Organisationsentwicklung: Die 7 Wesenselemente einer Organisation
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Die Aktivierung und Weiterentwicklung von Mitarbeitenden und das Design von Veränderungsprozessen sind neben vielen anderen Aufgaben eine zentrale Herausforderung im HR-Management. In der systemischen Beratung geht man davon aus, dass Mitarbeitende und Unternehmen lebendige Wesen sind, die ohne das jeweils andere nicht existieren oder sich weiterentwickeln können. Das Modell der 7 Wesenselemente (siehe Abbildung) macht diesen Gedanken fassbar und ist zentral für die Arbeit an HR-Themen wie «Leitbild und Vision», «Change-Management», «Onboarding-Prozesse» und nicht zuletzt auch «Digitalisierung».
Noch häufig werden Organisationen als «Maschinen» gesehen. Sauber konstruiert, funktioniert der Apparat einwandfrei. Die Vorstellung, das Unternehmen wie ein Auto steuern zu können, ist immer noch ein Ideal in vielen Bereichen. Auch während meines Grundstudiums der Betriebswirtschaft war dies keine Frage: Eine Organisation ist etwas Statisches. Unterdessen ist meine Sichtweise jedoch eine andere. Ich betrachte Organisationen als wesenshafte, sich entwickelnde Organismen, die in ihrer Komplexität letztlich nie ganz fassbar sind. Gleich wie ein Mensch ist jede Organisation einzigartig und lässt sich über bestimmte Charakterzüge fassbarer machen. Während es beim Menschen Kriterien wie Geschlecht, Grösse, Haar- und Augenfarbe, aber auch Charakterzüge sind, lassen sich Organisationen gut über die 7 Wesenselemente nach Trigon erfassen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine Organisation mit mehreren Hierarchiestufen und mehreren Hundert Mitarbeitenden oder ein einzelnes Team mit einigen wenigen Mitgliedern handelt. Alle individuellen (Organisations)-Systeme lassen sich mit dem Modell der 7 Wesenselemente gut abbilden.
Organisationsentwicklung: Die 7 Wesenselemente einer Organisation
Das Modell der 7 Wesenselemente wurde von Fritz Glasl und Hans von Sassen in den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelt und basiert auf der Systemtheorie. Es beschreibt Organisationen als umfassende Wesen. Dies bedeutet, dass die einzelnen Elemente nicht losgelöst voneinander betrachtet werden können. Sie stehen in Abhängigkeit zueinander und beeinflussen sich gegenseitig. Ähnlich wie bei einem Mobile lösen Veränderungen in einem Wesenselement immer auch Veränderungen bei den anderen Elementen aus.
Dabei unterscheiden Glasl/von Sassen folgende sieben Wesenselemente:
- Die Identität: Dieses Wesenselement umfasst den Sinn und Zweck der Organisation, die Vision, Mission sowie die Grundwerte nach innen und aussen, aber auch das historische Selbstverständnis der Organisation.
- Politik, Strategie, Konzepte: Das meint die langfristigen Programme der Organisation, die Unternehmenspolitik, Leitsätze, die Strategie sowie längerfristige Konzepte und Pläne.
- Die Struktur: Darunter versteht man die Aufbaustruktur einer Organisation, aber auch die Führungshierarchie, die Linien- und Stabsstellen, zentrale und dezentrale Stellen sowie das formale Layout, das Organigramm.
- Menschen, Gruppen Klima: Im Zentrum des Modells steht der Mensch. Im Detail sind damit das Wissen und Können der Mitarbeitenden, ihre Haltungen und Einstellungen, die informellen Zusammenhänge und Gruppierungen sowie das Betriebsklima, aber auch das Führungsverständnis der Führungskräfte gemeint.
- Einzelfunktionen, Organe: Das Wesenselement «Funktionen, Organe» beinhaltet die Aufgaben der einzelnen Funktionen, die dazugehörigen Kompetenzen und Verantwortungen sowie die Definition von Projektgruppen, Spezialisten und Koordinationsaufgaben.
- Prozesse und Abläufe: Darunter versteht man sämtliche Prozesse und Abläufe, wie Führungs-, Wertschöpfungs-und Unterstützungsprozesse.
