Konfliktfähigkeit: So begegnen Sie Konflikten aktiv und konstruktiv

Konflikte durchziehen unser soziales Gefüge wie ein unausweichliches Gewebe. Doch sind sie wirklich nur störend und destruktiv? Unsere Einstellung zu Konflikten prägt massgeblich deren Ausgang. Das vermeintlich Negative kann auch Raum für Selbstentfaltung schaffen und persönliche Grenzen schützen. In einer Welt, in der Konflikte unausweichlich sind, ist die Frage nicht, ob sie auftreten, sondern wie wir ihnen begegnen und unsere Konfliktfähigkeit einsetzen.

28.08.2024 Von: Christian Bachmann
So begegnen Sie Konflikten aktiv und konstruktiv

Dass es Konflikte gibt in Familien, Teams und Firmen, ist völlig normal. Die wesentliche Frage ist jedoch, wie wir mit den Konflikten umgehen.

Konflikte zur Selbstbehauptung

Konflikte sind nicht per se schlecht. Das Positive in Konflikten liegt darin, dass sie Raum für Selbstbehauptung schaffen und helfen, persönliche Grenzen zu schützen. Viele Eltern haben sich wohl schon gefragt, weshalb die eigenen Kinder so viel streiten: Die Selbstbehauptung durch den Konflikt ist tief in uns angelegt, und das ist gut so. Dass es Konflikte gibt in Familien, Teams und Firmen, ist völlig normal. Die wesentliche Frage ist jedoch, wie wir mit den Konflikten umgehen. Gelingt es, auf der inhaltlichen Ebene den Streitgegenstand zu benennen und eine gerechte Lösung für die involvierten Parteien zu finden? Oder aber wird der Konflikt personalisiert, und die Konfliktpartei wird als Person selbst in ihrer Identität diskreditiert?

Grundbedürfnisse

Der Mensch ist ein soziales Wesen, das nach Zugehörigkeit und Anerkennung strebt. Zugleich verspürt er das Ich-Bedürfnis nach Autonomie und Freiheit. Sicherheit in Form von Stabilität und Zuverlässigkeit ist ebenfalls essenziell. Die Ausprägungen dieser Grundbedürfnisse variieren je nach Person stark und können nie vollständig befriedigt werden: Je mehr ein Mensch nach Freiheit und Autonomie strebt, desto stärker wird dies sein Bedürfnis nach Zugehörigkeit und/oder Sicherheit belasten.

Konflikte tun weh

Wenn subjektiv als wichtig erachtete Grundbedürfnisse nicht erfüllt werden, führt dies zu Frustration. Es konnte nachgewiesen werden, dass in Momenten von starker Bedürfnisfrustration im Gehirn dieselben neuronalen Areale aktiviert werden, die auch bei körperlichen Schmerzen betroffen sind. Dies erklärte auch, warum in manchen Konflikten mit besonders hoher Intensität gestritten wird.

Verlust der Selbststeuerung

Bei einer geringen Konfliktintensität kann der Mensch seine Überzeugungen, Werte und kognitiven Fähigkeiten in die Konfliktbewältigung einbringen. Der Mensch erlebt sich in seiner Selbststeuerung und ist in der Lage, den Streitpunkt von seiner eigenen Person zu trennen, und erkennt: Ich habe einen Konflikt. Der präfrontale Cortex, wo die persönlichen Erfahrungen gespeichert sind und damit auch die darauf basierenden Einstellungen, Haltungen und Werte, ist aktiv. Nimmt die subjektive Bedrohungssituation und damit die Konfliktintensität zu, kommen antrainierte Verhaltensmuster aus der Kindheit zur Anwendung. Die einen haben in Konfliktsituationen in der Kindheit gelernt, zu schreien, andere krank zu werden, und nochmals andere verstummen.

Konflikte lösen eine Stressreaktion aus

Wenn auch durch die antrainierten Verhaltensmuster keine befriedigende Lösung gefunden werden kann, bestimmt das Überlebensprogramm aus der Stressreaktion das Konfliktverhalten: Wut, Angst oder Lähmung. Wut löst Kampfimpulse aus (fight), die Angst Fluchtimpulse (flight), und die Lähmung führt zur Totstellung (freeze). Im Stress ist auch die Wahrnehmung des Menschen verzerrt und sehr eng (Tunnelblick). Die Konfliktpartei filtert selektiv und nimmt nur das wahr, was ihren Überzeugungen entspricht. Alles, was nicht in ihr Schema passt, wird ausgeblendet. Dadurch wird reflektiertes oder besonnenes Denken unmöglich. Gerald Hüther beschreibt diesen Prozess als «Fahrstuhl nach unten».

