Steuerrisiken: Vermeidung von Steuerrisiken in KMU
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Einleitung
Viele KMU befassen sich spätestens in der zweiten Jahreshälfte mit der Planung des nächsten Geschäftsjahrs und schmieden dabei Pläne, wie die Unternehmensziele durch Wachstumsinvestitionen, Innovationen oder auch Restrukturierungen erreicht werden können. Wenn die Unternehmensplanung allerdings nicht in enger Abstimmung mit der Steuerplanung vorgenommen wird, sind Risiken durch ungewollte Steuerwirkungen kaum zu vermeiden. Deshalb ist vor allem der Frage nachzugehen, ob und welche Steuereffekte mit geplanten Aktivitäten und Massnahmen im Planungszeitraum verknüpft sind.
Im vorliegenden Beitrag werden vor allem die steuerlichen Risiken aus einer fehlenden Abstimmung von Unternehmens- und Steuerplanung in den Mittelpunkt gerückt werden. Gerade die Missachtung von Steuerwirkungen betrieblicher Entscheidungen führt zu Steuernachzahlungen, die die Liquidität eines KMU ausserordentlich belasten oder sogar an den Rand der finanziellen Überlebensfähigkeit führen können.
Relevante Steuerrisiken in KMU
Zunächst stellt sich die Frage, wer in KMU überhaupt verantwortlich für die Beurteilung von Steuerrisiken ist. Gemäss Art. 716a OR ist der Verwaltungsrat mit der Oberleitung der Gesellschaft – AG, aber auch GmbH – betraut. In dieser Funktion ist er verantwortlich für die Erstellung des Geschäftsberichts, welcher auch die Jahresrechnung (Art. 958 OR) beinhaltet. Obwohl Art. 959c OR die Vornahme und Dokumentation einer Risikobeurteilung nicht mehr explizit vorsieht, ist das verantwortliche Leitungsorgan gehalten, eine solche vorzunehmen, da die Rechnungslegung auf der Prämisse der Fortführung basiert und diese für mindestens ein Jahr gewährleistet sein muss. Daraus ist abzuleiten, dass auch steuerliche Risiken, welche die Fortführung der Unternehmung durchaus infrage stellen können, zu analysieren und bei Bedarf die notwendigen Abwehrmassnahmen vorzusehen sind.
Welches sind aber die massgeblichen Steuerrisiken? Es sind für KMU drei Gruppen von Risikokreisen zu unterscheiden:
Transaktionsrisiken
Diese entstehen in der Regel durch einmalige Transaktionen, insbesondere bei Strukturänderungen wie Umstrukturierungen (Fusion, Spaltung, Ausgliederung, Umwandlung etc.) oder Nachfolgeregelungen und können sowohl die Unternehmung selbst (z.B. Sanierungsfusion) als auch die Eigentümer (z.B. Transponierung, indirekte Teilliquidation etc.) betreffen. Auswirkungen können solche Transaktionsrisiken bei allen Steuerarten haben, selbst wenn einzelne Aktiven davon nicht direkt betroffen sind.
Das folgende Beispiel soll die Relevanz von Transaktionsrisiken illustrieren:
Die Handels AG erstellt im Jahr 2014 einen Neubau für Lager, Versand und Verwaltung für CHF 6,48 Mio. inklusive Mehrwertsteuer. Zwei Jahre später beschliesst der Verwaltungsrat eine Ausgliederung der operativen Geschäftstätigkeit in eine neu zu gründende Tochtergesellschaft zum Zweck der Bildung einer Holdingstruktur. Die Liegenschaft verbleibt in der “neuen” Holdingsgesellschaft und wird der Tochter künftig vermietet. Obwohl die Liegenschaft keine Handänderung oder sonst eine Veränderung erfährt, findet mehrwertsteuerlich eine Nutzungsänderung statt. Künftig stellt die Immobilie nämlich eine Anlageliegenschaft dar, während sie vorher als Betriebsmittel diente. Die Folge – sofern nicht rechtzeitig für die Vermietung optiert wird – wäre die Abrechnung des Eigenverbrauchs auf 90% des anlässlich der Erstellung vorgenommenen Vorsteuerabzugs von dazumal CHF 480 000.–. Somit wären der Eidgenössische Steuerverwaltung CHF 432 000.– zurückzuerstatten. Bei Unterlassung sind die Verbindlichkeiten zu tief ausgewiesen, und die Jahresrechnung ist unvollständig.
