Agilität: Agile Praktiken erfolgreich in Unternehmen einführen

Agilität ermöglicht es Unternehmen, sich rasch an Veränderungen anzupassen und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Die Einführung agiler Arbeitsmethoden in traditionellen Unternehmensumgebungen ist mit einigen Herausforderungen verbunden. Worauf es zu achten gilt, und welche Rolle die Führungskräfte bei der Entwicklung einer agilen Unternehmenskultur spielen, erfahren Sie in diesem Beitrag.

23.07.2024 Von: Slavica Sovilj
Agilität

Die Kernprinzipien der Agilität

Agilität ist eine Denkweise und ein Ansatz zur Unternehmensführung, die auf Flexibilität, Zusammenarbeit und kontinuierlicher Verbesserung basiert. Agilität bezieht sich auf die Fähigkeit eines Unternehmens, sich schnell an sich verändernde Bedingungen anzupassen und flexibel auf neue Herausforderungen zu reagieren. Es geht darum, agil und wendig zu sein, um den Marktanforderungen gerecht zu werden. Einige wichtige Prinzipien der Agilität, die aus dem «Agilen Manifest» stammen, sind:

  1. Kundenorientierung: Agile Unternehmen konzentrieren sich auf die Bedürfnisse und Anforderungen ihrer Kunden und passen ihre Produkte und Dienstleistungen entsprechend an.
  2. Selbstorganisierte Teams: Agile Teams sind eigenständig und haben die Befugnis, Entscheidungen zu treffen, um ihre Ziele zu erreichen.
  3. Kontinuierliche Verbesserung: Die agile Methodik fördert kontinuierliches Lernen und die ständige Weiterentwicklung von Prozessen und Produkten.
  4. Flexibilität: Agilität bedeutet, sich schnell an veränderte Marktbedingungen anzupassen und Prioritäten neu zu setzen.

Herangehensweisen zur Einführung agiler Praktiken

Folgende Herangehensweisen können Unternehmen bei der Einführung von agilen Praktiken unterstützen:

  1. Top-down-Unterstützung: Führungskräfte sollten das agile Mindset vorleben und die Einführung agiler Praktiken aktiv fördern. Dies sendet ein klares Signal, dass Agilität im Betrieb ernst genommen wird.
  2. Schulung und Weiterbildung: Führungskräfte, Mitarbeitende und Teams sollten in agile Praktiken und Methoden geschult werden, um das erforderliche Wissen und die notwendigen Fähigkeiten aufzubauen.
  3. Pilotprojekte: Beginnen Sie mit kleineren Pilotprojekten, um agile Praktiken in einem begrenzten Rahmen zu testen und zu optimieren, bevor Sie sie auf das gesamte Unternehmen ausdehnen.
  4. Kommunikation und Transparenz: Offene Kommunikation ist von entscheidender Bedeutung. Teilen Sie die Ziele, den Nutzen und den Fortschritt der Agilität mit allen Mitarbeitenden.
  5. Feedback und Anpassung: Regelmässige Rückmeldungen von Teams und Mitarbeitenden sind wichtig, um den Prozess anzupassen und kontinuierlich zu verbessern.

Agile Praktiken, die auch in herkömmlichen Unternehmensumgebungen anwendbar sind

Viele traditionelle, erfolgreiche Firmen unternehmen erhebliche Anstrengungen, um starre Prozesse abzubauen und mehr Agilität zu erreichen. In vielen Bereichen können Unternehmen pragmatisch beginnen, ohne gross angekündigte Transformationsprojekte. Es ist nicht erforderlich, zu verkünden: «Ab sofort sind wir agil!» Oftmals finden sich bereits etablierte Praktiken, die als Grundlage dienen können. Beispielsweise gibt es im Qualitätsmanagement den kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) oder in der Personalentwicklung die jährliche Mitarbeiterbefragung. Diese bestehenden Strukturen bieten eine solide Grundlage, auf der aufgebaut werden kann.