Wiederherstellung der Selbststeuerung

Für eine konstruktive Konfliktbewältigung muss der übererregte präfrontale Cortex der Konfliktparteien zur Ruhe kommen können. Einen wichtigen Beitrag zur Wiederherstellung der Selbststeuerung liefert die Affektbezeichnung. Indem ein Gefühl beschrieben wird, kann die Ursache dafür identifiziert werden: «Ich fühle mich ohnmächtig, weil es völlig unrealistisch ist, dieses Projekt zu übernehmen neben dem Tagesgeschäft, das mich sonst schon herausfordert.» Wer die Ursache für eine Emotion erkennt und diese benennen kann, bahnt sich dadurch auch einen Weg zurück in die Selbststeuerung.

Konfliktbewältigung / Konfliktfähigkeit

Sicherheit erlebt der Mensch in Beziehungen. In stark eskalierten Konflikten ist es deshalb wesentlich, dass die Konfliktpartei eine Person findet, mit der über den Konflikt gesprochen werden kann. Ist die Konfliktpartei in der Lage, die eigene Erregung zu kontrollieren, braucht es noch eine weitere wichtige Grundvoraussetzung, damit die Konfliktbewältigung angegangen werden kann: Sämtliche Parteien müssen den Willen zur Konfliktbearbeitung aufbringen. Dann kann das Vertrauen auf der Beziehungsebene wiederhergestellt werden, was wiederum offene Kommunikation ermöglicht. Schlussendlich können auf der Sachebene Ansätze entwickelt werden, wie das Problem bewältigt werden kann. Eine weitere Form der Konfliktbewältigung bildet die Mediation: Dabei unterstützt eine neutrale Person die Konfliktparteien, eigene Lösungsansätze für ihre Probleme zu entwickeln.

Konfliktarten:

Symptom und Ursache

Eine Herausforderung von Konflikten besteht darin, dass sie zwar zwischen Menschen ausgetragen werden, ihre eigentliche Ursache jedoch oft anderswo liegt. Ein Beispiel hierfür ist ein Zielkonflikt, der entsteht, wenn zwei Personen unterschiedliche Ansichten darüber haben, welche Prioritäten im Team gelten sollten. Zum Beispiel könnte für eine Person das Tagesgeschäft vorrangig sein, während für eine andere Person ein strategisches Projekt von höchster Bedeutung ist. Die unterschiedlichen Überzeugungen bewirken, dass sich beide Parteien im eigenen Fühlen, Denken oder Wollen von der anderen Partei eingeschränkt fühlen, was letztendlich zu einer Konfrontation führt.

Unverschuldete Konfliktbeteiligung

Besonders herausfordernd wird es, wenn Arbeitnehmende unverschuldet in Konflikte geraten. Wenn zwei Führungskräfte – z.B. in Bezug auf strategische Fragen – miteinander konkurrieren und den Konflikt nicht lösen, wird sich dieser auf die unterstellten Mitarbeitenden übertragen. Und wenn jemand in einer dysfunktionalen Organisation arbeitet, in der z.B. die Kompetenzen und Verantwortlichkeiten zwischen den Geschäftseinheiten und der Stammorganisation nicht klar geregelt sind, gerät diese Person in einen organisatorischen Konflikt. Weder der delegierte noch der organisationale Konflikt kann von den Konfliktparteien direkt bewältigt werden. Die Konfliktparteien müssen darin befähigt werden, dies zu erkennen, ihre Beziehungsebene zu schützen und den Konflikt auf die übergeordneten Stufen zu re-eskalieren.

Konfliktprävention

Die wirksamste Eine weitere Form der Konfliktbewältigung bildet die Mediation: Dabei unterstützt eine neutrale Person die Konfliktparteien, eigene Lösungsansätze für ihre Probleme zu entwickeln. Methode zur Konfliktprävention besteht in regelmässigen Investitionen in die Qualität der zwischenmenschlichen Beziehungen und damit auch in die psychologische Sicherheit der Mitarbeitenden: Wer einen regelmässigen Austausch pflegt, fühlt sich sicherer, Erwartungsenttäuschungen frühzeitig und offen anzusprechen. Eine Führung, die präsent ist und darauf achtet, dass im Team respektvoll miteinander umgegangen wird und Regelverstösse konsequent geahndet werden, ist ebenfalls äusserst wichtig.

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