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Operationelle Steuerrisiken
Diese sind Teil des täglichen Geschäfts und entstehen dort durch operative Entscheidungen im Zusammenhang mit der Leistungserbringung. Sie betreffen das Beziehungsfeld zwischen Unternehmung und Anteilseigner. Um die wirtschaftliche Doppelbelastung zu reduzieren oder gar zu vermeiden (Gewinne werden einmal in der Gesellschaft und ein zweites Mal als Dividende beim Aktionär besteuert), sind KMU-Inhaber versucht, private Kosten als Geschäftsaufwand zu verbuchen oder Erträge gar nicht erst in die Unternehmung fliessen zu lassen. Dabei ist immer wieder festzustellen, dass insbesondere Alleinaktionäre mit ihrer Gesellschaft Verträge abschliessen, ohne die obligationenrechtlichen Bestimmungen einzuhalten. Art. 718b OR stipuliert, dass ein Vertrag zwischen Gesellschaft und Aktionär schriftlich abgeschlossen werden muss, wenn der Aktionär für sich und die Gesellschaft den Vertrag abschliesst und der Betrag CHF 1000.– übersteigt. Damit kommen Verwaltungsräte regelmässig in Bedrängnis, wenn Steuerbehörden im Rahmen der Veranlagung oder anlässlich von Betriebsprüfungen ebendiese Unterlagen verlangen. Wenn nun ein Aktionär sich eine Leistung ohne entsprechende Gegenleistung ausrichten lässt, wird die Wertdifferenz zum steuerbaren Gewinn bei der Gesellschaft hinzugerechnet und gleichzeitig beim Aktionär als Dividende besteuert. Erfolgt die Leistung nicht an den Aktionär direkt, sondern an eine ihm nahestehende Person, wird die Dividende trotzdem dem Aktionär zugerechnet und dann als Schenkung an den Begünstigten betrachtet. Dies kann je nach Situation eine Schenkungssteuer nach sich ziehen. Eine zusätzliche Dimension ergibt sich aus der Verrechnungssteuer, welche zwar durch die Gesellschaft auf der geldwerten Leistung zu entrichten, aber zwingend auf den Empfänger zu überwälzen ist. Dabei sind zwei Fallkategorien zu unterscheiden. Dies wird konkret an dem folgenden Fallbeispiel verdeutlicht:
Eine Gesellschaft erwirbt im Rahmen eines Maschinenleasings zusätzlich ein Segelschiff, welches auf einem Schweizer See eingelöst ist. Die Leasingraten werden vollumfänglich dem Leasingaufwand in der Erfolgsrechnung belastet. Das Schiff wird überwiegend durch den Alleinaktionär, welcher passionierter Segler ist, genutzt. Gelegentlich lädt er Kunden zu Segeltörns auf dem See ein. Bei einer Buchprüfung stellt der kantonale Steuerkommissär den Sachverhalt fest. Welche Folgen hat dies für die Gesellschaft, wenn der Aktionär nur einen symbolischen Privatanteil von CHF 1.– pro Jahr oder gar keinen Privatanteil bezahlt? Eine Fallunterscheidung ist hier vorzunehmen.
Fall: Zahlung eines Privatanteils von CHF 1.–
Wenn der Aktionär einen Privatanteil verbucht, handelt es sich um eine Bewertungsdifferenz. Er verheimlicht die private Nutzung des Segelschiffs nicht, sondern verbucht eine private Nutzung. Auch wenn im Beispiel zweifelsfrei festgestellt werden kann, dass der vereinbarte Preis zu tief ist, handelt es sich nicht um einen Steuerstraftatbestand, sondern um eine Bewertungsdifferenz, welche zwar bei den direkten Steuern (Gesellschaft und Aktionär) zu Aufrechnungen führt, aber ansonsten straflos bleiben muss. Bei der Verrechnungssteuer kann in diesem Fall das Meldeverfahren angewandt werden, womit eine Zahlung und Überwälzung der Verrechnungssteuer hinfällig wird.