Die Idee besteht darin, diese vorhandenen Grundlagen genauer zu betrachten und Praktiken zu testen, die die Grundsätze der Agilität unterstützen, jedoch möglicherweise einen leicht abweichenden Ansatz verfolgen. Das Ziel bleibt dabei unverändert: die Förderung einer agileren Arbeits- und Denkweise.

Einige agile Praktiken, die sich besonders gut für die schrittweise Einführung in etablierten Unternehmen eignen und in verschiedenen Aufgabenbereichen team- und abteilungsübergreifend getestet werden können, sind:

  1. Tägliche Stand-up-Meetings: Kurze tägliche Team-Meetings zur Abstimmung von Aufgaben und Prioritäten, um die Kommunikation und den Informationsaustausch zu fördern.
  2. Kanban-Boards: Die Visualisierung von Aufgaben auf einem Kanban-Board erleichtert die Organisation der Arbeit und das Tracking des Fortschritts.
  3. Cross funktionale Teams: Die Bildung von Teams, die verschiedene Fähigkeiten und Kompetenzen abdecken, fördert die Zusammenarbeit und beschleunigt die Entscheidungsfindung.
  4. Experimente und Prototyping: Die Einführung agiler Praktiken wie beispielsweise Design Thinking ermutigt zu Experimenten und schnellen Prototypen, um innovative Lösungen zu entwickeln.

Die Rolle der Führungskräfte

Agilität und das Streben nach Innovation benötigt Mitarbeitende, die intrinsisch motiviert sind und ihre Potenziale freiwillig und begeistert einbringen. Die Führung übernimmt dabei immer stärker die Aufgabe, Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Mitarbeitende sich in diesem Sinne entwickeln können. Sie spielen eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung einer agilen Unternehmenskultur:

  1. Vorbild sein: Führungskräfte sollten das agile Mindset vorleben und durch ihr eigenes Verhalten zeigen, dass sie Veränderungen unterstützen und fördern.
  2. Vertrauen schaffen: Vertrauen in die Fähigkeiten der Teams ist entscheidend. Führungskräfte sollten Entscheidungsbefugnisse delegieren und den Teams Raum zur Selbstorganisation geben.
  3. Klare Vision kommunizieren: Die Vision und Ziele des Unternehmens sollten klar und verständlich kommuniziert werden, um die Ausrichtung der Teams sicherzustellen.
  4. Barrieren beseitigen: Führungskräfte sollten Hindernisse und Widerstände gegen agile Praktiken aktiv identifizieren und beseitigen.
  5. Feedback und Unterstützung: Unterstützung und regelmässiges Feedback sind entscheidend, um die kontinuierliche Verbesserung der agilen Arbeitsweise zu ermöglichen.

Ein solcher Paradigmenwechsel ist für Unternehmensleitung, Führungskräfte und Mitarbeitende gleichermassen eine riesige Herausforderung, da er den Übergang von Kontrolle zu Vertrauen erfordert, bei dem Verantwortung übertragen und akzeptiert wird.

PRAXISBEISPIEL: REKRUTIERUNGSPROZESS FÜR DIE KANDIDATEN VERBESSERN

1. Aufgabe erteilen – Customer Journey optimieren

Starten Sie, indem Sie klare Ziele und Erwartungen für Ihr Team bei der Optimierung des HR-Rekrutierungsprozesses festlegen. Die Aufgabe könnte sein, die Customer Journey für Bewerber zu optimieren und festzulegen, wie sie idealerweise aussehen sollte.

2. Empowerment und Selbstorganisation fördern – Customer Journey gestalten

Geben Sie Ihrem Team die Freiheit, eigenverantwortlich zu handeln und Entscheidungen zu treffen. Anstatt detaillierte Anweisungen zu geben, ermutigen Sie es, agile Methoden wie Kanban selbstständig anzuwenden, um sich im Team gut zu organisieren und den Entwicklungsprozess eigenständig zu managen.