- Physische Mittel, Systeme und Ausstattung: Das letzte Wesenselement umfasst die vorhandene Infrastruktur. IT-Systeme, Instrumente, Maschinen, Möbel, aber auch die finanziellen Mittel und allenfalls Gebäude, die zur Organisation gehören, sind damit gemeint.
Identität, Struktur und physische Mittel lassen sich als die stabilisierenden (und langfristig eher konstanten) Aspekte des Systems beschreiben, während Strategie, Funktionen und Prozesse demgegenüber eher kurzfristig und dynamisierend für das System der Organisation wirken. Tastet man eines der stabilisierenden Elemente an, wird die Organisation als Ganzes viel mehr erschüttert als bei den dynamisierenden Elementen.
Neben der Grundeinteilung in die 7 Wesenselemente unterscheidet das Modell zudem 3 Subsysteme.
- Identität und Strategie bilden zusammen das kulturelle Subsystem, sozusagen den Geist der Organisation.
- Die Struktur und Menschen und Funktionen sind im sozialen Subsystem zusammengefasst. Man könnte dieses Subsystem auch als Seele der Organisation bezeichnen.
- Und die Prozesse und Mittel wiederum bilden das technisch-instrumentelle Subsystem, in unserer Metapher die Hand der Organisation.
Je nachdem, wo ein Veränderungsprojekt ansetzt, sind die Subsysteme unterschiedlich stark betroffen. So setzen Leitbild- und Strategieprozesse in einem ersten Schritt beim kulturellen Subsystem an. Die anderen Subsysteme sind erst nachgelagert betroffen. Digitalisierungsprojekte hingegen wirken sich unmittelbar auf das technisch-instrumentelle Subsystem aus.
Zahlreiche Einsatzmöglichkeiten
Durch die intuitive Verständlichkeit sind die Einsatzmöglichkeiten des Modells im Human Resources Management fast unbegrenzt und gehen von Workshops mit Geschäftsleitungen über ausgefeilte Fragebögen zu den einzelnen Wesenselementen bis hin zu Grossgruppenanläs-sen. Zum einen ist es ein Diagnosetool, das sehr schnell einen Überblick gibt, wo Entwicklungsbedarf besteht.
Es lässt sich auch nutzen, um ein gemeinsames Bild der Zukunft zu entwickeln. Hierzu eignen sich insbesondere auch Ansätze, bei denen die gewünschte Entwicklungsrichtung pro Wesenselement in Metaphern ausgedrückt und anschliessend in messbare Veränderungsmassnahmen übersetzt wird. Das Modell bildet zum anderen auch eine gute Grundlage für ein ganzheitliches und damit nachhaltiges Design von Veränderungsprozessen.
Auch heute geht man viel zu oft davon aus, dass bei Veränderungsprojekten nur ein Wesenselement betroffen ist: bei der Entwicklung eines neuen Leitbilds das Wesenselement «Identität» und bei der Einführung eines neuen IT-Systems das Wesenselement «Physische Mittel». Obwohl mittlerweile klar ist, dass die meisten Veränderungsprojekte – ganz besonders auch Digitalisierungsprojekte – nicht am Fachlichen, sondern häufig an den Mitarbeitenden scheitern, fehlt der Blick auf die Organisation als Wesen. Dies führt dazu, dass Veränderungen nicht wie gewünscht umgesetzt werden können oder viel mehr Energie kosten als angenommen. Ein ganzheitliches Organisationsverständnis und der Blick in die Tiefe mittels der 7 Wesenselemente hingegen hilft uns, sich dem Wesen der Organisation in seiner Komplexität zu nähern, es fassbarer zu machen und dessen individuelle Muster und Dynamiken besser zu erkennen und Veränderungsprozesse erfolgreich zu gestalten.
Quellen
Glasl, F./Kalcher, T./ Piber, H.: Professionelle Prozessberatung. Das Trigon-Modell der 7 Basisprozesse, 3. Auflage, HauptVerlag Bern, 2014
https://www.trigon.at/wp-content/uploads/2017/09/Ganzheitliches-Sys temkonzept-einer-Organisation-%E2%80%93-eine-Einf%C3%BChrung-in-die-7-Wesenselemente.pdf, abgerufen am 15. März 2022