Fall: Keine Zahlung eines Privatanteils (Hinterziehung)
Wenn der Aktionär keinen Privatanteil bezahlt (verbucht), erkennen die Steuerbehörden auf Steuerhinterziehung. In diesem Fall wird ein sachgerechter Privatanteil geschätzt und veranlagt. Weil aber der Tatbestand der privaten Nutzung durch den Steuerpflichtigen verheimlicht wird, ist der Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt. Ob es sich um eine vollendete Hinterziehung oder lediglich einen Versuch handelt, wirkt sich im Strafmass aus. Bei der Verrechnungssteuer wird es jetzt problematisch: Die Gesellschaft muss die Verrechnungssteuer nun zwingend entrichten und dem Aktionär überwälzen, d.h., er muss die Steuer der Gesellschaft zurückerstatten. Unterlässt er dies, stellt die «Dividende» lediglich 65% der Gesamtleistung dar, womit die Verrechnungssteuer zu Hundert gerechnet wird. Anderslautende Abreden zwischen Gesellschaft und Aktionär sind ungültig. Zudem wird der Aktionär die Aufrechnung nicht als Dividende in seiner Steuererklärung deklariert haben, womit die Rückerstattung der Verrechnungssteuer durch die Eidgenössische Steuerverwaltung verweigert wird. Ferner drohen Steuerstrafverfahren bei den direkten Steuern sowie der Verrechnungssteuer. Die Busse fällt für die direkten Steuern in der Regel gleich hoch aus wie die Nachsteuer. Bei der Verrechnungssteuer beträgt der Strafrahmen bis zu CHF 30 .000.– oder zum Dreifachen der Steuer, sofern dieser Betrag höher liegt. Wenn bei der Mehrwertsteuer auf dem Betrieb und dem Leasingaufwand Vorsteuern gemacht worden sind, werden auch diese durch die Eidgenössische Steuerverwaltung korrigiert. Zudem ist auch bei der Mehrwertsteuer ein Strafverfahren zu gewärtigen.
Die Beobachtung zeigt, dass bei hinterzogenen Beträgen von CHF 100.– die Nachsteuern samt Bussen sich bis zum doppelten Betrag belaufen können. Weil es sich bei der Verrechnungssteuer sowie der Mehrwertsteuer um Selbstveranlagungssteuern handelt, begeht die Gesellschaft bzw. begehen die verantwortlichen Organe mit Eintritt der Rechtskraft – bei der Verrechnungssteuer 30 Tage nach Ausrichtung der Leistung – ein Steuerdelikt, ohne dass diese sich dessen unter Umständen bewusst sind.
Compliance-Risiken
Die Steuergesetze enthalten mannigfaltige Deklarations- und Meldepflichten, welche den Organen der Gesellschaften nicht immer gegenwärtig sind. Obwohl bei der Verletzung von Verfahrenspflichten keine Haftstrafen drohen, ist in der letzten Zeit eine Verschärfung der Praxis durch die Steuerbehörden zu beobachten. Kritisch wird es besonders bei der Verrechnungssteuer sowie der Mehrwertsteuer, da diese Gesetze auf das Verwaltungsstrafrecht verweisen, welches im Verfahren eine Anwaltspflicht vorsieht. In diesen Fällen kann ein Steuerberater ohne Anwaltspatent lediglich die Schriftstücke für den Kunden vorbereiten. Eine Vertretung wie im Einspracheverfahren und teilweise vor anderen kantonalen Instanzen ist in diesen Fällen jedoch nicht möglich.
Bestrafende Wirkung haben zwischenzeitlich auch die Verzugs- und Ausgleichszinsen, betragen diese doch in etlichen Gesetzen rund 5%.
