofern nicht besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer eine Arbeitgeberin trotz Schweigen des Arbeitnehmenden nicht eine Zustimmung hätte schliessen dürfen.

TIPP
Insbesondere bei Verschlechterungen von Arbeitsbedingungen ist es aus Gründen der Rechtssicherheit empfehlenswert, eine kurze schriftliche Vereinbarung dazu aufzusetzen. Ansonsten laufen Arbeitgeber allenfalls Gefahr, auf den alten Bedingungen behaftet zu werden, wenn deren Annahme durch einen Mitarbeiter nicht nachgewiesen werden kann.

PRAXISBEISPIEL
In einem Betrieb wird die wöchentliche Arbeitszeit von 40 auf 42 Stunden pro Woche heraufgesetzt. Alle Mitarbeitenden ausser einer Person erhalten einen neuen Vertrag. Nach Ansicht der Arbeitgeberin hätte die neue Arbeitszeit auch für diese eine Person Geltung haben müssen. Da aber kein neuer Arbeitsvertrag geschlossen wurde und diese Person in der Folge nach wie vor auf der Basis einer 40-Stunden-Woche arbeitete (was lange niemandem auffiel), kann die Arbeitgeberin die 42-Stunden-Woche später gegenüber dieser Person nicht durchsetzen.

Änderungskündigungen

Können sich die Parteien eines Arbeitsvertrags nicht einvernehmlich auf geänderte Bedingungen einigen, und will eine Vertragspartei den Vertrag zu den alten Bedingungen nicht mehr weiterführen, können Änderungskündigungen ausgesprochen werden.

Genau genommen handelt es sich bei Änderungskündigungen um einen zweistufigen Vorgang: Der alte Arbeitsvertrag wird gekündigt, und gleichzeitig wird ein neuer Arbeitsvertrag angeboten, der vom Mitarbeiter angenommen werden kann, aber nicht muss (in der Regel gehen Änderungskündigungen von den Arbeitgeberinnen aus, das muss aber nicht so sein). Wird er nicht angenommen, endet der alte Arbeitsvertrag ohne Weiteres nach Beendigung der Kündigungsfrist. Wird er angenommen, wird das Arbeitsverhältnis zu den neuen Bedingungen fortgeführt. Wichtig zu beachten ist, dass auch bei Annahme des neuen Arbeitsvertrags die Kündigungsfrist einzuhalten ist, bevor die neuen Bedingungen Platz greifen. Eine kurzfristige Einführung neuer Bedingungen ohne Beachtung der Kündigungsfrist des alten Vertrags könnte als missbräuchlich angesehen werden.

Aus der Zweistufigkeit des Vorgangs ist zu erkennen, dass die Einführung von Vertragsänderungen über ein Änderungskündigungsverfahren ebenfalls kein einseitiger Vorgang ist, mit welchem eine Vertragspartei einseitig Änderungen aufzwingen kann. Vielmehr braucht es auch bei diesem Vorgang letztendlich den Konsens der anderen Vertragspartei. Der Hauptunterschied zur konsensualen Vertragsänderung besteht einfach darin, dass gleich von Anfang an klargemacht wird, dass der alte Vertrag so nicht mehr fortgeführt und beendet wird. Der Arbeitnehmer hat damit die Wahl, eine Stelle zu den geänderten Bedingungen zu haben oder die Stelle zu verlieren. Der Druck, der dadurch entsteht, ist grundsätzlich akzeptiert, solange er nicht übermässig ist (siehe dazu sogleich).

Eingeschränkte Kündigungsfreiheit

Das Schweizer Arbeitsrecht kennt bekanntlich die Kündigungsfreiheit. Es braucht keine besonderen Gründe, um ein Arbeitsverhältnis zu beenden. Einzige Schranke ist das Missbrauchsverbot. Bei Änderungskündigungen jedoch ist diese Kündigungsfreiheit eingeschränkt: Im Unterschied zu normalen Kündigungen müssen Änderungskündigungen verhältnismässig und sachlich gerechtfertigt sein. Zu einschneidende Vertragsverschlechterungen, sachlich nicht gerechtfertigte Änderungen, starke Druckausübung oder Kurzfristigkeit können eine Änderungskündigung als missbräuchlich qualifizieren.

Vertrags- und Reglementsüberarbeitungen in grösseren Unternehmungen

Insbesondere von grösseren Arbeitgeberinnen sind im Zusammenhang mit Vertrags- und Personalreglementserneuerungen die Bestimmungen betreffend die Massenentlassung und die Sozialplanverhandlungspflicht zu beachten (Art. 335d ff. OR). Denn sollten im Zuge der Einführung z.B. eines neuen Personalreglements zu viele Arbeitnehmende nicht mit den neuen Arbeitsbedingungen einverstanden sein und sich die Arbeitgeberin deshalb zu vielen (Änderungs-)Kündigungen veranlasst sehen, fallen diese möglicherweise in den Anwendungsbereich dieser Bestimmungen.

Als Massenentlassungen gelten gemäss Art. 335d OR Kündigungen, die eine Arbeitgeberin innert 30 Tagen aus Gründen ausspricht, die in keinem Zusammenhang mit der Person des Arbeitnehmers stehen und von denen betroffen werden: 

  • mindestens zehn Arbeitnehmer in Betrieben zwischen 20 und 100 Arbeitnehmern
  • mindestens 10% der Arbeitnehmer in Betrieben zwischen 100 und 300 Arbeitnehmern
  • mindestens 30 in Betrieben ab 300 Arbeitnehmern


Beabsichtigt die Arbeitgeberin eine Massenentlassung, so hat sie das Arbeitsamt zu informieren und eine Reihe von weiteren Vorschriften einzuhalten. Tut sie das nicht, können die nachfolgenden Kündigungen als missbräuchlich qualifiziert werden. Aus diesen Gründen ist es wichtig, die gesetzlichen Vorschriften frühzeitig im Vertrags- und/oder Personalreglementserneuerungsprozess miteinzubeziehen, damit auch die gesetzlichen Vorschriften eingehalten werden, falls zu einem späteren Zeitpunkt das Aussprechen von massenhaft Änderungskündigungen notwendig wird.

Bei grösseren Veränderungen kann auch die Pflicht, in Verhandlungen für einen Sozialplan zu treten, anwendbar sein. Ein Sozialplan dient dazu, die wirtschaftlichen Folgen von Kündigungen für die betroffenen Arbeitnehmer abzumildern. Auch hier sind Arbeitgeberinnen gut beraten, frühzeitig zu prüfen, ob eine Sozialplanpflicht besteht, und entsprechende Massnahmen zu ergreifen.

Fazit

Änderungskündigungen sind ein komplexes Thema. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten sich der rechtlichen Rahmenbedingungen und der möglichen Konsequenzen bewusst sein. Eine sorgfältige Planung und transparente Kommunikation sind entscheidend, um rechtliche Fallstricke zu vermeiden und eine faire Lösung für beide Parteien zu finden. Mit den richtigen Kenntnissen und der Beachtung der rechtlichen Vorgaben können Anpassungen von Arbeitsverträgen rechtssicher und sozialverträglich durchgeführt werden.

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