Aufstellungsarbeit: Beziehungen und Muster im Coaching sichtbar machen
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So werden bei einer Familienaufstellung beispielsweise die einzelnen Familienmitglieder aufgestellt, bei Organisationsaufstellungen die Mitarbeiter eines Unternehmens. Auch abstrakte Komponenten (z. B. Finanzen etc.) können als Element aufgestellt werden. Aufstellen heißt in dem Zusammenhang, dass für jede im System wichtige Person ein Platz reserviert ist, auf dem sie repräsentiert wird.
Hervorzuheben ist, dass nicht die (Familien- oder Unternehmens-) Mitglieder selbst anwesend sind, um aufgestellt zu werden, sie werden durch Stellvertreter repräsentiert, die ihre Position einnehmen. Dabei erhält die Beziehung zwischen den einzelnen Beteiligten besondere Aufmerksamkeit. Wie nah stehen die einzelnen Personen beieinander, sind sie einander zugewandt oder abgewandt, wer steht im Weg, wer versperrt anderen die Sicht, wer steht abseits, wo gibt es Allianzen oder Verbindungen, etc.
Aufstellungen können mit echten Personen durchgeführt werden, die jeweils als Stellvertreter ein beteiligtes Mitglied verkörpern oder auch mit Hilfe von Figuren oder Symbolen, die auf dem Tisch, Fußboden oder auf einem Systembrett positioniert werden. Auch wenn die einzelnen Mitglieder durch Personen verkörpert werden, handelt es sich dabei nicht um ein Rollenspiel.
Ablauf einer Gruppen Aufstellungsarbeit
Aufstellung ist nicht gleich Aufstellung, es gibt einige Unterschiede, je nachdem, um welche Art es sich handelt. So können Aufstellungen in einer Gruppe mit echten Personen erfolgen oder auf einem sogenannten Systembrett (mit Figuren und Symbolen) stattfinden. Folgender Ablauf ist jedoch in vielen Aufstellungen vorzufinden. Die Anleitung der Aufstellung wird dabei vom systemischen Coaches oder Therapeuten durchgeführt. Der geschilderte Ablauf gilt für eine Aufstellung in einer Gruppe.
1. Zielsetzung
Zuerst wird die Frage geklärt, worum geht es. Konkret was das Thema ist, das visualisiert bzw. aufgestellt werden soll. Der Coachee schildert sein Anliegen und was er sich von der Aufstellung erhofft.
2. Teilnehmer
Dann werden alle Beteiligten, die mit dem Thema etwas zu tun haben könnten, vorab festgelegt, so dass sie aufgestellt werden können. Dies kann das Unternehmen, für das man arbeitet oder auch bestimmte Aspekte des eigenen beruflichen Lebens, z. B. Konfliktsituationen, Beziehungen zu anderen Abteilungen etc.
3. Auswahl des eigenen Stellvertreters/Repräsentanten
Wenn es sich um eine Aufstellung mit Stellvertretern handelt, wird von den anwesenden Personen ein Repräsentant für die eigene Person gewählt. Der Coachee positioniert seinen Stellvertreter im Raum, d. h. er geleitet ihn zu dem Platz, der nach seinem Empfinden momentan die richtige Stelle ist.
4. Auswahl der anderen Stellvertreter
Für die vorher festgelegten Mitglieder des Systems, die aufgestellt werden, wird ebenfalls jeweils eine Person ausgewählt. Sie erhalten die Information, wen sie verkörpern und werden ebenfalls vom Coachee an die passende Stelle im Raum geleitet. In verdeckten Aufstellungen kann auch ein Stellvertreter positioniert werden, ohne dass er weiß, für wen oder was er stehen soll.
5. Positionierung der Beteiligten zueinander
Die Personen werden so positioniert, wie es momentan der Intuition des Coachees entspricht. Man geht davon aus, dass der Coachee die jeweiligen Mitglieder so hinstellt, wie sie seiner inneren Repräsentation des Systems entsprechen. Er kann anschließend, sobald alle Stellvertreter ihre Position eingenommen haben, auch nochmals korrigieren.
6. Befragung/Statement der Beteiligten
Nacheinander werden nun alle beteiligten Personen befragt, was sie aktuell wahrnehmen und wie es ihnen auf ihrer Position geht. Oft ergeben sich hier schon erste Aha-Erlebnisse für den Coachee durch die unterschiedlichen Perspektiven.