3. Transparente Kommunikation und Feedbackkultur – Kundenfeedback einholen

Setzen Sie regelmässige Stand-up-Meetings oder Retrospektiven an, um Fortschritte zu besprechen und Herausforderungen zu identifizieren. Agieren Sie hier als Coach, der Hilfe zur Selbsthilfe bietet.

4. Experimentieren und Lernen – Prototypen erstellen

Ermutigen Sie Ihr Team dazu, Experimente durchzuführen. So könnte das Team Design Thinking anwenden, um neue kreative Ideen für einen an den unterschiedlichen Zielgruppen orientierten Bewerbungsprozess zu entwickeln. Anschliessend könnten diese Ideen in kontrollierten Gruppen ausgetestet und bewertet werden. Anhand dieses Feedbacks können Anpassungen vorgenommen und kann der Rekrutierungsprozess entsprechend verbessert werden.

5. Kundenorientierung – Customer Journey optimieren

Betonen Sie die Wichtigkeit der Kundenorientierung. Nutzen Sie die Ergebnisse der Experimente und das Feedback, um die Customer Journey kontinuierlich zu optimieren und Bewerbern eine positive Erfahrung zu bieten.

Vertrauenskultur als Basis für Agilität

Agilität kann nur ohne übermässige Kontrolle und mit Vertrauen funktionieren. Das bedeutet weniger Bürokratie, keine langfristige Planung, sondern eine Kultur, die Fehler als Chance zur Verbesserung betrachtet und in kurzen, feedbackreichen Sprints arbeitet.

Die grösste Herausforderung besteht darin, dass die Unternehmensleitung gemeinsam mit den Führungskräften diesen Wandel vorantreibt. Dies kann nicht delegiert werden, sondern wird nur durch überzeugendes persönliches Handeln erreicht. Die wesentliche Voraussetzung für zukünftige Wettbewerbsfähigkeit ist also die Fähigkeit zur persönlichen Veränderung des Führungsverhaltens, basierend auf einem wertschätzenden Menschenbild. Denn nur wer Verantwortung überträgt und sichtbar denjenigen vertraut, die diese Verantwortung annehmen, wird die Agilität im Unternehmen stärken, die auf Sinnhaftigkeit, Autonomie und Transparenz basiert.

Fazit

Die Einführung agiler Praktiken in etablierten Unternehmen ist zweifellos anspruchsvoll und erfordert eine klare Vision, Unterstützung von Führungsebene, offene Kommunikation und die Schaffung einer Vertrauenskultur. Dabei zeigt sich oft, dass ein pragmatisches, schrittweises Vorgehen weitaus effektiver ist als langwierige Transformationsprojekte.

 

Quellen und Hinweise:

Agile Arbeit: Der grosse Leitfaden zu Agilität im Unternehmen (inkl. «Agiles Manifest»).

Armbruster, Judith (2023): Praxishandbuch Agile Organisationsentwicklung. München, Tübingen: UVK Verlag; Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG.

Diel, Andreas: 30+ agile Praktiken und Techniken für deinen Berufsalltag – #DNO (digitaleneuordnung.de).

Häusling, André (Hg.) (2017): Agile Organisationen. Transformationen erfolgreich gestalten – Beispiele agiler Pioniere. 1. Auflage. Freiburg, München, Stuttgart: Haufe-Lexware GmbH & Co. KG (Haufe Fachbuch, v. 10251).

Hofert, Svenja (2019): Der Agile Kulturwandel. 33 Lösungen für Veränderungen in Organisationen. Unter Mitarbeit von Claudia Thonet. Wiesbaden: Gabler.

Puckett, Stefanie (2018): Agiles Führen. Führungskompetenzen für die agile Transformation. Unter Mitarbeit von Rainer M. Neubauer. 1. Auflage. Göttingen: Business Village GmbH.

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