Führen in Teilzeit: 7 Tipps zur Umsetzung im Unternehmen
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„Ganz oder gar nicht“-Denkmuster weiterhin anzutreffen…
Denkmuster halten sich lange – und vehement. Gerade, wenn es sich um das Führen in Teilzeit dreht. Wird danach gefragt, schlagen dem Gesprächspartner Meinungen (vielleicht auch pauschale Vorurteile) entgegen wie
- „Führen geht ganz oder gar nicht“
- „Das funktioniert vielleicht in Behörden, aber nicht in der freien Wirtschaft.“
- „Bei uns ist dies nicht umsetzbar. Und wird von den Führungskräften nicht gefordert.“
- „Führungskräfte in Teilzeit sind schlechter erreichbar.“
- „Vorgesetzte müssen jederzeit ansprechbar sein – natürlich vor Ort.“
- „Teilzeit erfordert immer einen höheren Koordinations- und Organisationsaufwand.“
- „Die Führungskraft wird in ihrer Funktion nicht respektiert und anerkannt.“
…aber der Kulturwandel zeigt sich immer mehr
Wandel ist nicht zu stoppen – weder im Unternehmen, noch in puncto „Führen in Teilzeit“. Nicht allein während der Corona-Pandemie mit den Lockdowns und dem Arbeiten im Homeoffice wurden plötzlich andere Realitäten gefordert – und somit ermöglicht. Die Führungskraft musste nicht permanent erreichbar, noch vor Ort ansprechbar sein. War sie im Grunde auch vorher nicht, wenn einmal all die Geschäftstermine, innerhalb und ausserhalb des Unternehmens, in Betracht gezogen werden. Ganz zu schweigen von dem Fakt: Durch das Arbeiten im Homeoffice endlich eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu bieten (zwar unter erschwerten Corona-Bedingungen, aber immerhin). So wurden Denkmuster durchbrochen, die längst und schon seit langem in Frage gestellt wurden. Denn
- der Fachkräftemangel fordert auch gerade nach neuen Arbeitszeitangeboten, um attraktiv für die Bewerber zu sein,
- die Generationen Y und Z wünschen sich eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf,
- Führungskräfte der Generation 55+ wollen sich dagegen weiterhin aktiv einbringen (vielleicht sogar über das Rentenalter hinaus), aber nicht mehr zu den bisher üblichen Wochenarbeitsstunden,
- manche Frauen wollen nach der Elternzeit noch nicht voll ins Unternehmen zurückkehren.
Gründe gibt es mehr als genug, um endlich den Schritt „Führen in Teilzeit“ zu vollziehen. Denn gewünscht und erwünscht ist er schon seit langem. Machbar auch.
Hinweis: Führen in Teilzeit bedeutet eine Reduktion der Wochenarbeitszeit auf 80% der üblichen 40-Stunden-Woche, d.h. auf 30 Stunden.
Führen in Teilzeit im Unternehmen etablieren: 7 Tipps
Vielleicht wollen Sie die Machbarkeit in Ihrem Unternehmen checken. Vielleicht wollen Sie die unternehmerische Attraktivität für weibliche Führungskräfte-Bewerberinnen erhöhen. Vielleicht wollen Sie sich erst einmal informieren, was bei der Realisierung auf Sie zukommt. Vielleicht haben Sie bereits eine Führungskraft, die in Teilzeit arbeitet – und möchten den Vorgang optimieren und breiter im Unternehmen aufstellen. Vielleicht haben Sie auch ganz andere Gründe, warum Sie „Führen in Teilzeit“ in Ihrem Unternehmen etablieren möchten. Die folgenden Tipps bieten einen guten Überblick und erste Impulse, auf was Sie bei der Umsetzung achten sollten.
Tipp 1: Ist-Zustand analysieren
Eruieren Sie die Fakten. Betrachten Sie sich die Führungsebenen, die es in Ihrem Unternehmen gibt. Nehmen Sie aber auch unbedingt die (ungeschriebenen) Regeln in Augenschein. Fragen Sie sich:
- Wie viele Führungskräfte gibt es? Wie viele sind männlich? Wie viele weiblich?
- Welcher Altersgruppe, somit welcher Generation, gehört die jeweilige Führungskraft an? Auf welche Weise beeinflussen deren Vorstellungen schon das „Arbeitszeitgefüge“?
- Welche Regeln gelten bisher für Führungskräfte in Ihrem Unternehmen in Bezug auf die Arbeitszeit? Welche ungeschriebenen Gesetze? Welche Denkmuster offenbaren sich?
- Welche dieser Regeln behindern ein „Führen in Teilzeit“?
- Welche Sachzwänge stecken dahinter? Welche sind unabänderlich? Bei welchen gibt es Spielraum für Veränderung(en)?