7. Intervenieren – eigentliche Prozessarbeit
An dieser Stelle werden vom aufstellenden Business Coach nach und nach Veränderungen durchgeführt. Ein Leitgedanke dabei kann sein: Was ist nötig, damit allen Beteiligten zufrieden sind? Durch das Umstellen der Beteiligten, neuen Anordnungen, Ergänzungen von neuen Aspekten oder auch dem (zeitweiligen) Entfernen einzelner Elemente können neue Varianten ausprobiert werden. Der Coachee, dessen Thematik aufgestellt wird, ist dabei Beobachter von außen und lässt das Szenario aus der Außen-Perspektive auf sich wirken.
8. Abschluss der Aufstellung
Wenn es allen Beteiligten besser geht oder eine momentane Lösung in Sicht ist, kommt die Aufstellung zu einem momentanen Abschluss. Jetzt kann auch der Coachee seinen Stellvertreter ablösen und selbst wieder seine Rolle im System übernehmen. Je nach Art der Aufstellung können hier übernommene Aufgaben zurückgegeben werden oder Abschied eingeleitet werden. Dies hängt auch vom Thema und vom Kontext ab.
9. Entlassung der Stellvertreter aus der übernommenen Rolle
Die teilnehmenden Stellvertreter werden wieder aus ihrer Rolle entlassen, so kann der Coachee sie persönlich ansprechen und sich bedanken und sie kehren an ihren Platz zurück.
10. Aufstellung wirken lassen
Oft soll die Erfahrung der Aufstellung erst mal nicht zerredet werden, sondern in Ruhe nachwirken. Bei Rückfragen sollte der Coach jedoch auch in den Tagen danach zur Verfügung stehen. Alternativ gibt es bei einzelnen Formen der Aufstellung die Möglichkeit, in Ruhe das Erlebte zu reflektieren und nach weiteren Handlungsstrategien zu suchen.
Seminar-Empfehlungen
Wie Aufstellungsarbeit funktioniert
Die jeweiligen Repräsentanten schlüpfen in die Position der Person, die sie verkörpern. Sie spielen dabei jedoch keine Rolle, schauspielern also nicht, sondern verkörpern während der Zeit die entsprechende Person. Sie werden meist nach ihren Wahrnehmungen befragt und können aus ihrer Perspektive frei äussern, was in ihnen vorgeht, etwa „die Person links neben mir ist mir zu nah“ oder „Person A versperrt mir den Blick auf Person B“.
Auch wenn sie in ihrer Position momentan gar nichts fühlen oder wahrnehmen, können sie dies äussern. Oft ergeben sich daraus schon Erkenntnisse für den Klienten, der seine Thematik aufgestellt hat. Die Schilderung des Themas aus den verschiedensten Perspektiven bringt bereits wertvolle Erkenntnisse mit sich. Interessant ist es, dass die Stellvertreter manchmal Dinge wissen, die sie als ursprünglich neutrale Teilnehmer gar nicht wissen können, z. B. sie spüren, dass jemand fehlt oder andere Mitglieder eine Beziehung zueinander haben. Sie fühlen wirklich so, als seien sie die jeweilige Person des Coachess und agieren meistens auch so.
Zudem bilden wir ohnehin die Beziehungen zwischen Menschen in irgendeiner Form in unserem Gehirn ab und codieren diese. So steht beispielsweise der Chef in irgendeiner Form „über uns“, oder ein Kollege „sitzt uns im Rücken“. Eine Aufstellung visualisiert und verdeutlicht das, was wir ohnehin schon ahnen oder wissen, ohne dass uns dies vorher klar war.
Ein anderer Erklärungsansatz, wie Aufstellungen funktionieren, liefert die Neurobiologie. Wir verfügen über Spiegelneuronen, was uns zu mitfühlenden Wesen macht. Wir spüren, wie es anderen Menschen geht. Schon als Kinder können wir Signale unserer Eltern auffangen, auch Signale, dass sie über etwas traurig oder entsetzt sind. Dies speichern wir ab und lassen uns davon beeinflussen. Durch eine Aufstellung können wir dieses abgespeicherte, aber aus dem aktiven Bewusstsein verdrängte Wissen wieder ans Licht bringen.
