Innovation: In rechtlichen Grauzonen

Innovation und Recht sind eng miteinander verbunden. Innovation braucht verlässliche Rahmenbedingungen als Anreiz für Investitionen und Vertrauen der Kundschaft. Produkte und Geschäftsmodelle, die auf digitale Technologien beruhen, scheinen nicht in den bestehenden rechtlichen Rahmen zu passen. Dadurch entstehen Grauzonen. Der Artikel zeigt drei Ansätze, die gesellschaftlich verantwortungsvolle Innovation in Grauzonen ermöglichen. So bietet die Sandkasten-Methode einen sicheren Raum für Entwicklung neuer Produkte. Das Digital Trust Label fördert das Vertrauen aller Beteiligten. Schliesslich verankert das Grundrecht auf digitale Integrität richtungsweisend den Schutz der Menschenwürde im digitalen Raum.

30.07.2024 Von: Anita Lamprecht
Innovation

Grauzonen: Sprungbrett oder Stolperstein

Rechtliche Grauzonen sind Bereiche, in denen Gesetze und Vorschriften unklar, unbestimmt oder nicht vorhanden sind. Als Folge ist es oft schwierig zu bestimmen, was erlaubt ist und was nicht. Grauzonen entstehen gerade bei den sich rasch entwickelnden digitalen Technologien. Man kann sie als Sprungbrett oder als Stolperstein der Innovation betrachten. Grauzonen räumen Unternehmen mehr Flexibilität und damit Freiheit ein, um neue Ideen auszuprobieren. Diese Anpassungsfähigkeit durch schnelles Reagieren ist ein Wettbewerbsvorteil. Gleichzeitig ist es schwierig, die rechtlichen Grenzen und damit das Risiko richtig einzuschätzen. Als unerwünschte Konsequenz kann es zu kosten- und zeitintensiven Rechtsverfahren, Strafzahlungen und schliesslich dem Verlust des Vertrauens der Kundschaft führen.

Ein Sandkasten als Schmiede der Innovation

Regulierungsbehörden greifen diese Zwiespältigkeit der Grauzonen auf. Die Methode dazu heisst «Sandbox», also Sandkasten. Ein Sandkasten bietet einen sicheren Testraum, indem die rechtlichen Rahmenbedingungen und Ziele klar definiert sind. Die wechselseitigen Risiken werden dadurch verringert und Innovation gefördert. Der Kanton Zürich nützt beispielsweise die Sandkasten Methode bei innovativen Projekten mit Künstlicher Intelligenz. Festgelegte Ziele sind dabei die Schaffung regulatorischer Klarheit, Innovationsförderung durch Datenbereitstellung sowie Knowhow-Transfer und Anstoss zu neuen Projekten. 

Abgestempelt? Nein, zertifiziert.

Rechtliche Grauzonen stellen nicht nur ein Risiko für innovative Unternehmen dar, sondern haben weitreichende gesellschaftliche Folgen. Unsicherheit führt im Extremfall zu Vertrauensverlust in das Rechtssystem und zur Ablehnung des digitalen Wandels. Die internationalen Verflechtungen bei digitalen Themen verstärken diese Tendenz. Die Schweiz geniesst national wie international ein sehr hohes Ansehen, wenn es um Sicherheit und Vertrauen geht. Mit Hilfe des Digital Trust Labels überträgt die Swiss Digital Initiative diese Vertrauenskompetenz der Schweiz auch auf den digitalen Raum. Das Digital Trust Label wurde als Teil der Nationalen Strategie zum Schutz vor Cyber-Risiken ermöglicht.

Praxistipp: Ein einfach verständliches Label ist eine bewährte Methode, um in rechtlichen Grauzonen das Vertrauen zwischen Unternehmen und Kundschaft zu fördern. 

Schweizer Pionierarbeit: Digital Trust Label 

Das Digital Trust zielt darauf ab, Vertrauen und Transparenz neuer Technologien zu fördern. Jede Organisation kann die Zertifizierung der Vertrauenswürdigkeit ihrer digitalen Anwendungen bei der Swiss Digital Initiative beantragen. Die Swiss Digital Initiative greift damit eine verbreitete Methode der Kennzeichnung auf. Sie vergleicht das Digital Trust Label mit einer Mischung aus Bio-Label und Nährwert-Tabelle. 

Die Kriterien für digitale Anwendungen sind 

  1. Sicherheit, d.h. die Anwendung erfüllt alle erforderlichen Standards
  2. Datenschutz, d.h. wie wird der Schutz der Daten gewährleistet
  3. Verlässlichkeit des Service 
  4. Fairer Umgang mit Nutzenden, wie zum Beispiel Transparenz hinsichtlich des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz.

Die sorgfältig ausgearbeiteten und laufend weiterentwickelten Kriterien des Digital Trust Labels, erleichtern die Entscheidungsfindung aller Beteiligten.  

Menschenwürde im Wandel?

Verantwortungsvolles Handeln und Vertrauen zielen allerdings nicht nur auf die Förderung der Wirtschaft ab. Der digitale Wandel zwingt uns, unser Augenmerk auf die Wahrung der menschlichen Würde und Integrität zu legen. Das ist ein fundamentales Grundrecht aller Menschen. Der Gemeinschaft wie der einzelnen Person. Auch in diesem Bereich leistet die Schweiz Pionierarbeit. Die Bevölkerung des Kantons Genf hat 2023 die grundrechtliche Verankerung der «digitalen Integrität» beschlossen. Dies ist ein bedeutender, richtungsweisender Schritt. Es ist ein Bekenntnis, dass digitale Technologien bereits Teil unsere Realität sind und wir heute gerade in Grauzonen, nicht nur Geschäftsinteressen, sondern darüber hinaus die Wahrung unserer Menschenwürde und Menschlichkeit beachten müssen. 

Fazit

Innovation in rechtlichen Grauzonen ist eine komplexe Herausforderung. Mit den richtigen Strategien können Unternehmen jedoch neue Technologien ausprobieren und Innovationen vorantreiben, ohne juristische Grenzen zu überschreiten und das Vertrauen der Kundschaft zu verlieren. Es liegt an uns allen, diesen Balanceakt zu meistern und eine Zukunft zu gestalten, die sowohl technologisch fortschrittlich als auch rechtlich gesichert und gesellschaftlich gewollt ist.

Take-aways 

  • Die Sandkasten Methode ermöglicht Unternehmen sichere Innovation und erlaubt gleichzeitig praxisnahe Fortentwicklung des Rechts.
  • Das Digital Trust Label fördert das Vertrauen aller Beteiligten im digitalen Raum.
  • Das Grundrecht auf Digitale Integrität schützt richtungsweisend die Menschenwürde im digitalen Wandel.
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