Diversity Management: Diversity-Konzepte im Wandel

Sich mit Diversity Management schmücken, stärkt das Unternehmensimage. Produzieren Sie aber nicht nur heisse Luft. Stellen Sie Ihr Unternehmen wirklich divers auf.

26.11.2024 Von: Brigitte Miller
Diversity Management

Ein Wort geht um die Welt: Diversity

Bunt. Vielfältig. Verschieden. Eben divers. Wer heute mithalten will und unterschiedliche Zielgruppen, gerade Gen Z, als Kunde und MitarbeiterIn ansprechen und gewinnen will, wird sich Diversität auf die (Regenbogen-)Fahne – oder besser gesagt – in die Unternehmensphilosophie schreiben. 

Gut. Lobenswert. Das Formulieren und Aufschreiben ist ein erster wichtiger Schritt. Ein Anfang, der gewürdigt werden will und gewürdigt wird. Ohne diesen Schritt kommen Sie und Ihre Belegschaft gar nicht zum Handeln. Denn Diversity fordert einen mentalen Wandel, der verankert werden will – nicht allein in der Unternehmensphilosophie, sondern in den Köpfen aller. 

Das ist die Voraussetzung. Das Sprungbrett. Allerdings ein Sprungbrett von dem bisher viel zu wenige Unternehmen tatsächlich ins „Wasser der Diversität“ gesprungen sind, wie die Studie „Diversity – Reporting der Vielfalt“, die Kirchhoff Consult und die BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gemeinsam durchgeführt haben, feststellt. In dieser Studie haben Sie die Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichte der 80 Leitindex-Unternehmen analysiert – Stichtag war der 31. März 2024. 

Gemischtes Ergebnis

80 Unternehmen unter der Lupe „Diversity“. Das Ergebnis ist ernüchternd, aber gleichzeitig auch mit etlichen Hoffnungsschimmern ausgestattet. Lassen Sie die Zahlen auf sich wirken:

  • Diversity ist eine Bereicherung: Dem stimmen 97,5 Prozent der börsennotierten Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu.
  • Identifikation wesentlicher Themen, wie Diversität, Chancengleichheit und/oder Gerechtigkeit: 82,5 Prozent.
  • Diversitätsbezogene Ziele verfolgen: 96,3 Prozent.
  • Geschlechterdiversität als Ziel formuliert. 86 Prozent wollen den Frauenanteil in der Belegschaft erhöhen.
  • Ernennung eines Diversity-Verantwortlichen im Unternehmen: 70 Prozent.
  • Diversitymanagement verankert: Mehr als zwei Drittel 

Das liest sich erst einmal gut, oder?! Allerdings offenbaren diese Zahlen vor allem eins: Der erste Schritt, also das Formulieren, wurde vorrangig vollzogen. Das verdient, wie bereits gesagt und geschrieben, ein dickes Lob. 

Leider (!) klafft jedoch eine Lücke zwischen Wunsch – der grauen Theorie – und der Realität –der bunten Praxis. Denn: 

  • Offenlegung des Gender-Pay-Gap. Nur 28,8 Prozent haben dies getan.
  • Gender-Pay-Gap reduzieren und aktiv gegensteuern. Nur 7,6 Prozent tun dies.
  • Neurodiversität aufgreifen. Geschieht nur bei 16,8 Prozent.
  • Geringe Berücksichtigung von kulturell/religiöser Diversität, sexueller Orientierung und People of Colour. Hier gibt es zwar Angaben der Unternehmen, jedoch kaum eine Benennung dazugehörender Aktivitäten. Ganz zu schweigen mit Blick auf Biodiversität (aber vielleicht fällt dies für viele unter Nachhaltigkeit?!).

Diversity Lücke: Eine Lücke mit Folgen

Sie sind auf dem Weg. Sie haben Diversity formuliert. Vielleicht sogar, das eine oder andere umgesetzt oder es ist in Planung. Gut. Nochmal: Schulter klopfen ist angesagt. Dennoch klaffen Lücken. Lücken, die nicht allein Sie bemerken, sondern auch 

  • Ihre MitarbeiterInnen,
  • Ihre KundInnen,
  • Ihre GeschäftspartnerInnen,
  • Ihre Konkurrenz,
  • Ihr Umfeld.