Ziel und Arten von Aufstellungen
Die Auswirkungen hängen ganz davon ab, welche Erkenntnis aus der Aufstellung gewonnen wird. Beispielsweise kann eine Visualisierung in einem Unternehmen zunächst einmal die Schwachstellen aufzeigen, etwa in der Kommunikation zwischen einzelnen Abteilungen. Eine andere Erkenntnis kann sein, dass manche Mitarbeiter eines Teams nicht miteinander harmonieren und die Teams anders zusammengestellt werden sollten.
Aufstellungsarbeit ist mittlerweile ein Trend geworden. So finden sich neben den etablierten Aufstellungsformen auch viele exotische Begriffe, die mit Aufstellung kombiniert sind. Manchmal handelt es sich dabei nur um eine neue oder modern klingende Bezeichnung für bekannte Methoden, in anderen Fällen um die Kombination zweier Verfahren.
Wenn allgemein von Aufstellungen gesprochen wird, sind meist systemische Aufstellungen gemeint. Eine Aufstellung macht die Beziehungen der einzelnen Elemente innerhalb eines Systems sichtbar. Zu systemischen Aufstellungen zählen Familienaufstellungen, Organisationsaufstellungen und Strukturaufstellungen.
Bei einer Organisationsaufstellung wird die Struktur und Beziehung innerhalb einer Organisation (meist eines Unternehmens, einer Abteilung, einer Behörde etc.) visualisiert. Dabei können sowohl einzelne Mitarbeiter und Team-Mitglieder aufgestellt werden als auch ganze Abteilungen (der Vertrieb, der Einkauf, die Verwaltung). Mögliche Themen könnten Konflikte zwischen Abteilungen sein, hohe Kündigungs- oder Krankheitszahlen, schwierige Kundenbeziehungen, hohes Aufkommen von Reklamationen etc.
Aufstellungsarbeit mit Figuren/Hilfsmitteln
Nicht immer sind genügend Stellvertreter verfügbar, wenn ein Coachee ein Thema durch eine Aufstellung visualisieren möchte. Daher haben sich Methoden etabliert, bei denen die einzelnen Mitglieder/Elemente eines Systems durch Figuren oder Symbole aufgestellt werden. Diese Variante wird oft in einem Einzelcoaching angewandt, um eine Thematik zu visualisieren. Als Material, das genutzt werden kann, eignen sich beispielsweise Spielzeugfiguren oder Püppchen, Kuscheltiere, einfache Bauklötze (teilweise mit Gesichtern versehen), Steine und Symbole jeglicher Art, die auf dem Tisch oder dem Fußboden angeordnet werden.
Manche Coaches bedienen sich erfolgreich in der Spielzeugkiste ihrer Kinder, was die Qualität der Aufstellung nicht beeinträchtigen muss. Auch Papierkärtchen, die als Bodenanker mit den Namen der jeweiligen Personen versehen werden, können für Aufstellungen genutzt werden. Ein Systembrett ist ebenfalls eine Möglichkeit, mit Hilfe von Holzfiguren und Symbolen auf einem Brett das zu betrachtende System aufzustellen.
Aufstellungsarbeit im Coaching
Wenn im Coaching ein Thema auftaucht, für das eine Aufstellung sinnvoll scheint, kann mit genannten Materialien gearbeitet werden. Auch hier sucht sich der Coachee für jede im System wichtige Person eine Figur, ein Bauklötzchen oder ein Symbol aus und positioniert sie intuitiv auf dem Tisch oder Fußboden. Auch für die eigene Person wird eine Figur ausgewählt und positioniert. Natürlich können die Püppchen oder Bauklötze nicht befragt werden.
In dem Fall kann der Coachee entweder um die Aufstellung herum gehen und die Szene aus den Perspektiven der gestellten Figuren betrachten: haben alle einen guten Blick auf das Ganze oder steht jemand einem anderen im Weg? Gibt es Richtungen, in die jede der Figuren schaut? Blicken sich die Protagonisten gegenseitig an oder aneinander vorbei? Etc. Der Coachee kann sich auch mit den jeweiligen Positionen assoziieren und seine Wahrnehmung aus dieser Perspektive äußern. Auch die Sicht aus der Meta-Perspektive auf die aufgestellte Szene bietet oft schon wertvolle Erkenntnisse.