- Welche neuen Vorgaben ergeben sich daraus?
- Welche gemeinsamen neuen Grundsätze in Bezug auf Arbeitszeiten können für alle Führungskräfte formuliert werden? In welchen Bereichen sollte dagegen differenziert werden?
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Tipp 2: Voraussetzungen prüfen
Sicherlich gibt es Teilzeitkräfte in Ihrem Unternehmen – auf den unteren Ebenen. Und obwohl diese zweifelsfrei eingebettet sind, gibt es vielleicht in einigen Bereichen „Hindernisse“, die die Teilzeitkräfte erleben. „Hindernisse“, die jede Führungskraft, die den Wunsch hegt, in Teilzeit zu arbeiten, sehr wohl registriert und den Schluss daraus ziehen mag: „Führen in Teilzeit beschert mir einen Karriereknick“.
Deshalb fokussieren Sie einmal die Bedingungen, die für Teilzeitkräfte in Ihrem Unternehmen aktuell herrschen. Fragen Sie sich:
- Werden Teilzeitkräfte in gleicher Weise gefördert und gefordert wie Vollzeitkräfte?
- Werden Teilzeitkräfte befördert?
- Welche Unterschiede sind erkennbar? Wie können diese abgebaut werden?
- Wird in Ihrem Unternehmen ein beruflicher Aufstieg in jedem Alter garantiert, also nicht allein im „Spitzen-Alter“ von 25 bis 39 Jahre?
- Werden ältere Mitarbeiter von Ihren Fort- und Weiterbildungsangeboten angesprochen? Wird diese Altersgruppe miteinbezogen?
- Können Teilzeitkräfte, ob nun 20- oder 30 Stundenwoche überhaupt an solchen Fortbildungsprogrammen teilnehmen, d.h. sind diese mit deren privaten Verpflichtungen vereinbar? Wird darauf von Ihrer Seite geachtet?
- Werden Teilzeitkräfte gleichermassen an Boni, Tantiemen, Zuschüssen, Altersversorge und Co beteiligt?
- Wird die Erreichbarkeit per E-Mail oder Telefon für alle, nicht nur für Führungskräfte, begrenzt?
- Wird bereits jetzt signalisiert, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf Beachtung findet, d.h. kann die Führungskraft mal früher gehen, um den Sohn von der Kita abzuholen? Sind flexible Arbeitszeiten bereits jetzt „normal“?
- Welche Arbeitszeitmodelle werden aktuell angeboten? Wer nutzt welche auf welche Weise?
Tipp 3: Kompetenzen checken
Keiner Führungskraft wird die Befähigung abgesprochen, in Teilzeit führen zu können. Wer gut führt, führt auch in Teilzeit gut – ein Fakt. Dennoch liegt es in Ihrer Verantwortung die einzelnen Führungskräfte entsprechend einzuschätzen und auszuwählen. Fragen Sie sich:
- Welcher Führungskraft fällt es bereits in Vollzeit schwer, die eigenen Aufgaben zu organisieren?
- Wessen Arbeitsweise hinterlässt eher einen chaotischen Eindruck?
- Wem fällt es schwer, klug an seine Mitarbeiter zu delegieren – und will eigentlich alles lieber selbst machen?
- Wie viel Erfahrung hat die Führungskraft in ihrem Aufgabenbereich?
- Welche methodische Kompetenz offenbart sie bei ihrer Arbeit und bei der Mitarbeiterführung?
- Wie bewältigt sie bisher ihre Aufgaben?
- Kann sie sich selbst und andere gut organisieren?
- Wie gut ist deren Kommunikationsfähigkeit?
- Wie ist die Akzeptanz im Team (also bei den Mitarbeitern), den Kollegen, Vorgesetzten und auch Geschäftspartnern Teilzeit bei dieser Führungskraft zu akzeptieren?
Tipp 4: Analyse der Arbeitsabläufe
Erstellen Sie am besten zusammen mit der Führungskraft, die in Teilzeit arbeiten möchte, ein Aufgabenprofil. Fokussieren Sie dabei folgende Bereiche:
- Personalverantwortung. Welche Aufgaben und Verpflichtungen sind damit verbunden?
- Mitarbeiterführung. Welche Tätigkeiten fallen dabei an? Ausbildung? Coaching? Anleitung? Kontrolle? Beurteilung?
- Delegation der Arbeit im Team. Welche Aufgaben gibt es im Team zu verteilen? Wie wird deren Erledigung sichergestellt?
- Analyse der Abläufe. Welche organisatorischen Angelegenheiten sind mit der Stelle verknüpft? Welche Arbeiten fallen regelmässig an? Welche sporadisch, gar saisonal?