Bei der einen oder dem anderen dieser Gruppen werden Ihre Formulierungen zwar positiv nachschwingen, aber auch einen Nachgeschmack hinterlassen. Eben, weil die Unterfütterung und die Umsetzung fehlt. Da besteht das dicke Risiko, dass sich Diversity zum Nachteil für das Unternehmen wandelt, weil so manche Gedanken und Bewertungen aufpoppen mögen: 

  • „Alles nur heisse Luft.“
  • „Da wird sich Buntheit auf die Fahnen geschrieben, aber bestimmen tun wieder einmal nur die ‘weissen, alten Männer’.“
  • „Lieber handeln, als tolle Worte schwingen.“
  • „Die wollen nur die Gen Z ködern.“
  • „Haben sich schnell auf den Wokeness-Zug begeben.“

Diversity kann sich dann zu einem Negativ-Bumerang wandeln. Schade. Allerdings lassen sich die bestehenden Lücken schliessen. Diversity Management ist das Schlüsselwort. 

Diversity Management: 4 Tipps, wie Sie gemeinsam Ihr Unternehmen divers gestalten 

Pluralismus zu leben, ist eine Bereicherung. Auch im Unternehmen. Das wissen Sie. Das erfahren Sie jeden Tag. Denn Ihr Unternehmen ist zweifelsfrei schon divers aufgestellt: 

  • MitarbeiterInnen mit Migrationshintergrund
  • hoher Frauenanteil, auch in den oberen Managementebenen
  • Generationsübergreifende Teams und Abteilungen
  • MitarbeiterInnen mit neurodiversen Talenten
  • Outsourcing ganzer Unternehmensbereiche, beispielsweise der Buchhaltung, nach Irland, Polen oder Indien
  • KundInnen, dank dem Internet aus der gesamten Welt
  • Inklusion von Menschen mit Behinderung
  • undundund…

Und obwohl dieser Reichtum schon existiert und genutzt wird, darf sich darauf gezielter fokussiert werden. Die folgenden Tipps geben Ihnen Impulse, wie dies gemeinsam geschehen kann. 

Tipp 1: Diversity erkennen: Wie divers sind wir eigentlich?

Bevor es etwas zu „managen“ gibt, darf erst einmal geschaut werden, wie der Ist-Zustand ist. Machen Sie, gerne mit Ihrem Team zusammen, eine Bestandsaufnahme. Fragen Sie sich: 

  • Wer hat welchen kulturell/religiösen Background?
  • Wessen Familie stammt woher? Welche Rückschlüsse können aus dem Nachnamen geschlossen werden?
  • Welche neurodiversen Talente hat wer?
  • Welche sexuelle Orientierung hat wer?
  • Wie hoch ist der Anteil in unserem Team, in unserer Abteilung, in unserem Unternehmen…
    • … an Frauen?
    • … an Menschen mit Migrationshintergrund?
    • … an Menschen mit Behinderung?
    • … an People of Colour?
    • … an generationenübergreifenden Teams bzw. Projekten?
    • … an Babyboomern, Gen X, Y, Z?
  • Welche Kundenzielgruppen sprechen wir an?
  • Mit welchen GeschäftspartnerInnen arbeiten wir zusammen?
  • Mit wem vernetzen wir uns – intern und extern?

Ihre Antworten offenbaren Ihnen, wie divers das Unternehmen eigentlich ist. Vielleicht sind Sie überrascht. Freudig, dass es schon so divers ist. Ein wenig frustriert, weil es – leider - noch nicht so bunt ist, wie Sie dachten. 

Tipp 2: Divers auf allen Ebenen: Wie durchlässig sind wir eigentlich?

Die gläserne Decke. An dieser haben sich schon viele Frauen den Kopf gestossen – und tun es leider noch immer. Aber nicht allein Frauen. Auch Menschen mit Migrationshintergrund, mit neurodiversen Talenten undundund… kennen die gläserne Decke nur zu gut. 

