Coaching-Philosophie: «Jeder braucht einen Coach»
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Interview mit Nicole Brandes, geführt von Dave Husi
Nicole Brandes, Sie haben eine erfolgreiche Karriere als Topmanagerin aufgegeben und sind Coach geworden. Was hat Sie zu diesem Schritt bewegt?
Ich war 15 Jahre im Spitzenbusiness tätig. Je mehr Erfolg ich hatte, desto mehr breitete sich zu meiner Überraschung innerlich eine Leere aus. Als sie so unerträglich wurde, dass ich sie nicht mehr ignorieren konnte, musste ich die Reissleine ziehen. Ich warf meine Karriere über Bord und ging für ein paar Monate tauchen. Dann begann ich zu forschen. Ich wollte unbedingt herausfinden, wieso mir das passierte. Dabei kam ich unter anderem dem Erfolgsschock auf die Spur. Heute berate ich herausragende Persönlichkeiten, damit sie nicht in bestimmte Fallen tappen, sondern noch erfolgreicher sind – und zwar mit dem guten Gefühl von Authentizität, Auto nomie und Autorität.
Beim Coaching ist der persönliche Kontakt sehr wichtig. Wie hat sich Ihre Tätigkeit seit Pandemiebeginn verändert?
Fast gar nicht. Meine Klienten leben überall auf der Welt. Bei mir läuft seit Jahren fast alles online. Auch in diesem Format ist der Kontakt persönlich, die Energie gut spürbar und die Resonanz stark.
Sie sind neben Ihrer Tätigkeit als Coach und Beraterin auch als Keynote Speakerin und Buchautorin tätig. Was machen Sie am liebsten?
Ich mag alles, sonst würde ich es nicht machen. Aber ich bin mit Herzblut Coach und Beraterin. Erfolgreichen Menschen als Insiderin mit externer Sicht zur Seite zu stehen, sie zu unterstützen, ihrem Wirken mehr Einfluss, Gewicht und Multiplikation zu verleihen, ist in der Einzelarbeit direkt erlebbar und für mich enorm beflügelnd.
Es gibt sehr unterschiedliche Coaching-Philosophien. Was ist Ihre persönliche Sicht auf Coaching?
Ein Coach muss ein absoluter Vollprofi sein. Es geht immer um das Wesentliche: das Wesen des Menschen. Bei Klienten spielt die Fachkompetenz beim Aufbau der Karriere eine Rolle. Aber danach geht es um die Persönlichkeit. Diese zu entwickeln, zu entfalten, gekonnt einzusetzen und sie zu Grösserem zu entfesseln, ist das eine. Den Klienten zu helfen, den Druck, der dabei entsteht, Ängste, Zweifel und Widerstände zu überwinden, ist das andere. Beides braucht jahrelange Erfahrung. Deswegen ist meine Coaching-Philosophie wie die von Bill Gates: «Jeder braucht einen Coach» – wenn sie oder er einfacher, schneller und leichter in eine neue Dimension von Erfolg kommen will.
Sie haben mit dem Prosperity-Modell Ihre eigene Coaching-Methode entwickelt. Welche Ziele können damit erreicht werden?
Es geht nicht einfach um eine steilere Karriere. Viele investieren Jahre in den beruflichen Aufstieg, um dann festzustellen, dass sie das gar nicht glücklich macht. Ziel in meinem Coaching ist, dass der Klient den Shift vom High Performer zu einem Lebensunternehmer macht. Es geht darum, eine persönlich passende, gesellschaftlich wertvolle, finanziell einträgliche, erfüllende und vielleicht sogar grosse Lebenskarriere zu schaffen und sie dann in ein Lebenswerk zu überführen. Aus interdisziplinärer Forschung wissen wir, was herausragende Menschen auszeichnet und welche Gemeinsamkeiten sie haben. Es ist nicht Talent und Glück oder Zufall, wie die meisten meinen. Vielmehr spielen dabei komplexe, in ganz unterschiedlichen Erscheinungsformen auftretende, aber generell gültige Zusammenhänge eine entscheidende Rolle. Diese habe ich in sechs Dimensionen zusammengefasst, damit Menschen sich nachhaltig in ihrem Element fühlen.
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Was sind typische Fragestellungen oder Herausforderungen Ihrer Klient*innen?
Der Mensch strebt naturgemäss nach mehr. Der nächste Job, das grössere Auto oder der Executive MBA sind toll, begeis-ternaberoftnurkurzfristig. DieSehnsucht bleibt. Wonach? Die Antwort ist meist diffus. Trotz Erfolg kommt eine leise Unzufriedenheit, und man fragt sich: «War es das schon?» Allein ist das schwierig zu verorten. Vordergründig geht es dann um Entscheidungen, Standortbestimmungen und Neuorientierungen. In einer tieferen Ebene stellen sich aber Fragen wie «Wer bin ich?» oder «Was ist mein Potenzial?». Und ein Bedürfnis nach mehr Selbstausdruck und einem Leben entlang der eigenen Werte und Philosophie wird sichtbar.
Sie haben die Frage nach dem eigenen Potenzial erwähnt. Wie gelingt es, sich der eigenen Stärken bewusst zu werden?
Selbst-Bewusstsein muss man entwickeln und trainieren. Ist es da, ist es eine Superpower. Weil Sie erkennen, wie viel mehr in Ihnen steckt, was Sie auszeichnet, was Sie treibt, was zu Ihnen gehört und was nicht. Da beginnt Potenzialentfaltung. Und die Selbststeuerung. Das ist sehr beglückend.
Welche Rolle spielt das eigene Mindset beim Coaching?
Ein grosses. Aber es kommt auf das richtige Mindset an. Carol Dweck, Professorin an der Stanford University, beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit «Mindsets». Ihre richtungsweisenden Erkenntnisse über «flexible» und «statische» Mindsets zeigen, warum die einen Menschen ihre Intelligenz zu ihrem Wohl einsetzen können und andere nicht. Der alles bestimmende Faktor für Erfolg sei ein flexibles Mindset. Das bedeutet Offenheit, Neugier, sich nicht allein vom Wissen leiten zu lassen, sondern von der Gewissheit, dass es noch unbekannte Dinge gibt.
Geht es im Coaching-Prozess immer auch darum, die Fähigkeit zum Selbstcoaching zu fördern?
Ja.
Der Begriff «Self-Empowerment» fällt oft in diesem Kontext. Was bedeutet er für Sie?
Es geht um die Fähigkeit, die eigenen Fähigkeiten zu mobilisieren. Und es geht um Transzendenz. Menschen, deren Anliegen weit über die eigene Person hinausgeht und die aus tiefer, innerer Motivation handeln und über sich selbst hinauswachsen, erfahren eine tiefe Befriedigung.
Welche Faktoren braucht es, damit der Coaching-Prozess zum Erfolg führt?
Die Klientin oder der Klient muss sich auf den Prozess einlassen. Es geht nicht um kognitives Wissen, sondern um den Prozess, sich selbst fähiger werden zu lassen. Das geschieht durch das Anwenden un-spektakulärer Prinzipien, die aber spektakuläre Resultate erbringen.
Zum Schluss: Wechseln Sie auch ab und zu in die Rolle des Coachees, um den Prozess aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten? Unterstützt man sich dabei z.B. unter befreundeten Branchenkolleg*innen?