- Informations- und Wissensfluss. Welche Informationen müssen der Führungskraft zur Verfügung stehen? Welche den Mitarbeitern? Wie geschieht dies jetzt? Wie wird Wissen zwischen allen Beteiligten geteilt? Wie kann beides (Informations- und Wissensaustausch) gut bei einer Teilzeittätigkeit ausgetauscht werden?
Tipp 5: Führungsaufgaben von Fachaufgaben trennen
Führungsaufgaben, die in der Regel etwa 30% der Arbeitszeit in Anspruch nehmen, sind nicht übertragbar. Punkt. Verschaffen Sie sich deshalb einen Überblick über alle Führungsaufgaben in den Bereichen Mitarbeiterführung, Arbeitsorganisation, Ergebnisverantwortung, Kommunikation, Repräsentation, Leitungsaufgaben. Fragen Sie sich:
- Welche Aufgaben müssen unbedingt bei der Führungskraft verbleiben?
- Welche Aufgaben in welchem Führungs-Bereich definieren oder empfinden Sie als „Königsaufgaben“?
- Bei welchen Aufgaben kann sich gut zugearbeitet werden? Welche können von qualifizierten Mitarbeitern übernommen werden?
- Welche Arbeitsschritte und/oder –abläufe lassen sich zeitlich optimieren?
- Welche Anforderungen an die Führungskraft gibt es hinsichtlich der Kundenbetreuung? Welche Aufgaben muss die Führungskraft persönlich erledigen?
- Bei welchen Sitzungen und/oder Kundenterminen ist die persönliche Anwesenheit erforderlich?
Tipp 6: Kapazitäten und Kompetenzen im Arbeitsumfeld benennen
Weiten Sie Ihren Fokus. Nehmen Sie das Umfeld der Führungskraft in Augenschein. Oft liegen hier Kompetenzen und Kapazitäten frei, die jetzt klug angezapft und genutzt werden sollten. So stellen Sie nicht allein die Führungskraft zufrieden, die ihre Arbeitszeit reduzieren will. Sie bieten auch anderen Mitarbeitern eine Chance sich entweder in neue Arbeitsbereiche einzuarbeiten oder die vorhandenen Kompetenzen (endlich) vielseitiger einsetzen zu können. Fragen Sie sich:
- Wem trauen Sie „Chefaufgaben“ zu?
- Welcher Mitarbeiter ist für welche „Chefaufgabe“ geeignet?
- Wer fungiert in Abwesenheit der Führungskraft bereits jetzt als Stellvertreter? Welche Aufgaben könnte dieser Mitarbeiter zukünftig übernehmen?
- Welche andere Führungskraft hat welche Kapazitäten frei?
- Welcher Mitarbeiter kann mittel- und längerfristig an höhere Aufgaben herangeführt werden?
- Welche Aufgaben kann und möchte die Führungskraft, die in Teilzeit arbeiten will, übertragen?
Tipp 7: Konzept der Realisierung erstellen
Setzen Sie sich spätestens jetzt mit der Führungskraft zusammen. Erstellen Sie zusammen das Konzept „Führen in Teilzeit“. Handeln Sie dafür gemeinsam die Modalitäten aus:
- Arbeitszeiten. Überlegen Sie, welche Gesamtarbeitszeit vereinbart wird und wie sich die Führungskraft die zeitliche Aufteilung innerhalb der Woche vorstellt. Manche möchten zwei Tage pro Woche frei haben, andere einen Tag. Manche wollen die Arbeitsstunden in der Woche so aufteilen, dass sie beispielweise an zwei Tagen voll arbeiten, an den anderen drei Tagen die Arbeitsstunden reduzieren.
- Telearbeit und Homeoffice. Klären Sie, an welchen Tagen die Führungskraft im Unternehmen arbeiten will, an welchen Tagen bzw. zu welchen Stunden sie im Homeoffice ihre Aufgaben erledigen wird.
- Aktionsplan. Fokussieren Sie, welche Konsequenzen sich aus den neuen zeitlichen Regelungen für wen ergeben. Legen Sie einen Aktionsplan fest, der u.a. die arbeitsrechtlichen Veränderungen, die Stellvertreterregelungen, die Weitergabe von Informationen regelt.
- Umsetzung und Evaluierung. Für beide Seiten bedeutet es eine Umstellung. Gerade am Anfang sollte die Umstellung engmaschig begleitet werden – und zwar mindestens innerhalb einer Implementierungsphase von zwei bis sechs Monaten. Nach diesem Zeitraum lassen sich bereits verlässliche Aussagen darüber treffen, ob alles nach Wunsch für beide Seiten verläuft, in welchen Bereichen es Nachbesserungen geben sollte und welche Vereinbarungen sich bewährt haben.