Nach dem Motto: Divers sein ist gut und schön, aber bitte nur auf den unteren Ebenen. Damit verspielt das Unternehmen leider erneut die Glaubwürdigkeit. Deshalb prüfen Sie unbedingt, wie divers das Unternehmen auf den unterschiedlichen Ebenen aufgestellt ist. Analysieren Sie 

  • die Quoten für die unterschiedlichen Gruppen (Frauen, Migrationshintergrund, Neurodivers etc.) auf den einzelnen Unternehmensebenen,
  • die Ursachen, warum auf den einzelnen Unternehmenshierarchien bestimmte Gruppen über- und unterproportional vertreten sind,
  • welche Schritte bereits geplant und/oder unternommen wurden, um das diverse Gleichgewicht zu stärken. 

Tipp 3: Ungerechtigkeiten aufdecken und beseitigen: Welche Nachteile gibt es noch?

Mit einem Male steht Weltoffenheit und Pluralismus hoch im Kurs. Fast über Nacht ist Diversity zu einem Pluspunkt geworden – oder ganz provokant zu einem Wettbewerbsvorteil. Nur, und dies darf nicht vergessen werden, viele der Menschen, die nun endlich (!) in den Fokus der Wahrnehmung gelangen, haben einen langen Marsch, gar Kampf hinter sich. Und viele kämpfen noch immer um Wahrnehmung und gleiche Rechte. Manche Gruppen leider auch wieder, weil sich innerhalb der Gesellschaften politisch-kulturell viel verschiebt. Gleichzeitig brechen wieder alte Sichtweisen durch und machen Errungenschaften zunichte. Werfen Sie nur einen Blick in die USA. Oder lassen Sie ihn über Europa – gerne auch weiter auf der Welt-Landkarte– schweifen.  

Es ist also nicht alles eitel Sonnenschein. Im Gegenteil. Und dies spiegelt sich auch oft genug im Unternehmen wider. Fragen Sie sich: 

  • Wie werden die einzelnen Gruppen gesehen?
  • Wie werden die einzelnen Gruppen behandelt – bei der Aufgabenverteilung, bei der Weiterbildung, bei Beförderungen, bei der Gehälter-Gerechtigkeit?
  • Welche Nachteile und Ungerechtigkeit existieren im Unternehmen und torpedieren die Diversity?

Tipp 4: Stereotypen und Vorurteile überwinden: Wie bunt-divers ist unsere Sichtweise?

Der Begriff „Diversitymanagement“ suggeriert ein wenig, Diversity ist eine Managementaufgabe, die von einer oder mehreren Personen gemanagt wird. Und nur von diesen allein. Leider ist dies nicht der Fall. Zwar stellt der Diversity-Manager die Weichen. Doch jede/r im Unternehmen ist gefordert, damit Diversity positiv gelebt werden kann. 

Diese Forderung fordert heraus. Eben, weil dabei Sichtweisen betrachtet werden wollen, die dem entgegenstehen. Denn jede/r wächst innerhalb der Sozialisation mit Prägungen (gerne auch als Vor-Urteile bezeichnet) auf, die im späteren Leben oft, ohne zu hinterfragen, bestätigt werden. Leider. Da diese Sichtweisen einer guten Zusammenarbeit viel zu oft im Wege stehen. 

Diskutieren Sie deshalb mit Ihrem Team im Bezug auf Diversity Management: 

  • Wer sitzt mir gegenüber?
  • Welchen Background hat sie/er?
  • Welche Assoziationen weckt dieser Background?
  • Was denke ich, wenn ich höre … stammt aus Texas, USA? … hat ADHS?
  • Was poppt in mir auf (Gedanken und Gefühle), wenn mir eine Frau mit einem Kopftuch gegenüber sitzt?
  • Was denke ich über Babyboomer und/oder über Gen Z?
  • Welche Erfahrungen habe ich mit dieser Gruppe gesammelt? Wie übertrage ich jetzt diese Erfahrungen auf meine Kollegin/meinen Kollegen?
  • Wie wirkt sich diese Sichtweise auf unsere Zusammenarbeit aus? 
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