Selbst bei getreuer Umsetzung der Steuergesetze droht den Steuerpflichtigen Ungemach mit anderen Abgabebehörden. Während die Steuerbehörden bei der Festsetzung der Lohnobergrenze für einen Aktionärsdirektor einen Drittvergleich anstellen, erkennen die Sozialversicherungsbehörden auf «Lohnumgehung», wenn bei ungenügendem Lohn der mitarbeitenden Aktionäre gleichzeitig eine 10% des Vermögenswerts überschreitende Dividende ausgerichtet wird. Besonders störend wirkt sich dieser Methodendualismus dann aus, wenn die Ausgleichskasse eine Dividende teilweise in Lohn umqualifiziert, während die Steuerbehörden diese Beiträge mit Hinweis auf das Massgeblichkeitsprinzip nicht mehr zum Abzug zulassen. Solche Fälle lassen sich mit entsprechender Planung vermeiden, wobei die Finanzverantwortlichen in der Regel – nebst dem externen Treuhänder oder Steuerberater – über die notwendigen Kenntnisse verfügen.
Nicht selten werden Dokumentationspflichten wie die Vorschrift zur Abstimmung der Umsätze und Vorsteuern bei der Mehrwertsteuer unterschätzt. Liegt eine solche Finalisierung bei einer Buchprüfung durch die Eidgenössische Steuerverwaltung nicht vor, wird der Steuerinspektor eine Herleitung erstellen. Weicht diese dann zuungunsten der Gesellschaft ab, wird er entsprechende Aufrechnungen vornehmen, wobei beispielsweise das Aufrechnungsergebnis eines Jahres auf fünf Jahre umgerechnet werden kann. Den Gegenbeweis muss dann die Gesellschaft erbringen, wenn sie dieses Verdikt abwenden will.
Seit 2016 stellen die schwere Steuerhinterziehung sowie der Abgabebetrug Vortaten zur Geldwäscherei dar. Eine schwere Steuerhinterziehung bei den direkten Steuern liegt vor, wenn der hinterzogene Steuerbetrag im Jahr CHF 300 000.– übersteigt.Obwohl noch keine Gerichtsentscheide vorliegen, dürfte davon auszugehen sein, dass dabei die Steuersubjekte Gesellschaft (Gewinn) und Aktionär (Dividende) zusammenzurechnen sind. Viel geringer ist die Toleranzgrenze bei der Verrechnungssteuer sowie der Mehrwertsteuer, welche den regelmässigen Abgabebetrug bereits bei einem Betrag von CHF 15 000.– pro Jahr verfolgen können. Die Folgen sind nebst der Sanktionierung durch die Steuerbehörden eine Überweisung der Sachverhalte an die ordentlichen Strafverfolgungsbehörden, womit nebst Bussen auch Gefängnis sowie Einzug der Deliktssumme drohen.
Schliesslich riskieren die Steuerpflichten je nach Delikt auch die Erfüllung des Straftatbestands der Urkundenfälschung, wenn eben Buchungsfälle bewusst weggelassen (nicht verbuchter Ertrag) oder falsch dargestellt werden (private Ferienreise nach Australien im Warenaufwand erfasst). Die Beobachtung zeigt, dass solche Fälle immer öfter an die Strafverfolgungsbehörden überwiesen werden.
Fazit
Die steuerlichen Vorschriften nehmen laufend zu und können bei nicht korrekter Anwendung durch die Steuerpflichtigen (Unternehmen und natürliche Personen) zu existenziellen Nachforderungen führen. Obwohl grundsätzlich die Organe (Verwaltungsrat) für die Tax Compliance verantwortlich zeichnen, ist die Sensibilität für die Steuerrisiken nicht immer ausgeprägt. Damit wird das «firmeninterne Gewissen» auf die Finanzverantwortlichen übertragen. Damit diese den Verwaltungsrat kompetent unterstützen können, sind einerseits die laufende Verfolgung der Gesetzes- und Praxisentwicklung sowie andererseits der Austausch mit Steuerspezialisten unumgänglich. Zudem sind die Organe an die Steuer-Compliance heranzuführen, da (bewusste oder unbewusste) Steuerwiderhandlungen in der heutigen Zeit nicht mehr als Kavaliersdelikte betrachtet werden.